Unsere Expertin

Tanja Heller ist Werbetexterin und Autorin ("Minimalismus").
Mehr Infos über ihre Person: www.texterin-mit-biss.de
Leben & erziehen green: Du hast mit deiner Tochter seit Geburt an nach dem "Zero Waste"- Prinzip gelebt. Was genau bedeutete das für die Zeit mit Baby?
Wiege, Babywanne, Laufstall, Wickeltisch, Schnuller, Feuchttücher, Fläschchen ließen wir im Laden. Im ersten Jahr stillte ich. Brei kochten wir aus Gemüse und froren ihn ein. Gewaschen wurde im Waschbecken. Außer Mandelöl, Babyschere und Tragetuch habe ich vorher bewusst nichts gekauft, sondern alles gebraucht und neuwertig geschenkt bekommen, sogar Stilleinlagen aus Seide. Ein Föhn und ein Kleiderbügel, als Halterung, ersetzten den Heizstrahler.
Wann wurde Müllvermeidung zur besonderen Herausforderung?
Nach neun Monaten waren mir Stoffwindeln zu arbeitsintensiv, und wir kauften Wegwerfwindeln.
In vielen Kinderzimmern stapelt sich das Spielzeug in Unmengen. Wie sah das bei euch aus?
Ich habe mich immer bemüht, Spielzeugkonsum zu vermeiden und fantasievolle Spielmöglichkeiten herzustellen: Aus Pappmaschee und Spielteig modellierten wir Musikinstrumente, Kinderküche, Theater und das Kaufladenequipment. Es gab einen großen Garten mit Kletterwand aus alten Fahrradschläuchen, Balancieren auf aus rangierten Spannseilen von LKWs. Die Kids bauten ein zweistöckiges Baumhaus am Fluss. Sie befreiten das Ufer von Müll und fuhren mit selbst gebauten Booten, einem halbierten Kanister und ausgedienten Kanus.
Du lebst den "Zero Waste"-Lifestyle seit 30 Jahren. Wie kam es überhaupt dazu?
Im Fernsehen hatte ich die Songzeile "Ich bin ein Umweltschwein. Bald bin ich ganz allein" gehört – das hat mein Leben nachhaltig verändert. Ab da konnte ich kein Trinkwasser mehr in die Toilette kippen, ging auf Flohmärkte und wollte raus aus dem "Konsumpf".

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Mehr InfosWie gehst du mit Essensresten um?
Ich koche und plane so, dass ich keine Reste habe. Weil bei der Herstellung von Lebensmitteln bereits Unmengen weggeworfen wurden.
Das klingt so sinnvoll und logisch, doch ist es in den meisten Familien völlig anders. Wie könnte es anders laufen – auch beim Thema Konsum?
Wenn Eltern sich in der Schwangerschaft verantwortungsvoll Gedanken machen und sich informieren, welches Spielzeug für das Kind sinnvoll und nicht gesundheitsschädlich ist, entfällt eine Unmenge an Plastik, Elektroschrott und Chemiebergen im Kinderzimmer. Erwachsene, die Geschichten erzählen und vorlesen und sich mit ihren Kindern beschäftigen, machen elektronische Unterhaltung im Kinderzimmer überflüssig. Eltern, die immer bewusst für und mit ihren Kindern einkaufen, werden sie zu kritischen Konsumenten machen.
Welche "Starttipps" gibst du Familien, die Müll vermeiden möchten?
Ich würde mich einfach als Familie zusammensetzen und besprechen: Was brauchen wir? Was können wir einfach weglassen? Wie werden wir unsere Dinge wieder los? Wie können wir Verpackungen fasten? Wie möchten wir reisen?
Welcher Moment war für dich besonders niederschlagend?
Die Erkenntnis, dass 320.000 Einwegbecher stündlich (!) in deutschen Mülleimern landen. Ich habe noch nie einen Coffee to go gekauft. Der Trend ist eine Umweltsünde. Das finde ich niederschmetternd. In den 30 Jahren hat sich nichts verändert. Es wird noch mehr Müll produziert!
Und hast du auch besonders bewegende Erinnerungen?
Amüsiert haben mich zwei Erlebnisse nach einer Party: Eine Bekannte, die zwei Jahre lang ihr Traumhaus baute, sagte zu mir in meiner reduzierten Wohnung: "So würde ich auch gerne leben." Und eine andere sagte daraufhin: "Ich hab's auch getan!" Ich frage erschrocken: "Was?" "Wie du. Ich hab alles zur Givebox gebracht."
Was ist eine Givebox?
Eine Givebox lädt Nachbarn und Passanten dazu ein, Dinge zu tauschen oder zu verschenken. Es kann ein wetterfestes Regal, ein begehbarer Schrank oder ein kleiner Container sein. Was man nicht mehr benötigt, stellt man hier ab – und jemand anderes kann sich darüber freuen.