
Corona hat uns in diesem Jahr einen ganz schönen Strich durch unsere Reiseplanung gemacht. Wie so viele andere suchten auch wir für die Herbstferien nach einem Ziel, dass ohne Flieger zu erreichen ist. Eigentlich sind wir eher Team Meer. Aber für einen Strandurlaub hätten wir von Hamburg aus zu weit fahren müssen, daher ging es – zumindest für unseren Sohn Levi – das erste Mal in die Berge, genauer gesagt nach Filzmoos in Österreich.
996 Kilometer, 9 Stunden und 37 Minuten hätte die Autofahrt laut Google Maps gedauert ...
... von der heimischen Haus- bis zur Hoteltür, unzählige Pipi-Pausen und Staus natürlich noch nicht miteingerechnet. Wenig verlockend, besonders mit einem Dreijährigen auf der Rückbank. Nachts durchfahren wäre eine Option gewesen, aber schon der Gedanke daran bereitete mir dunkelste Augenringe und schlimmste Verspannungen. Also blieb uns nur der Zug. Bei unserer Recherche stießen wir dann auf den Alpen-Sylt-Nachtexpress. Im Schlafwaggon nach Salzburg? Entspannte Anreise plus Abenteuerfeeling fürs Kind – genau unser Ding!
Der Nachtzug ist ein Erlebnis – für Kinder und Erwachsene

Nachtzug bin ich zuletzt als Kind gefahren. Als wir uns am Tag der Abreise gegen 23 Uhr am Bahnhof in Hamburg Altona einfinden, bin ich tatsächlich ein klein wenig aufgeregt. Genau wie Levi. Obwohl wir ihn eine dreiviertel Stunde zuvor – für ihn quasi mitten in der Nacht – wecken mussten, ist er super gut drauf. S-Bahn-Fahren kennt er, Zugfahren nicht. Bislang sind wir immer in den Urlaub geflogen. Der Nachtexpress rollt überpünktlich ein und wird dabei von Levi freudig bejubelt und begrüßt. Coronabedingt haben wir ein ganzes Sechserabteil für uns ganz alleine und dürfen hier sogar unseren Atemschutz abnehmen. Nur auf dem Gang, im Waschraum und auf der Toilette gilt Maskenpflicht. Während wir es uns gemütlich machen, beginnt der Zug seine Reise Richtung Süden. Da es schon relativ spät ist, beschließen wir, uns bettfertig zu machen. Die Sitzbänke unseres Liegewagenabteils werden so umgeklappt, dass auf jeder Seite drei Etagenbetten übereinander entstehen. Wenn man die Technik dahinter erst einmal verstanden hat, geht das fix und easy. Bettwäsche, Decken, Kopfkissen, Laken und sogar Handtücher und Wasser zum Zähneputzen werden gestellt. Sehr praktisch, da man mit Kindern ja ohnehin immer viel zu viel Gepäck dabeihat. Levi bezieht das Bett ganz unten und ich lege mich zum Einschlafen neben ihn, was gerade so passt. Nachdem er eingeschlummert ist, schleiche ich mich in das Bett gegenüber. Da nur die mittleren und oberen Betten einen Bügel als Rausfallschutz haben, müssen wir erfinderisch werden. Unsere Koffer platzieren wir so in der Mitte des Ganges, dass sie Levis Bett an der Seite komplett abschirmen. Das funktioniert ganz gut.

Die Nacht verläuft erstaunlich entspannt. Und ohne Kind neben mir habe ich auch genügend Platz zum Schlafen. Da der Zug die über 1000 Kilometer von Sylt nach Salzburg relativ langsam fährt, wird man im Schlaf nur leicht hin- und hergeschaukelt. Levi ist der erste, der am nächsten Morgen gegen acht Uhr wach wird und als er realisiert, wo wir uns befinden, ist an ein Weiterschlafen oder zumindest Kuscheln nicht mehr zu denken. Also sitzen wir kurze Zeit später auf den zurückgeklappten Sitzbänken, auf denen wir eben noch gelegen haben und schauen aus dem Fenster. Leider können wir im Zug kein Frühstück bestellen – das hätten wir online dazu buchen müssen, wie uns die nette Schaffnerin noch am Abend zuvor erklärt hat. Umso mehr freuen wir uns über eine Tüte mit zwei Croissants und Nutella, die am Morgen einfach so vor unserem Abteil steht. Was für eine nette Geste!

