
Ich erinnere mich gut an zahlreiche Gespräche und Diskussionen mit meinem Mann – bevor unser Sohn auf der Welt war. Immer war er es, der bedächtig bremste und mir die Lupe vor die Augen (die klar mit einer rosaroten Brille bedeckt waren) hielt: "Wir haben ja so schon kaum genug Zeit für alles, was wir machen wollen" und "Wie sollen wir da noch einem Kind gerecht werden", waren klassische Sätze von ihm. Ich hingegen – geblendet von der tickenden biologischen Uhr, vermutlich den Hormonen und der bereits erwähnten rosaroten Brille – hielt immer dagegen: "Ach, andere schaffen das auch", "Wird schon nicht so schlimm", "Die Hormone sorgen dafür, dass das klappt" und so weiter. Immer neue Argumente versuchte ich zu finden, um meinen Mann zu überzeugen, dass wir doch ein Kind kriegen sollten. Und redete mir dabei vermutlich auch selbst einiges schön.
Endlich überzeugt: Wir wollen ein Kind!
Eine gefühlte Ewigkeit später waren wir uns dann endlich einig, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Wir wollten ein Kind. Als unser Sohn dann auf der Welt war, kam mein Mann erst mal viel besser damit zurecht als ich. Klar, sein Körper hatte sich ja auch nicht verändert, im Gegensatz zu meinem. "Hilfe, ich will meinen Körper zurück! Warum hat mir keiner gesagt, dass er sich so verändern würde?!", dachte ich ziemlich am Anfang. Und obwohl ich zehn Tage nach der Geburt mein Gewicht von vor der Schwangerschaft zurück hatte, war mein Körper nicht derselbe. Alles war weicher, unförmiger und für mich einfach weniger schön. Meine Hebamme hatte den netten Spruch auf Lager: "Alles eine Erinnerung an dein Kind." Wie recht sie hat. Eigentlich weiß ich das ja auch. Dennoch fällt es schwer, sich erst mal an den neuen Körper und das neue Körpergefühl zu gewöhnen. Wie war das mit der Selbstliebe? Meine Kollegin hat einen wunderschönen Liebesbrief an Mama-Bäuche geschrieben.
Ich will meinen Körper zurück
Aber mein Körper gehörte gefühlt auch nicht mehr mir, sondern wurde ständig gefordert. Alles drehte sich nur noch ums Baby. Wenn es Hunger hatte, musste ich herhalten. Zum Teil fühlte ich mich, als würde ich einfach nur ausgesaugt werden. "Dein Baby entwickelt sich prächtig", lobte die Hebamme. Ja toll, dafür fühle ich mich mies, ging es mir durch den Kopf. Bitte nicht falsch verstehen: Es ist völlig in Ordnung und normal, dass nach der Geburt eines Kindes die eigenen Bedürfnisse erst mal in den Hintergrund treten und das Baby an erster Stelle steht. Das ist ja auch nur für eine vorübergehende Zeit so. Dennoch hätte ich mir nie träumen lassen, wie schwer mir diese gefühlte Fremdbestimmtheit dann doch fallen würde.
Paarzeit und Freunde treffen? Pustekuchen!
In meiner vorschwangeren Verblendung hatte ich mir vorgestellt, dass wir uns regelmäßige Paarabende einrichten würden. Oma oder ein Babysitter würde uns da schon unterstützen. Doch dann kam das große "Ja, aber"! Ja, sie würden uns unterstützen, aber einen (familienfremden) Babysitter akzeptierte unser Sohn nie. Ja, Oma macht das, aber dann kommt doch irgendwas dazwischen, weshalb wir zu Hause bleiben. Zum Beispiel, weil wir einfach zu müde zum Ausgehen sind.
Und natürlich hatte ich mir auch vorgestellt, meine Freundschaften ganz normal weiterzupflegen. Auch wenn man sich vermutlich in der ersten Zeit etwas seltener sieht. Fakt ist, die meisten – wenn nicht alle – meiner Freundschaften haben sich ziemlich verändert und definitiv verbringe ich wesentlich weniger Zeit mit meinen Freundinnen. Zum Glück haben viele von ihnen inzwischen auch Kinder und wissen daher, wie das ist. Einige von ihnen kriegen das aber auch einfach besser hin als ich: Ein wenig beneide ich meine Freundin, die einmal im Jahr ein verlängertes Wochenende mit ihren Freundinnen in Sankt-Peter-Ording oder so verbringt – komplett ohne Kinder. Alleine die Organisation würde mich schon überfordern ...
Ist das jetzt schlimm?
Ich liebe meinen Sohn über alles und ich liebe auch das Muttersein. Es hat sich einfach gezeigt, dass vieles unplanbar ist und anders läuft, als man es sich vorgestellt hatte. Auf das Elternsein kann man sich eben nicht wirklich vorbereiten. Es hat sich aber auch gezeigt, dass das überhaupt nicht schlimm ist. Im Gegenteil. Tatsächlich verändern sich die eigenen Prioritäten, sodass plötzlich ganz andere Dinge wichtig sind. Und andere Dinge warten können. Und auch wenn sich einige Befürchtungen meines Mannes bestätigt haben, würde ich die Zeit nie zurückdrehen wollen. Viel zu herzerwärmend sind die kleinen Ärmchen, wenn sie sich um deinen Hals legen und dich ganz fest drücken. Oder das erste Küsschen, das du aufgedrückt bekommst von dem Kleinen. Und inzwischen sogar die ersten Zettelchen, auf denen steht "Mama, ich hab dich lieb". Ja, man bekommt vieles zurück, wie es so schön heißt. Es ist aber zwischendurch auch einfach verdammt anstrengend. Doch das ist es definitiv wert.