Dieser Artikel enthält unter anderem Produkt-Empfehlungen. Bei der Auswahl der Produkte sind wir frei von der Einflussnahme Dritter. Für eine Vermittlung über unsere Affiliate-Links erhalten wir bei getätigtem Kauf oder Vermittlung eine Provision vom betreffenden Dienstleister/Online-Shop, mit deren Hilfe wir weiterhin unabhängigen Journalismus anbieten können.

Stell dir vor, du hast einen wichtigen Termin. Du bist extra früher aufgestanden als sonst. Du bist mit einem Kaffee in der Hand noch mal durch deine Unterlagen gegangen und freust dich, denn du bist wirklich gut vorbereitet. Deine Tasche ist gepackt, das Essen für den Tag vorbereitet, deine Bluse gebügelt, und die Kleidung für dein Kind liegt auch bereit.
Vielleicht bist du aber auch viel zu spät aufgestanden, weil die Nacht wieder kurz war und kleine Füße dich vom Schlafen abhielten. Für Frühstück oder auch nur einen Kaffee bleibt keine Zeit, dein Kind wird zum Glück in der Kita versorgt. Das Shirt von gestern wird es noch mal tun, denn die Wäsche hast du nicht mehr geschafft, und Mist, die Regenklamotten sind auch noch nicht trocken. Dein Kind ist schon wach und spielt noch in seinem Zimmer, in seiner eigenen Welt versunken. Es sortiert in aller Ruhe seine Playmobil-Figuren nach Farben, ganz glücklich darüber, dass es mit dem Spielen ja gerade erst angefangen hat, und eine feste Idee im Kopf, was es als Nächstes machen will.
Möglicherweise läuft es dir aber auch die ganze Zeit hinterher, möchte am liebsten nur auf deinem Arm sein. Es scheint mit nichts zufrieden zu sein, quengelt und hält dich vom Fertigwerden ab. Immer wieder hast du dein Kind gebeten, sich anzuziehen, weil ihr bald losmüsst. Als deine innere Uhr Alarm schlägt, gehst du ins Kinderzimmer und erwartest, dass dein Kind startklar ist. Doch Fehlanzeige. Du willst schnell helfen, da schlägt dir schon ein "Mamaaaa, ich alleine!" entgegen. Warum versteht dein Kind bloß nicht, dass es zusammen schneller geht? Und wie lange kann es bitte dauern, ein paar Strümpfe anzuziehen? Du merkst, wie du immer nervöser wirst, und noch bevor du dich bewusst für deinen nächsten Schritt entscheiden kannst, fängst du an zu meckern, und es packt dich die Wut.

Mutter seid ihr ganz ohne Ausbildung geworden – kein Wunder, dass ihr da manchmal an eure Grenzen geratet und nicht mehr weiterwisst. Da wird plötzlich rumgekeift und dem Kind mit Gute-Nacht-Geschichten-Entzug gedroht – obwohl ihr nie so eine Mutter sein wolltet.
Von "Ich will das nicht anziehen!" über "Mama, noch mehr Schoki!" bis hin zu "Meeeeiiiins!" erklären Judith Möhlenhof und Imke Dohmen in ihrem neuen Buch nicht nur, was hinter diesem Verhalten von Kindern steckt, sondern vor allem auch, warum wir Eltern oft unverhältnismäßig darauf reagieren – und es in Zukunft besser machen können.
"Gemeinsam aus dem Mamsterrad: Wie ihr es schafft, euren stressigen Alltag mit mehr Leichtigkeit zu meistern" ist überall im Handel erhältlich – und natürlich online.
Perspektivwechsel: Kinder haben noch kein Zeitgefühl
Zeit ist für uns Erwachsene das Gerüst, das unser Leben trägt. Wir planen darin, orientieren uns daran, sie strukturiert unseren Alltag und gibt uns Halt. Zeit ist eine unserer kostbarsten Ressourcen und gleichzeitig etwas, auf dessen Verstreichen wir keinerlei Einfluss nehmen können. Als Erwachsene haben wir gelernt, unseren Alltag in Zeiteinheiten einzuteilen, führen selbst Kalender, vereinbaren Termine und hangeln uns von einem Ereignis zum nächsten. Statt im Moment zu leben, sind wir unserer Zeit oft gedanklich schon voraus und überlegen ständig, was als Nächstes kommt.
