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Zu meiner Verteidigung (denn ich habe das Gefühl, mich an dieser Stelle dringend verteidigen zu müssen): Es ist heute wirklich schwer, kein überzogen-unrealistisches Bild des Mutterwerdens und Mutterseins im eigenen Unterbewusstsein heranzuzüchten.
Noch bevor überhaupt ein zweiter Strich auf meinem Schwangerschaftstest erschien, habe ich schon Facebook-Videos und Insta-Inszenierungen verschlungen, in denen andere Mütter ihren Nachwuchs ankündigten. Glaubt man dem Internet (und das ist bekanntlich der erste Fehler), dann herrschen drei angemessene Arten vor, die frohe Kunde zu verbreiten: Entweder man backt die geheime Botschaft in ein aufwendig gestaltetes und mindestens dreistöckiges Kuchenkunstwerk ein. Oder aber man engagiert einen angesagten Fotografen für Familienfotos, der kurz vorm Drücken des Auslösers statt "Bitte lächeln" laut "SILKE IST SCHWANGER!" ruft, um dann direkt die emotionsreichen Reaktionen aller Abgelichteten für die Ewigkeit festzuhalten, naaaaw!
Oder aber natürlich der Klassiker für die ganz Geduldigen, die so lange warten können: Man setzt das erste Ultraschallbild aufmerksamkeitsstark in Szene, zum Beispiel am Boden einer (dann hoffentlich schnell) leer gegessenen Pralinenschachtel, am Ziel einer aufwendig ausgeklügelten Schnitzeljagd oder ganz einfach auf einer eigens gebuchten Plakatfläche in der Innenstadt, an der man dann zufällig gemeinsam vorbeispaziert. Okay, der letzte Punkt kommt nicht allzu häufig vor.
Aber: In Sachen Schwangerschaftsverkündung gibt es wirklich nichts, was es nicht gibt. (Ich schwöre, dass ich letzte Woche ein Video gesehen habe, in dem die werdende Mutter den positiven Schwangerschaftstest als Eisstiel verwendet hat und den nichts ahnenden Vater so lange an dem DIY-Wassereis rund um das angepinkelte Stäbchen hat lutschen lassen, bis er endlich gemerkt hat, was er da gerade im Mund hat.) Ja, die Inszenierung der frohen Kunde kennt keine Grenzen. Zumindest auf Instagram.
Auf Instagram kocht auch fast jede Mutter den Babybrei selbst.
In ihrer picobello aufgeräumten Küche. Bevor sie sich dann an den ebenfalls aufgeräumten und mit frischen Blumen geschmückten Esstisch mit der DIY-Fensterdekoration im Hintergrund setzt und sich für "das Chaos" entschuldigt, wenn ein Breiklecks doch einmal danebengeht. Ups, hihi, schnell wegwischen. So, alles wieder perfekt.
Während in den pastellfarbenen Fotokacheln und inszenierten Reels gezeigt wird, wie das perfekte Mama-Leben in der Praxis aussieht, steht in den Elternratgebern die passende Theorie dazu. Natürlich ist es falsch, seine Kinder anzuschreien. Also macht das auf Instagram auch niemand. Wutanfälle der Kleinen muss man mit Liebe und Verständnis beantworten, deshalb gehen Videos viral von Eltern, die minutenlang geduldig neben ihren brüllenden Kindern sitzen. Und Holzspielzeug ist pädagogisch wertvoller als Plastikkram, deshalb wird – klar – online auch lieber die Brio-Eisenbahn als die Barbie in Szene gesetzt. Du hast deinem Kind Kunststoffautos von Paw Patrol gekauft? Was machst du noch alles falsch?
An dem Tag, an dem ich diese Zeilen schreibe, sind unter dem Hashtag #instamom knapp über sechs Millionen Beiträge veröffentlicht.