Die restlichen Stunden bis nach Salzburg vergehen wie im Flug – oder in unserem Fall "wie im Zug". Wir laufen wie Bobo Siebenschläfer in einem Buch auf wackeligen Beinen durch die Gänge, fahren durch dunkle Tunnel, lernen ein Kind aus dem Nachbarsabteil kennen und tauschen Snacks aus, begutachten die Klospülung ganz ausführlich, weil sie so schön laut ist und lassen uns am offenen Fenster den Wind um die Nase wehen. Draußen gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken: Kühe, Zwiebel-Kirchtürme, Felder mit Sonnenkollektoren und – die Highlights des Dreijährigen – Bagger, Trecker und Mülltonnen. Wir Großen hingegen freuen uns über den Anblick der Berge, die immer näher rücken. Zum Teil sind die Spitzen schon schneebedeckt. Ein seltener Anblick für Nordlichter wie uns. Nach genau 12 Stunden und 30 Minuten steigen wir in Salzburg aus – pünktlich, ausgeruht und voller Vorfreude auf unseren bevorstehenden Urlaub in den Bergen.
Tipps zum Trip: Das solltet ihr bedenken, wenn ihr den Nachtzug mit Kindern nehmt

- Achtet unbedingt auf die Abfahrts- und Ankunftszeiten. Unsere Rückfahrt ging am späten Nachmittag in Salzburg los, sodass wir um Punkt 8 Uhr in Hamburg waren. Perfekte Zeit mit einem kleinen Kind. Der zweite Zug, der in dieser Woche fuhr, wäre schon um 4.15 Uhr in Hamburg angekommen, was vermutlich nicht ganz so entspannt gewesen wäre.
- Wenn ihr mit einem Baby oder kleinen Kindern reist, denkt daran, dass ihr ggf. irgendeine Art von Rausfallschutz für das Bett benötigt oder euch mit in das Bett legen müsst. Für mehrere Stunden beziehungsweise die ganze Nacht ist das ganz schön unbequem.
- Denkt an das elterliche Unterhaltungsproramm. Wenn die Kinder schlafen, können Mama und Papa super noch eine Runde netflixen. Am besten vorab einen Film runterladen. Im Alpen-Sylt-Express wird zwar WiFi angeboten (nicht für größere Datenmengen), bei uns hat es aber überhaupt nicht funktioniert.
- Auf dem Rückweg hatten wir leider eine größere Gruppe im Waggon, die bis spät in die Nacht gefeiert hat. Auch die Klospülung konnten wir deutlich hören, da wir das Abteil direkt nebenan hatten. Und bei Stopps an Bahnhöfen ist man nicht nur irritiert, dass es plötzlich nicht mehr ruckelt, die ein- und aussteigenden Fahrgäste sind natürlich auch nicht zu überhören. Wer also geräuschempfindlich ist beziehungsweise ganz in Ruhe schlafen möchte, sollte sich besser Ohrenstöpsel mit in den Zug nehmen oder beim Schaffner welche kaufen. Schlafmasken gibt es übrigens auch – die Liegewagenabteile lassen sich aber durch Vorhänge nach außen und zum Gang hin verdunkeln.
Schlafend von Sylt nach Salzburg mit dem Alpen-Sylt-Nachtexpress
Im Liegewagenabteil können bis zu sechs Personen zusammen reisen (ab 399 Euro für die einfache Fahrt/698 Euro für die Hin- und Rückfahrt), im Schlafwagenabteil finden bis zu drei Personen Platz (ab 519 Euro für die einfache Fahrt/908 Euro für die Hin- und Rückfahrt). In den Liegewagen gibt es je zwei Waschräume und zwei WCs, die Schlafwagen verfügen über ein privates Waschbecken im Abteil. Es wird eine vollständige Rückzahlung des Reisepreises im Falle einer Corona-bedingten Reisewarnung für Start- oder Zielbahnhof am Reisetag garantiert.
Mehr Infos unter: www.nachtexpress.de