Bei Kindern ist das noch anders. Der Gehirnbereich, der für "Zeit und Planen" zuständig ist, ist im Kindesalter noch nicht ausgereift. Kinder sind "zeitlos", das heißt, sie haben kein Gefühl für Zeit und verstehen ihre Bedeutung nicht. In ihren ersten Lebensjahren leben sie ausschließlich in der Gegenwart und wissen mit Aussagen wie "in fünf Minuten" oder "nächsten Sommer" nichts anzufangen. Bis sie im Grundschulalter die Fähigkeit erlangen, das Konstrukt Zeit zu verstehen, brauchen sie andere Brücken, um durch ihren Tag zu kommen.
Zwei Welten prallen aufeinander
An dieser Stelle kracht es dann oft gewaltig, denn hier prallen zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander. Dein Verständnis von Zeit und deine Fähigkeit, eventuelle Folgen eines möglichen Zuspätkommens absehen zu können, vertragen sich nicht mit dem noch nicht vorhandenen Zeitverständnis deines Kindes. Es will nicht nur nicht, es kann einfach noch nicht. Und wir Mütter wissen nicht, wie wir damit nun umgehen sollen, weil wir ja in dem von außen geschnürten Zeitkorsett "funktionieren" müssen.
Also spulen wir ganz automatisch gelernte Verhaltensmuster ab, werden laut, meckern und wüten. In unseren Köpfen rauscht es nur noch, und Sätze wie "Immer muss ich alles zehnmal sagen!", "Das machst du doch mit Absicht!" und "Du bist doch kein Baby mehr, jetzt streng dich doch mal an!" kommen über unsere Lippen. Unser Gehirn schaltet auf Autopilot, und unsere negativen Gefühle übermannen uns. Das ist so anstrengend! Doch wenn du dir erlaubst, einmal genauer hinzusehen, wirst du feststellen, dass es eigentlich gar nicht die Situation ist, die dich so nervt, sondern wie dein Unterbewusstsein sie interpretiert.
Was du für dein Kind tun kannst
Versuche, die morgendlichen Abläufe möglichst im gleichbleibenden Rhythmus anzugehen. Das hilft deinem Kind, sich im Alltag zurechtzufinden, was wiederum sein Selbstbewusstsein stärkt. Kündige während einer Aktion schon den nächsten Schritt an, zum Beispiel, "Wenn wir die Zähne geputzt haben, ziehen wir uns an".
Das führt dazu, dass dein Kind weiß, was als Nächstes passiert, und sich darauf einstellen kann. Wenn du mit deinem Kind über Zeit sprechen möchtest, benutze Angaben, die es verstehen kann. Baue ihm Brücken, indem du Zeit auf Beispiele aus seiner kleinen Welt überträgst. "Etwa so lang wie der Weg zur Kita" ist für dein Kind viel greifbarer als "in 15 Minuten". Versuche, dein Ziel mit positiven Emotionen (Freude, Spaß, Spiel) zu verknüpfen. Dadurch erschaffst du für dein Kind den Anreiz, aus eigenem Antrieb mitmachen zu wollen. Versetze dich in die Perspektive deines Kindes – was geht wohl gerade in ihm vor, was braucht es heute? Auch, wenn Kinder manches schon gut allein können, gibt es Tage, an denen es sich mit Mamas Unterstützung einfach besser anfühlt.
Verständnis fürs Kind – und für dich
Nimm das Verhalten deines Kindes nicht persönlich und denke immer daran, dass dein Kind dich mit seinem Handeln nicht ärgern will. In seiner Welt stehen Aktionen wie "Spielen" oder "Kuscheln" an oberster Stelle, es weiß schlichtweg noch nicht um Werte wie Pünktlichkeit oder Zuverlässigkeit. An dieses Konstrukt muss es behutsam und seinem Alter entsprechend herangeführt werden. Dafür braucht es Zeit und deine Geduld. Wichtig: Plane immer (mehr als) genug Zeit ein, damit du auf Unvorhergesehenes reagieren kannst und dich kleine (oder größere) Verzögerungen nicht gleich aus der Bahn werfen.
Sorge gut für dich selbst! Versuche, deine automatisch ablaufenden Gedanken zu erkennen und als irreführend zu entlarven, gerade in (oder nach) stressigen Situationen. Übe dich in Verständnis und Nachsicht mit dir selbst, insbesondere, wenn es dir nicht gelungen ist, deinen Autopiloten auszuschalten. Gedanken, die sich über Jahre eingeschliffen haben, werden nicht "über Nacht" neu programmiert.
Halte dir vor Augen, dass Druck immer Gegendruck erzeugt. Atme tief durch und versuche, den Druck, den du selbst verspürst, zu mildern. Je entspannter du eine herausfordernde Situation angehst, desto leichter wird sie sich lösen lassen. Nimm das Verhalten deines Kindes nicht persönlich und denke immer daran, dass dein Kind dich mit seinem Handeln nicht ärgern will.