Uschi Bonaparte

"Es findet ein Neudenken statt – und dennoch fühlen sich viele Mütter verlorener denn je"

Mamasein ist das Schönste auf der Welt. Das stimmt sicherlich. Es ist aber auch oft: anstrengend, chaotisch, überfordernd. Und über genau diese Facetten spricht Uschi Bonaparte ...

Uschi Bonaparte© Uschi Bonaparte
Uschi Bonaparte hält nicht viel von Instagram-Filtern.

Kinderzimmer wie aus dem Hochglanzmagazin, alle Kinder tragen saubere Kleidung (am besten in Beige), alle Mamas sind topfit und gestylt. So sieht es aus, das durchschnittliche Instagram-Profil der typischen Momfluencerin. Und dann kommt Uschi. Die dreifache Mutter hat so gar keine Lust auf Fake und zeigt Familienleben so chaotisch und unperfekt, wie es nun mal bei den meisten ist. Filter? Braucht sie nicht. Und weil sie das so herrlich authentisch macht, folgen ihr inzwischen schon mehr als 15.000 Menschen.

"Mum of 3, great lover, awful wife" nennt sie sich selbst leicht ironisch in ihrer Bio. Und nun hat die Autorin unter ihrem Künstlernamen Uschi Bonaparte sogar ein Buch geschrieben ("Durch den Momsun: Heul- und Lachkrämpfe, bis der Beckenboden brennt", Goldmann Verlag, 16 Euro).

Echtes, ungeschöntes Mamaleben

"Es kann so vielfältig sein, wie wir als Familie leben, und gleichzeitig ist es einfach überall anders chaotisch", erzählt uns Uschi Bonaparte. Sie möchte Frauen den Druck nehmen, immer und überall perfekt sein zu wollen. Denn Mamasein ist neben allem anderen vor allem eines: herausfordernd.

"Aktuell werden so viele Stereotypen aufgebrochen, ein Umbruch und Neudenken findet statt. Das ist wundervoll, das ist wichtig und gleichzeitig kann man sich – wenn man nachts auf dem Klo sitzt, das Kind bestimmt gleich wieder wach wird, und via Handy Paare von Bali aus vom 50/50-Life erzählen sieht, während man sich heute Abend in Böblingen darüber gestritten hat, warum er keine Elternzeit nimmt – auch erst mal ziemlich verloren fühlen."

Sexy sein, auf Augenhöhe mit dem Kind, was für den Kopf tun, für andere da sein, gewaschene Haare haben – ich kenne keine Mutter, die all das an einem Vormittag erlebt.

Uschi Bonaparte

Uschi Bonaparte weiß selbst, wie schwer es sein kann, alles unter einen Hut zu bringen: eine gute Mutter sein, erfolgreich im Job, dazu liebende Ehefrau. Nur wie schafft man es, von diesen Anforderungen, die viele Frauen an sich selbst haben, nicht erdrückt zu werden? "Ich würde gern mein 'Lockermachen' perfektionieren", sagt Uschi lachend. "Das ist für mich eine Lebensaufgabe. Aber ich glaube, es ist nicht möglich, als Mutter alles locker zu sehen. Es geht um so viel. Man muss an so vielen Dingen dran bleiben, auf so vieles allzeit ein Auge haben, damit nichts schiefgeht. Aber ja, Perfektionismus kann einem sehr im Weg stehen. Mein Ordnungssinn hat sich zum Beispiel mit der Anzahl der Kinder erweitert – das macht ja schon mal gar keinen Sinn. Das auszuhalten, dass bei uns nie etwas länger als eine Minute da liegt, wo es hingehört, das bringt mich an meine Grenzen. Es macht viele Mütter – mich eingeschlossen – traurig, dass man zwar unheimlich viel gebacken kriegt, aber nicht alles gleichzeitig, was man will. Sexy sein, auf Augenhöhe mit dem Kind, was für den Kopf tun, für andere da sein, gewaschene Haare haben – ich kenne keine Mutter, die all das an einem Vormittag erlebt."

Mamas dürfen auch Schwäche zeigen

Sie spricht ganz offen darüber, wie sehr die Mutterschaft sie an ihre eigenen Grenzen gebracht hat. "Ich musste zum Beispiel erst Mama werden, um mir zu erlauben, Schwäche zu zeigen. Nach der ersten Schwangerschaft hatte ich eine halbjährige postnatale depressive Phase und habe mir Hilfe gesucht. So weit war ich in meinen Zwanzigern nicht, auch wenn es da vieles zu besprechen gegeben hätte. Das ging als Mama nicht mehr. Ich konnte mich nicht ganze Tage ins Bett verziehen oder mich hinter den Rechner verstecken oder mit fremden Männern schlafen, ich musste handeln. Dann habe ich begonnen, öffentlich über meine Gefühle als Mutter zu schreiben. Jetzt mit drei Kindern fällt mir nichts leichter, als laut zu sagen: 'Du, ich kann nicht mehr!' Aber nach knapp acht Jahren Mutterschaft weiß ich auch: Ich kann mich weder darauf verlassen, dass jemand anderes bemerkt, wenn ich Hilfe brauche, noch, dass jemand Hilfe für mich organisiert. Wir müssen meistens selbst ran. Und das kann übel schwer sein. Aber wir sind das wert."

