Schwimmen beibehalten

Aquapädagogik: Wie eine "Lebensversicherung" für Kinder im Wasser

Nach dem ersten Babyschwimmkurs hören viele Eltern leider auf. Dabei können schon Dreijährige das Seepferdchen schaffen und danach den Freischwimmer. Mit dem Konzept der Aquapädagogik klappt das super.

Angeborener Reflex: Säuglinge können in den ersten Wochen schwimmen und tauchen.© Foto: Getty Images/Zena Holloway
Angeborener Reflex: Säuglinge können in den ersten Wochen schwimmen und tauchen.

Warmes Wasser, eine vertraute Gruppe und viel Freude am Planschen: Das Babyschwimmen gehört unter jungen Eltern zu den beliebtesten Kursen mit Kind. Die wenigsten jedoch bleiben danach am Ball. Sind beide Elternteile erst einmal zurück im Berufsleben, können Vormittagskurse kaum noch besucht werden. Am Wochenende sind die Schwimmbäder überfüllt und die Kurse ohnehin ausgebucht. Statt ins Wasser geht es also künftig auf den Spielplatz, zum Kinderturnen oder zu anderen Aktivitäten. Und schon gerät das Thema Schwimmenlernen immer weiter in den Hintergrund.

"Die Schwimmfähigkeit der Grundschüler ist ungenügend"

Die Folge: Selbst Kinder, die als Babys begeistert durchs Becken planschten, können im Grundschulalter nicht schwimmen. 59 Prozent der Zehnjährigen sind keine sicheren Schwimmer, so das Ergebnis einer forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG. "Die Schwimmfähigkeit der Kinder im Grundschulalter ist weiterhin ungenügend. Im Durchschnitt besitzen nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen", so der DLRG-Präsident Achim Haag.

Auch die Schwimmausbildung innerhalb der Grundschulzeit ist aus der Mode gekommen: Bei den heute über 60-Jährigen waren es noch 56 Prozent, die in der Grundschulzeit das Schwimmen erlernten, bei den jetzt 14- bis 29-jährigen Befragten lernten nur noch 36 Prozent das Schwimmen in der Grundschule. Mittlerweile haben rund 25 Prozent der Grundschulen aufgrund zahlreicher Bäderschließungen gar keinen Zugang mehr zu einem Bad. Das sind Ergebnisse einer Umfrage aus dem Jahr 2017. Da sich dort bereits ein anhaltender Abwärtstrend abzeichnete, ist davon auszugehen, dass diese Zahlen sich bis heute weiter verschlechtert haben.

"Zum Schwimmen gehört Beständigkeit – genau wie zum Zähneputzen"

Umso wichtiger ist es, dass die Familien selbst beim Thema Schwimmenlernen am Ball bleiben. Entweder in Eigenregie oder eben durch angeleitete Kurse. Finden die Eltern selbst keine Zeit dafür, ist das Projekt Schwimmenlernen auch ein dankbarer Auftrag für Oma oder Opa. Auch Uwe Legahn, selbst Schwimmtrainer und Präsident des Bundesverbandes für Aquapädagogik (BvAP), plädiert dafür, keine großen Lernpausen nach dem ersten Babyschwimmkurs entstehen zu lassen: "Wenn man das Schwimmen als eine Grundfertigkeit für alle Kinder begreift, wird man schnell erkennen, dass auch hier Beständigkeit dazugehören sollte – genau wie beim regelmäßigen gesunden Essen und beim Zähneputzen." 

Hinzu komme, so der Experte, dass beim Thema Schwimmen nur wenig "vergessen" oder "verlernt" werde und sich kaum Ängste entwickeln könnten, wenn die Kinder durchgängig im Wasser sind und das Nass spüren.

Das Konzept der Aquapädagogik

Im Vergleich zum konventionellen deutschen Schwimmunterricht sehen Experten in der Aquapädagogik einen "Schritt zur Steigerung der Wassersicherheit im frühen Kindesalter". In sieben Wochen mit dreimal wöchentlich 45 Minuten Unterricht werden quasi drei "Lebensversicherungen" geschaffen: die Schreckreflexumkehr, die bei Panik das hektische Einatmen unter Wasser verhindert; das passive Schwimmen, also das Liegen auf dem Wasser ohne die geringste Anstrengung; und die Orientierungsfähigkeit unter Wasser. Kurzum: Kinder fühlen und verhalten sich viel sicherer im Wasser – auch im direkten Vergleich zu "Normalschwimmschülern".

Mehr Informationen auf aquapaedagogik.org

Seepferdchen mit drei ­Jahren? Kein Problem!

Wer das schafft, muss auch keine Unmengen an Zeit in den Schwimmkurs investieren: "Zur Vorbereitung auf das eigentliche Schwimmenlernen reicht die wöchentliche, gut angeleitete Schwimmstunde – möglichst bereits vom frühen Babyschwimmen an in der Obhut geduldiger, entspannter Eltern", so der Experte. "Mit etwa 30 Monaten kann die sogenannte 'zweite Abnabelung' erfolgen", erklärt Uwe Legahn weiter. Hier treten die Eltern dann nach und nach in den Hintergrund und übergeben ihre Erziehungskompetenz an die Kursleitung. 

Und viel Üben wird belohnt: "Mithilfe der zuvor beschriebenen Vorbereitung und in optimaler Umgebung ist es für die meisten 'normal entwickelten' Kinder (und keineswegs nur für ausgesuchte Talente!) bereits für Dreijährige üblich, deutlich mehr als nur die offiziellen Bedingungen für das Seepferdchen zu erfüllen", weiß Uwe Legahn. Das Bronze- beziehungsweise Freischwimmerabzeichen wird unter den genannten Voraussetzungen meist deutlich vor der Einschulung erreicht, sodass die Kinder bereits als sichere Schwimmer in die Grundschulzeit starten.

"Schwimmen ist körperliche, geistige und soziale Frühförderung"

Uwe Legahn weiß, dass es für eine dauerhafte Schwimmbegeisterung immer auf das Gesamtkonzept des Kurses, das pädagogische Geschick und die Kompetenz der Kursleitung als Lehrer in der Elternbildung ankommt. Doch er ist sich sicher: "Wenn es gelingt, den Eltern klarzumachen, dass die wöchentliche Schwimmstunde für ihre Kinder viel mehr als nur eine trendige Planschstunde ist – und auch weit mehr als nur die beste Vorbereitung auf das spätere Schwimmen sein kann –, nämlich unter guter Anleitung vielfältige körperliche, geistige und soziale Frühförderung bedeutet, dann werden die Familien dabei bleiben." In den Schwimmschulen, die nach dem Konzept der Aquapädagogik arbeiten, klappt das laut dem Schwimmtrainer wunderbar: Meist bleiben die Familien zwischen sechs bis zehn Jahre dabei.

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