Omas erzählen

108-Jährige über moderne Erziehung: "Ich verstehe nicht, dass Mütter heutzutage ..."

Früher war alles besser. Wirklich? Anjas Omas sind beide über 100 geworden und wussten: Manches ja – anderes ganz und gar nicht. Was junge Mütter von den betagten Damen lernen können …

Oma Maria und Oma Mia mit Enkelin Anja.© Privat
Anjas Oma Maria (links) und Oma Mia (rechts) hatten eine Menge Lebensweisheiten auf Lager.

Als Oma Mia und Oma Maria jung waren, gab es keine Handys, kein Internet – und noch nicht mal Waschmaschinen. Keine Frage: Es waren völlig andere Zeiten, in denen die Großmütter von Anja Flieda Fritzsche ihre Kinder aufgezogen haben. Und was sie über moderne Mütter zu sagen haben, ist wirklich erstaunlich …

"Meine Omas waren sehr unterschiedlich", sagt die Autorin, die zwei Bücher über ihre Großmütter geschrieben hat ("Oma, die Nachtcreme ist für 30-Jährige!", 10,99 Euro und "'Spätzchen, 109 ist doch kein Alter'", 12,99 Euro). "Die eine war sehr freigeistig und bis zum Schluss gesund. Die andere wollte gar nicht alt werden und hat sehr viele Medikamente genommen."

Erziehung durch gutes Beispiel

Doch eine Sache hatten beide Omas, die inzwischen mit 108 bzw. 103 Jahren verstorben sind, gemeinsam: "Meine Omas haben mich immer ermutigt, Dinge selbst zu machen. Sie haben mir immer gesagt: 'Komm, trau dich, sei mutig'", erinnert sich Anja. "Man merkt ja nicht, dass man erzogen wird, aber man wird natürlich erzogen. Gerade bei Oma Maria habe ich sehr bewundert, wie sie als beschwingter Single auf Entdeckungsreise gegangen ist und offen auf die Menschen zugegangen ist. Das bekommst du ja mit als Enkelkind, und du findest es gut. Sie hat es vorgelebt."

Vieles, was Anja von ihren Omas gelernt hat, prägt sie bis heute. "Meine Oma Mia hat viel mit mir gesungen und mir das Kochen gezeigt. Wir haben jeden Abend einen Nachtspaziergang gemacht. Das fand ich toll und habe es beibehalten."

Was ist eigentlich eine gute Mutter?

Bad Mom: Wie ich eine schlechte Mutter wurde, um die beste für meine Kinder zu sein© Junior Medien

Silke Schröckert hat herausgefunden: Sie selbst ist es nicht. Ziemlich enttäuschend einerseits, denn sie wollte es doch so, so gern sein! Andererseits hat die Autorin festgestellt: Wenn sie selbst aufhört, immer "gut" oder gar "perfekt" sein zu wollen, geht es nicht nur ihr selbst besser – sondern der ganzen Familie.

In ihrem neuen Buch "Bad Mom" erzählen Silke Schröckert und ihre Gastautorinnen von vergessenen Brotdosen und verpassten Schulveranstaltungen, von viel zu langen Fernsehzeiten und unfassbar ungesundem Abendessen, von selbstgekauften statt selbstgemachten Geburtstagskuchen, von ungeputzten Zähnen und Pyjamas unter Wintermänteln. Und vor allem: von glücklichen Kindern.

Silke Schröckert: "Bad Mom" (ab 6. Mai 2023, 18,95 Euro, Junior Medien)

Ein weiteres Ritual, für das Anja ihrer Oma dankbar ist: "Oma Maria hat den Tag immer mit Morgensport begonnen. Sie hat immer gesagt: 'Wenn du dich erstmal bewegst, ist der Kopf noch nicht so voll. Dann startest du anders in den Tag.' Radfahren, rauf, runter, Bauchübungen – das haben wir immer zusammen gemacht." Auch wenn früher sicher noch niemand die Wörter Self-Care und Me-Time verwendet hat, ist es doch im Grunde genau das: einen Moment für sich schaffen, sich etwas Gutes tun. Und dazu braucht es gar keine teuren Fitnessstudios oder Yogakurse.

Stress ist ein Fremdwort

"Meine Omas haben schon gesehen, wie sich die Frauen heutzutage zerreißen müssen", sagt Anja. Kita, Job, Hobbys – moderne Mütter sind oft permanent gehetzt. Stress war für die beiden betagten Damen jedoch ein Fremdwort. "Was ich von ihnen gelernt habe, ist, dass alles seine Zeit hat und braucht. Dass man sich entschleunigen kann. Sie haben immer gesagt: 'Wir haben ja Zeit.' Das fand ich total spannend, dass sie das mit über 100 noch immer gesagt haben. Denn eigentlich müsste ihnen die Zeit doch erst recht weglaufen."

Eine Einstellung, die uns wohl allen ganz gut stehen würde. "Sie meinten, durch die Waschmaschine braucht man doch heutzutage nicht mal mehr Wäsche zu waschen, aber die Zeit wird mit so viel Zeug zugepackt. Eigentlich könnte man sich viel mehr Zeit gönnen."

Was heutzutage schiefläuft

Und es gibt noch mehr, dass Anjas Omas an der heutigen Zeit merkwürdig fanden. "Das mit den Handys haben beide Omas nicht verstanden. Warum man so viel Zeit damit verbringt oder neben den Kindern auf die Handys guckt. Wir saßen oft am Spielplatz und haben anderen zugeschaut. Dann hat meine Oma gesagt: 'Du, ich glaube, wir haben jetzt mehr von dem Kind gesehen als die Mutter selbst.'"

Auch das heutige Lernpensum sahen die Großmütter kritisch. "Sie haben sich gefragt, warum man als Kind schon so viel wissen muss. Wenn sie gesehen haben, was ich alles für die Schule lernen musste, haben sie gesagt: 'Das Leben ist doch auch noch zum Lernen da.' Sie meinten: 'Das ist viel zu viel. Es gibt doch noch anderes.'"

Und welchen Tipp würden Oma Mia und Oma Maria jungen Müttern mit auf den Weg geben? Da ist sich Anja sicher: "Sie würden sagen: 'Probiere alles selbst aus, finde deine Meinung und trau dich, aber sei respektvoll. Geht in die Natur und lasst euch Zeit. Das Leben ist so lang und alles findet sich zu seiner Zeit.'"

Anja Flieda Fritzsche – zur Person

Anja Flieda Fritzsche ist selbstständige Designerin, Autorin und Künstlerin und lebt mit Mann und Hund in München. Mit den Büchern über ihre beiden über 100-jährigen Omas schaffte sie den Sprung auf die Bestseller-Listen. "Meine Omas sind leider verstorben, aber die Lebensfreude ist zeitlos", sagt Anja.

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