Vergleiche lauern überall

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Frauen gerade durch Instagram und Co. oft mit unrealistischen Vorbildern vergleichen. Doch auch im Alltag fällt es schwer, sich nicht mit anderen, vermeintlichen "besseren" Müttern zu messen.

"Das Vergleichen begleitet uns ein ganzes Leben. Meine Figur wurde bereits als kleines Mädchen mit der meiner Cousine verglichen, in der Schule konnten dann angeblich die und die das und das besser. An der Uni gab es die, die besser mit den Profs klarkamen, im Büro die, die nie negativ auffallen, usw. Als Mutter erreicht das Vergleichen dann auf dem Spielplatz oder in der Krabbelgruppe noch mal ein Next Level", weiß Uschi. "Ich finde es nicht verwerflich, sich zu vergleichen. Es gehört dazu. Wenn wir akzeptieren, wie verschieden wir sind und handeln und jede einzelne aus Gründen und uns nicht mürbe damit machen, wenn irgendwas bei einer anderen Mutter besser läuft als bei uns, ist das doch was Schönes, sich so ein bisschen einzuordnen. Man darf auch nicht vergessen, dass jede Mutter eine andere Vorstellung davon hat, was das Beste für ihr Kind ist. Das birgt viel Konfliktpotenzial. Es gibt viel zu klären als Mutter, der Kita-Chat zeigt da schon mal ein gutes Bild, aber meine Freundinnen mit Schulkindern meinen, es wird noch härter."

Inzwischen hat sie gelernt, es nicht mehr allen recht machen zu wollen. "Ich hab die ersten Jahre als Mutter immer das Wohlwollen der anderen im Blick gehabt. Teilweise richtig nach den Blicken gesucht, auf dem Spielplatz, in der Arztpraxis. Besonders wenn es einen Streit zu schlichten gibt zwischen den Kids. Habe ich das gut gemacht in ihren Augen? Das musste ich lernen, das zu lassen."

Die Zeit, es allen recht machen zu wollen, habe ich als Mutter nicht mehr. Ich muss mich auf meine Kinder konzentrieren.

"Ich kann mich fair verhalten, aber ich darf nicht mehr so viel darauf geben, was andere von mir denken und kann definitiv nicht mehr für die falschen Personen da sein."

Unrealistische Ansprüche ablegen

Uschi Bonaparte möchte anderen Müttern Mut machen und ihnen zeigen, dass sie mit ihren Sorgen und Nöten nicht allein sind. "In bestimmten Phasen fühlt man sich sehr allein und denkt, dass man das alles gar nicht schaffen kann. Besonders wenn die Vergangenheit keine einfache war. Dann geht es manchmal darum, Dinge auszuhalten und sie zu akzeptieren, auch wenn manches anders läuft als gewünscht. Wir können nicht alles jeden Tag ändern, auch wenn einem das überall durch Social Media vermittelt wird."

Manche Tage werden vorbeigehen, ohne dass wir das Haus verlassen haben. Ohne dass wir etwas Gesundes gekocht haben. Ohne dass wir in den Spiegel geschaut haben und wenn, vielleicht erschrocken sind.

"Vielleicht werden wir laut werden, obwohl wir es nie wollten. Genervt. Die Fassung verlieren. Die wenigsten von uns leben in einem Familienkonstrukt, in dem alles gleich aufgeteilt wird und viele Personen da sind für das Kind und man mal kurz eine Runde zum Runterkommen laufen kann. Ich habe das kurz in der Familie meines Mannes kennenlernen dürfen. Wir haben auf kleinstem Raum gewohnt, und es war in der Zeit selbst kaum auszuhalten, aber im Nachhinein wundervoll. Wenn man das nicht hat, kann sich Mutterschaft wie ein einziges Rudern anfühlen. Man denkt oft, ich schaffe es nicht – aber wir schaffen es."

"Durch den Momsun" – über das Buch

Durch den Momsun.© Goldmann

"Dieses Buch bildet mich als Frau, als Mutter und unser Familienleben ab. Mit all den Höhen und Tiefen, den leisen wie den laut chaotischen Momenten", sagt Uschi Bonaparte.

"Mutterschaft ist bittersüß, sowohl schön, als auch schwer. Sich selbst neu zu erleben in all diesen verrückten Situationen als Mama, seinen Partner in der Rolle als Vater, die ständigen Herausforderungen – auch in Bezug auf die Beziehung zu den eigenen Eltern. Dieses Buch öffnet meine "Haustür" – von den Geburten bis zum Schulalter der Kinder ist alles abgebildet – und alle, die wollen, können reinschauen."

Mein wichtigster Antrieb für das Buch war es, ganz viel Mut zu machen und Freude zu schenken. Balsam für die Mamaseele. Dass die Schultern beim Lesen sinken. Das Buch ist aber auch für alle, die Mütter besser verstehen wollen.

"Durch den Momsun: Heul- und Lachkrämpfe, bis der Beckenboden brennt", Goldmann Verlag, 16 Euro.

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