
Sie liebte es, mit ihren Freunden zusammen auszugehen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dann wurde Mona schwanger. Ein Wunschkind. Dennoch seien da die ersten Zweifel aufgetaucht: ob sie das Leben als Mutter schaffen würde, ob sie klarkommen würde mit den Einschränkungen, die das Mutterleben mit sich bringt. "Vielleicht fing es da mit der Einsamkeit an?" blickt die 38-Jährige heute zurück.
Monas Sohn war ein Schreibaby: "Die ersten zehn Monate schrie er sich das Unglück von der Seele." Ihre Babymama-Zeit sei schrecklich gewesen: "Wir hatten nie die Kuschel- und Kennenlernzeit." Stattdessen lief sie jeden Tag zehn Kilometer mit dem Baby in der Trage, denn nur dann hatte sie ein bisschen Ruhe. Sie traute sich nicht, Freunde zu empfangen, ließ Kontakte einschlafen. Müttergruppen verließ sie nach kürzester Zeit wieder, da ihr Sohn auch dort nur schrie.
"Ich fühlte mich unglaublich isoliert und wurde unausstehlich und unsicher durch meine Einsamkeit." Sie vermisste ihr altes Leben, die Unbeschwertheit. Ihr Freund unterstützte sie, wo er nur konnte, lief nach Feierabend mit dem Baby in der Trage los, um sie zu entlasten. Sie seien beide sehr einsam gewesen: "Wir denken mit Gruseln an diese Zeit zurück." Ihr Mantra in dieser Zeit: aushalten, festhalten, durchhalten.
Wenn Gleichgesinnte fehlen
Auch Alexandra hatte keinen einfachen Start in die Mutterschaft: Schwangerschaftsdiabetes, Notkaiserschnitt, Sohn neun Tage auf der Neugeborenen-Intensivstation. Doch ihr blieb nicht viel Zeit, sich davon zu erholen: Ihr Mann war nur alle zwei Wochen zuhause, da er beruflich 500 Kilometer entfernt weilen musste, sie war mit ihrem Sohn alleine. Freunde hatte sie kaum, da sie vor nicht allzulanger Zeit erst nach Freiburg gezogen war. "Zu allem Überfluss habe ich innerhalb von sechs Monaten drei Herzensmenschen aus meiner Familie verloren." Ihr habe einfach alles gefehlt, so die 36-Jährige: "Ich wollte in den Arm genommen werden, ich wollte nur weinen, ich wollte zurück in meine Heimat und zu meiner Familie."
Was ihr geholfen hat? Ihre Therapeutin, die sie immer wieder motiviert hat und ihre aktive Suche nach Kontakten: "Meine letzte Chance sah ich bei den Kleinanzeigen, wo ich mit einer Anzeige nach gleichgesinnten Müttern für einen Spaziergang oder eine Krabbelgruppe suchte." So fand sie schließlich zwei liebe Kontakte. Auch frische Luft und Spaziergänge haben ihr immer gut getan.
Ein Tag mit Baby kann lang sein
Luisa Herrling, die Mütter in Sachen Stressbewältigung und Selbstfürsorge coacht, bestätigt, dass die plötzliche Einsamkeit ein großes Thema bei Babymamas ist: "Aus der anfänglichen Zweisamkeit im Wochenbett entsteht auch mit abfallendem Hormonspiegel ein immer stärker werdendes Gefühl von Einsamkeit, das oft noch verstärkt wird, wenn der Partner wieder arbeiten geht." Die Mutter ist nun den ganzen Tag alleine mit dem Baby zuhause und muss sich in einem komplett neuen Alltag zurechtfinden: Keine Gespräche mit Kollegen, keine geselligen Mittagspausen, keine entspannten Abende mit Freundinnen mehr. "So ein Tag mit Baby kann unglaublich lang und zäh und einsam sein – und am Ende des Tages fragt man sich, was man eigentlich den ganzen Tag gemacht hat."
Einsamkeit überwinden: aktiv andere Mütter suchen
Mona wünschte sich, jemand hätte gesagt "ich komme vorbei, nehme dir das Kind ab, gemeinsam wuppen wir das." Jede Art von Hilfe wäre gut gewesen – stattdessen habe nicht einmal jemand Essen vorbeigebracht oder überhaupt Unterstützung angeboten. Ihr Rettungsanker sei das Radiohören gewesen, ihr Tor zur Außenwelt und Bücher und Erfahrungsberichte von Müttern, denen es genauso ging wie ihr.
Achtsamkeitstrainerin Luisa Herrling rät dazu, sich regelmäßig in Babykursen mit anderen Müttern auszutauschen, aber auch genauso den Kontakt zu alten Freunden und der Arbeitswelt nicht einschlafen zu lassen. "Und unbedingt sollte eine Mutter, die sich einsam fühlt, über ihre Gefühle sprechen." Denn diese Gefühle seien weder unnormal noch unangebracht.
Mütter dürfen auch mal fluchen
Dass die sozialen Medien Müttern Halt geben können, hat Luisa Herrling beobachtet, jedoch sollten sich Mütter auch davon abgrenzen können und sich erinnern, dass viele Profile nur eine Seite des Mutterseins zeigen: "Dadurch passiert es oft, dass sich Neu-Mamas mit anderen Müttern vergleichen und ein schlechtes Gefühl haben oder sich nicht gut genug fühlen." Es sei wichtig sich immer wieder zu sagen, dass man auch mal fluchen und sich das alte Leben zurückwünschen darf, denn das heißt ja schließlich nicht, dass man seine Kinder nicht liebt.
"Am Ende der turbulenten Zeit war ich mit meinem Sohn in einer Mutter-Kind-Kur zur Trauerbewältigung", erinnert sich Alexandra. Dort habe sie über sich selbst gelernt, wie stark sie sei und wie es ihr gelingt, aus jeder Situation das Beste für sich zu ziehen. "Das Wichtigste ist es, in sich hineinzuhören und sich selbst treu zu bleiben", sagt sie. Außerdem dürfe man eines nicht vergessen: "Du bist ja gar nicht allein. Du hast dein Kind. Du musst mit Baby einen gewissen Tagesablauf einhalten, also hast du einen Rahmen."
Selbstfürsorge ist wichtig
Was Mütter auf keinen Fall vergessen dürfen, ist sich auch um sich selbst zu kümmern, betont Luisa Herrling: "Ein Baby spürt genau, wie es der Mutter geht und wenn eine Mutter unglücklich, einsam und gestresst ist, überträgt sich das auf ihr Baby." Gelinge es einer Mutter, ihr Stressgefühl zu reduzieren und positive Energie zu entwickeln, wird sie gelassener und eben das spüre auch das Baby. Deshalb ermutige sie Mütter, auch immer an sich zu denken: "Selbstfürsorge für eine Mama ist nämlich das Beste, was sie für sich und ihr Kind tun kann."
Alexandra erinnert sich heute am liebsten an die schönen Momente mit ihrem Sohn, der ein unkompliziertes Baby war und es ihr einfach machte: "Wir waren eine tolle Einheit und sind es heute noch." Auch Mona und ihr Sohn, mittlerweile zweieinhalb Jahre alt, sind heute ein eingespieltes Team: "Wir passen so gut zueinander, ich bin jeden Tag gerne seine Mama."
Autorin: Nathalie Klüver