Vermutlich sind es jetzt, während du das hier liest, schon deutlich mehr. Mehr als sechs Millionen Einblicke in das Elternleben, die zeigen, wie (gut) andere es machen. Und ja, ich weiß, es ist eine erlesende Handvoll an Beiträgen dabei, die sich auf sympathische Art mit dem Scheitern oder dem Nicht-perfekt-Sein beschäftigen. Aber Hand aufs Herz: Das ist die absolute Minderheit. Und die allermeisten davon sind auch nicht vollständig ehrlich, sondern präsentieren einen sehr kleinen, erträglichen, nicht völlig peinlichen Teil des wahren Chaos.
Natürlich ist es jeder selbst überlassen, wie sie mit dieser Flut an Eindrücken umgeht. Manch eine juckt es nicht, wenn Experte A im Interview sagt, wie gesund selbst gekochter Brei ist, und Influencerin B bis Z sich daraufhin strahlend beim Möhrchenschnippeln und Pastinakenpürieren filmen – die kauft trotzdem weiter unbeirrt die Hipp-Gläschen. Andere schauen sich die Fülle an Inspirationen an und ziehen sich nur genau diejenigen Informationen heraus, die passend für sie sind. Weil sie zum Beispiel ein Händchen fürs Kochen haben und sich für Breirezepte interessieren, dafür aber auf Ordnung und Inneneinrichtung nicht so viel Wert legen. Und sich deshalb von einem Kinderzimmer, das wie im Schöner- Leben-Katalog inszeniert ist, auch nicht verunsichern lassen.
Für viele Mütter aber (und ich fürchte, es ist die überwältigende Mehrheit) bedeuten diese Unmengen an überzogenen (aber vermeintlich authentischen) Inszenierungen vor allem eins: Druck. Druck, dass das Eltern- und Familienleben bei einem selbst genauso auszusehen hat. Genauso schön und ordentlich, so liebevoll und wertschätzend, so ausgeglichen und ausgeschlafen, so dekoriert und jederzeit mit warmem Ringlichtschein schmeichelhaft ausgeleuchtet. Denn wenn wir bestimmte Dinge nur oft genug sehen, wieder und wieder, bei jedem Blick aufs Handy, dann speichern wir sie irgendwann – wenn auch nur unbewusst – als "normal" ab. Als eine Art Standard, den es zu erfüllen gilt, wenn man alles richtig machen möchte. Wer das nicht schafft, hat versagt. Es ist die unsichtbare Video- oder Bildbeschreibung jedes einzelnen dieser sechs Millionen Beiträge: "Bei dir sieht es nicht so aus wie auf diesem Foto? Dann machst du es falsch."
Erstaunlicherweise hatte ich keine Angst, irgendetwas falsch zu machen.
Ehrlich nicht. Ich ließ mich auch nicht verunsichern von den Dingen, von denen ich keine Ahnung hatte. Im Gegenteil: Ich war hoch motiviert! Angestachelt, es nicht nur genauso schön zu machen, sondern besser. Und zwar alles davon. Ich hatte noch nie ein Talent fürs Kochen, aber für mein Baby würde ich es natürlich lernen. Für Inneneinrichtung und Dekoration habe ich keinerlei Gespür, aber natürlich würde auch ich das perfekte Kinderzimmer einrichten. Im Zweifel mit professioneller Hilfe. Ich hatte mir bereits Fotos von Bento-Brotboxen mit Reishäppchen in Pandabär-Form abgespeichert, noch bevor eines meiner Kinder etwas anderes als Milch zu sich nehmen konnte. Apropos: Natürlich wollte ich stillen, und zwar genau so lange, wie die Expertinnen und Experten es empfehlen. Mindestens. So machen gute Mütter das schließlich. Steht zumindest in den Zeitschriften, die ich lese.
Ja, ich habe all diese perfekten Inszenierungen in mich aufgesogen, wissend gelächelt und gedacht: Alles klar, so werde ich das auch machen. Schließlich will ich das Beste für mein Kind. Mal im Ernst: Warum machen das nicht alle einfach so?
Wenn du bereits Mutter bist, dann hast du spätestens jetzt hoffentlich das erste Mal laut über mich gelacht ❤️
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