Brief aus Kindersicht

Umzug mit Kind: "Liebe Mama, deshalb liebe und hasse ich unser neues Zuhause!"

Ein Umzug ist mit großen Emotionen verbunden – auch bei den Kleinsten. Nicht nur (Vor-)Freude macht sich bemerkbar! Da sind auch viele negative Gefühle. Diese Erfahrung macht gerade auch unsere Autorin. Oder besser gesagt ihr kleiner Sohn, aus dessen Sicht sie diesen Brief schreibt.

Umzug mit Kind: Kleinkind spielt mit seinen Eltern mit großen Pappkartons, die als ein Haus zusammengestellt wurden.© iStock/Halfpoint
Kinder haben während eines Umzugs meist gemischte Gefühle.

Liebe Mama, 

überall stehen Umzugskartons. Mit denen kann man ganz toll spielen. Am liebsten baue ich mir damit ein Haus oder klettere hinein und spiele Bootsfahrt. Häufig spielst du mit mir mit. Doch noch häufiger benutzt du die Spielkartons anders als ich. Du nennst es das Wie-viel-passt-in-den-Karton-Spiel. Dann räumst du die Schränke aus und packst all unsere Sachen hinein. Das Spiel mag ich nicht so gern wie mein eigenes. Unsere Sachen gehören doch schließlich hierher. In unser Zuhause …

Ich finde es aber gut, dass du meine Sachen noch unangetastet lässt. Wenn es Zeit wird, dann möchte ich dir dabei helfen – und meine Spielzeuge und Kuscheltiere ganz alleine in einen Karton legen. Die kommen dann nämlich mit uns in unser neues Zuhause, habt ihr mir erklärt. Das kenne ich auch schon, schließlich war ich schon unzählige Male mit euch dort. Im Moment malen dort fremde Leute die Wände an. Das finde ich komisch. Das darf man doch sonst nicht machen. Na ja, ihr sagt, das ist in diesem Falle okay. Ich glaube euch.

Ich fühle mich schon ganz wohl in unserem neuen Haus. Besonders mag ich den Garten und mein tolles Spielhaus auf Stelzen – mit Rutsche, Schaukel und einem kleinen Raum mit Fenster und Tür. Ja, ich fahre gern mit euch dorthin. Aber irgendwann will ich dann auch wieder zurück, in mein richtiges Zuhause. Dort fühle ich mich sicher und geborgen. 

Danke, Mama, dass du mich verstehst. Und dass du und Papa bei mir seid. Seid mir nicht böse und habt Geduld mit mir. Ich habe zwischendurch immer Angst, dass ihr mich alleine lasst. Dass ihr in das neue Haus geht, ohne mich. Du sagst dann: "Das ist doch Quatsch. Wir gehen nirgendwo ohne dich hin!". Eigentlich weiß ich das auch. Aber, weißt du, ich habe eben noch nicht so richtig verstanden, was "Umzug" bedeutet. Schließlich haben wir doch schon ein Zuhause. Warum brauchen wir ein neues?

Die Bücher, die du mir jetzt manchmal vorliest, finde ich ganz nett. Aber so richtig geheuer sind mir die Geschichten trotzdem nicht. Dennoch: So langsam ist mir das Wort "Umzug" nicht mehr ganz so fremd. Mittlerweile verstehe ich besser, warum wir jetzt in einem Meer aus Kartons hausen – und warum wir so viel hin- und herfahren müssen. Zwischen unserem jetzigen Zuhause und unserem baldigen, neuen Zuhause. 

Mein neues Kinderzimmer finde ich übrigens richtig schön. Das habt ihr gut für mich ausgesucht. Und auch die Tiere an der Wand, mein neues Bett und die grüne Wandfarbe. Aber wenn ihr sagt, dass wir bald auch im neuen Haus schlafen wollen, dann habe ich ein komisches Bauchgefühl. Dann wird mir etwas mulmig – aber gleichzeitig ist da auch so ein Kribbeln. Merkwürdig. Ihr sagt dann, dass es ganz normal ist, wenn man sich freut und gleichzeitig aber auch ein bisschen Angst davor hat. Euch gehe es genauso wie mir und wir sitzen in einem Boot. Das unbekannte Neue werde dann aber meist doch zu etwas ganz Tollem. Na, gut, ich vertraue euch. Zum Glück seid ihr bei mir.

Haltet bitte meine Hand, kuschelt mich ganz viel und erklärt mir alles ganz genau. Ich verstehe mehr, als ihr vielleicht denkt und mag es nicht, ins kalte Wasser geschmissen zu werden. Lieber packe ich mit euch zusammen all die Kartons. Füllt sie bitte nicht hinter meinem Rücken. Bezieht mich mit ein. Ich möchte immer wissen, was als Nächstes kommt. Das finde ich gut. Lasst mich mit ans Steuer. Und wenn wir die Kartons dann im neuen Haus wieder auspacken, spielen wir wieder Bootsfahrt, in Ordnung? Meine Gefühle werden mit der Zeit bestimmt auch immer klarer. Irgendwann ist da sicher nur noch Freude – und all die komischen anderen Gefühle, die mir zwischendurch noch Angst machen, lösen sich in Luft auf. Eigentlich ist es ja auch egal, wo wir wohnen. Hauptsache, wir sind zusammen. Ihr seid ja mein Zuhause. Mein sicherer Hafen. 

Danke, dass ihr immer bei mir seid.

In Liebe, 

euer Krümel

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