
Manchmal ist es gar nicht so leicht, sich in unsere Knirpse hineinzuversetzen. Doch was haben wir schon zu verlieren, wenn wir es einfach mal probieren?!
Liebe Mama, lieber Papa,
das muss ich euch unbedingt sagen! Bitte hört nicht auf die anderen. Die wissen doch gar nicht, was in mir vorgeht, wenn ihr mich "verwöhnt", wie sie es nennen. Das ist grundsätzlich ein Problem der Erwachsenen, finde ich, dass sie immer denken, sie wüssten, was gut für einen ist. Dabei sind sie doch nicht ich – woher sollen sie es da wissen?! Manchmal wundere ich mich allerdings trotzdem, auf was für Ideen manche von euch Großen so kommen. Schließlich wart ihr doch auch alle mal Kinder, könnt ihr euch daran nicht mehr erinnern?
Also, das ist nämlich so: Wir kommen ziemlich plötzlich in diese laute, kalte, helle Welt und sollen uns auf einmal an ganz viel Neues gewöhnen. Immerhin euch kenne ich schon länger. Mama, dich, weil ich die ganzen Monate in deinem Bauch war, deinen Herzschlag, deine Verdauungsgeräusche, deine Gefühle und einfach alles mitbekommen habe. Und dich, Papa, weil du immer so liebevoll und beruhigend und manchmal auch witzig mit mir gesprochen und mir sogar deine Lieblingsmusik vorgespielt hast.
Ihr seid mir nah – ich brauche euch (noch)
Und genau darum, weil ihr auf dieser Welt anfangs das einzige wart, was ich kannte, war es für mich unglaublich wichtig, dass ihr immer bei mir seid – oder zumindest einer von euch. Da kann ich es einfach nicht fassen, wenn jemand "Fremdes" daherkommt und sagt, ihr sollt mich nicht ständig herumtragen, ihr würdet mich ja nur verwöhnen. Ganz ehrlich, es geht um meine Grundbedürfnisse, Grundbedürfnisse wie Sicherheit, Geborgenheit, Nähe und Verbundenheit. Und unsere Beziehung, die wir umso intensiver aufbauen, je mehr und je länger wir zusammen sind. Meine Haut liebt es, eure Haut zu berühren. Alles fühlt sich dann so stimmig und lebendig an, wenn ihr mich haltet. Und ich fühle mich einfach nur wohlig aufgehoben, und mein Vertrauen (in die Welt) kann wachsen.
Ich will noch nicht alleine schlafen
Woher wissen denn die anderen, wann es gut für mich ist, im eigenen Bett zu schlafen? Wenn ich mich einsam fühle oder etwas Blödes erlebt oder geträumt habe, beruhigt es mich so sehr, wenn ich weiß, dass ihr neben mir schlaft. Und wenn ich es einfach brauche, dass ihr mich ins Bett bringt, dann geht es da auch um meine Bedürfnisse in dem Moment. Ihr verwöhnt mich damit nicht, ihr macht mich stark, wenn ich noch klein bin, sodass ich irgendwann selbst fühlen kann, wie es ist, stark zu sein. Wenn ich als kleines Kind wahrnehme, dass meine Bedürfnisse erfüllt werden, werde ich auch als großer Mensch nicht so sehr das Gefühl eines Mangels haben. Denn ihr habt mich mit ganz viel Vertrauen, Fülle und Sicherheit gefüllt.
Euer Bei-mir-Sein gibt mir genau den Mut und die Sicherheit, die ich brauche, um in meinem Tempo freudig und voller Tatendrang die Welt zu entdecken und Neues auf mich zukommen zu lassen – irgendwann auch ohne euch. Also, liebe Mama und lieber Papa, bitte "verwöhnt" mich weiterhin!
Euer Kind