
Die zahlreichen Masernfälle haben die Debatte um eine Impfpflicht neu entfacht. Sollte es eine Impfpflicht geben?Eine Pflicht zur Impfung sehe ich eher skeptisch. Allerdings sollte noch sehr viel mehr getan werden, damit Kinder vollständig geimpft sind, bevor sie die Kita oder den Kindergarten besuchen – und damit die Impflücken bei älteren Kindern, Jugendlichen und nach 1970 geborenen Erwachsenen geschlossen werden. Dabei scheinen mir Information und Aufklärung erfolgversprechender als staatliche Zwangsmaßnahmen.
Und wo können sich Mütter und Väter informieren? Im Internet kursieren ja oft recht zweifelhafte Informationen ...
Das stimmt. Es gibt beispielsweise eine Reihe von Leute und Organisationen, die bestreiten, dass es Viren gibt und dass Bakterien krank machen. Die beste Anlaufstelle ist der Kinderarzt.
Oft heißt es im WWW, es sei besser, die Erkrankung durchzumachen – zum Beispiel bei einer Masernparty.
Es ist richtig, dass die Dauer und Zuverlässigkeit des Schutzes nach einer durchgemachten Erkrankung bei einigen Krankheiten besser ist als nach der Impfung. Aber man geht ein hohes Risiko ein, wenn man die Kinder bewusst krank macht. Denn Masern können gerade für Kleinkinder schwerwiegende Folgen haben. Und genau das wollen wir ja gerade verhindern. Ich halte Masernpartys angesichts eines sehr guten und sehr sicheren Impfstoffs für nicht verantwortbar.
Stichwort Sicherheit. Die Angst vor Nebenwirkungen ist allgegenwärtig.
Wie alle wirksamen Arzneimittel haben natürlich auch Impfstoffe Nebenwirkungen. Allerdings sind sie deutlich nebenwirkungsärmer als die meisten Arzneimittel. Normale Impfreaktionen, zum Beispiel eine Rötung an der Einstichstelle, kommen häufig vor. Ernsthafte Impfkomplikationen, die mit bleibenden Schäden einhergehen, sind jedoch außerordentlich selten.
Seit August 2013 empfiehlt die STIKO auch die Immunisierung gegen Rotavirus – obwohl sie das Risiko eines Darmverschlusses birgt.
Nach Anwendung eines früheren Rotavirus-Impfstoffes in den USA kam es häufig zu Einstülpungen des Darms bei den Geimpften. Die neuen Impfstoffe wurden daraufhin besonders sorgfältig geprüft: 130.000 Kinder haben an Studien zur Impfstoffsicherheit teilgenommen – viel mehr als sonst üblich. Keines der Kinder erlitt Darmeinstülpungen. Aber selbst 130.000 Kinder sind noch zu wenig, um sehr seltene Komplikationen aufzuspüren. Es ist nicht auszuschließen, dass infolge der Impfung gegen Rotaviren ein bis zwei solche Einstülpungen zusätzlich pro 100.000 Impfungen auftreten können.
Wie funktioniert eine Impfung?
Bei einer Schutzimpfung werden stark abgeschwächte, also nicht mehr krank machende, Viren, einzelne Bestandteile von Bakterien oder Viren oder unschädlich gemachte bakterielle Giftstoffe in den Körper eingebracht. Das Immunsystem erkennt diese als "fremd" und baut die gleiche Abwehr und den gleichen Schutz auf, als wenn der Körper eine "echte" Infektion durchlebt – nur, dass die Impfung bei Weitem nicht die Risiken aufweist wie die Krankheit, die vermieden werden soll.
Bietet sie hundertprozentigen Schutz?
Es gibt keine eine Impfung, die zu hundert Prozent schützt. Sie schützt aber auf jeden Fall besser, als alle Alternativen.
Manche Mütter und Väter setzen ja auf gute Hygiene und vollwertige Ernährung.
Das ist natürlich vernünftig und reduziert wahrscheinlich auch die Risiken – weniger von Ansteckungen, als von schweren Krankheitsverläufen. Aber das ist kein sicherer Schutz.
Haben Sie noch zum Schluss noch einen Tipp für Eltern?
Die Impfempfehlungen der STIKO können und sollen Müttern und Vätern die Entscheidung nicht abnehmen. Aber sie sind eine wichtige Entscheidungshilfe. Eltern sollten den Impfkalender vertrauensvoll mit ihrem Kinderarzt besprechen und auf dieser Basis eine Entscheidung treffen.