
Ich würde mich als toleranten Menschen bezeichnen, aber ... (so beginnen immer die besten Kommentare!) ... bei kitschigen Babyfotos kann ich einfach nicht entspannt hinschauen. Jobbedingt recherchiere ich täglich nach süßen Babybildern. Und bin immer wieder verblüfft, wie viele Säuglinge auch heutzutage noch für Shootings verkleidet und drapiert werden. Denn die goldglitzernden Bodys mit Haarreifchen und Puffärmelchen, wie auf dem oberen Bild zu sehen, sind für mich nichts anderes als eine unbequeme, wirklichkeitsverzerrende Verkleidung. Aber eben keine Seltenheit, zum Beispiel auf "Getty Images", einer der größten Bilderplattformen der Welt. Jetzt zuletzt, zu Ostern, auch ein äußerst beliebtes Fotomotiv: Baby in Körbchen mit gehäkelter Karotte und gestrickten Hasenohren. Niiiiiiedlich!? Nicht wirklich.
Na klar, über Geschmack lässt sich streiten. Und das ist auch gut so. Aber wenn ich mir vorstelle, dass kleine Säuglinge (widerwillig?) in diese Kostüme gesteckt werden, die mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun haben – nur für "das perfekte Bild" ... Polyesterkratzen und eingedrückte Gliedmaßen inklusive. Bitte, liebe Eltern, das muss doch nicht sein!?! Reicht nicht auch die kuschelige Sofadecke? Oder einfach der tolle Strampler, den Oma geschenkt hat. Vielleicht noch mit dem Teddy von der Lieblingstante. Für mein Weltbild schon genügend Kitsch auf einem Foto.
Mit der Realität haben solche Bilder NICHTS zu tun!

Natürliche Fotos sind viel wertvoller!
Tatsächlich erinnere mich noch sehr gut an die weltberühmten Fotos von Anne Geddes: Babys in Kohlblättern, Babys im Kokon, Babys im Koalakostüm. In den frühen Neunzigern hing so ein Kalender auch bei uns in der Küche. Heute sagt meine Mutter zu mir: "Die Fotos gefallen mir überhaupt nicht mehr." Warum? "Ich mag nicht, dass die Babys zu Objekten werden. Babys sollen Babys bleiben."
Meine Freundin Annie stimmt uns zu: "Solche Bilder wirken auf mich immer sehr künstlich. Nicht auf Augenhöhe. Damit lassen wir die Babys so wenig sein, wie sie eigentlich sind." Annie weiß, wovon sie spricht. Sie ist Fotografin und mittlerweile auf dokumentarische Familienfotografie spezialisiert: "Bei mir ist nichts gestellt. Ich zeige mit meinen Bildern das echte Leben. Auf die kannst du dann später zurückschauen und sehen, wie der bunte Familienalltag wirklich zu diesem Zeitpunkt war. Das ist doch viel spannender und wertvoller."
Ich stelle mir gerade folgende skurrile Situation vor: Zehn Jahre vorgespult sitze ich zusammen mit meinen Jungs auf der Couch. Wir wollen durch ihre alten Babybilder stöbern. Am besten noch mit der ersten Freundin im Arm. "Wartet mal, ihr Süßen! Mama holt mal eben kurz die Fotoboxen von euch raus. Guck mal, da warst du eine kleine Glitzer-Hummel. Zu knuffig, oder!? Und du ein Schutzengel. Mit Heiligenschein! Hach ..." Das peinliche Erröten möchte ich meinen Söhnen ersparen. Ich möchte authentische Momente auf unseren Familienfotos einfangen, die uns alle gemeinsam zum Lachen bringen.