Expertin appelliert

Pädagogin erklärt: Freies Spiel fördert die kindliche Gehirnentwicklung am besten

Spielen fördert die kindliche Neugier, Kreativität und Intelligenz – doch wird der Wert des Spiels von vielen Eltern sträflich vernachlässigt. Eine Expertin fordert deshalb: Lasst eure Kinder endlich wieder frei spielen!

Kind spielt mit Buchstaben.© iStock/PeopleImages
Durch freies Spiel lernen Kinder am besten.

Montagnachmittags ist Ballet, dienstags Schwimmkurs, mittwochs Turnen, donnerstags Reiten. Noch was vergessen? Ach ja, am Sonntag ist der Zeichenkurs für Fünfjährige. Und unter der Woche vormittags halt Kita, ist ja klar. Dann wäre ja an alles gedacht, oder?

Nur: Wann bleibt eigentlich Zeit zum Spielen?

Der Alltag ist schon bei kleinen Kindern gefühlt oft straffer durchorganisiert als bei so manchem Top-Manager. Nach Kita oder Schule stehen Nachmittagsbetreuung oder Hausaufgaben auf dem Plan, danach warten Musikunterricht und Sportkurse.

Dahinter stecken natürlich nur die allerbesten Absichten. Schließlich möchten die Eltern die Talente ihrer Kinder fördern, ihnen gute Chancen für ihr späteres Leben eröffnen. Doch oftmals bewirken sie damit (unbewusst) genau das Gegenteil …

Weniger Kurse, mehr spielen!

Die beste Art, seine Kinder zu fördern, sei durch freies Spiel, sagt die Diplom-Pädagogin Ingrid Löbner gegenüber "Leben & erziehen". "Der Gegensatz zu Spiel ist Depression. Kinder, die weniger spielen, sind weniger resilient." Freies Spiel hingegen fördere das Sozialverhalten, die Kreativität und den Ideenreichtum.

Sie plädiert deshalb dafür, Kinder möglichst viel mit anderen Kindern spielen zu lassen – und das am besten draußen. "Dort bewegen sich die Kinder mehr, und das kindliche Auge braucht den offenen Himmel. So lässt sich nachweislich Kurzsichtigkeit vorbeugen. Sie schlafen auch besser, wenn sie draußen waren, weil so die Melatoninbildung angeregt wird."

Oft brauche es ganz wenig, um Kinder für freies Spiel zu begeistern. Die Kleinen können sich schon mit einfachen Dingen wie Wasser oder Sand wunderbar beschäftigen. Und die Aufgabe der Eltern? "Sie sollten eine Atmosphäre schaffen, in der Kinder ins Spiel finden und sie unterstützen, wenn sie Utensilien wie Decken, Stöcke, Bindfäden etc. brauchen." Ansonsten dürfen sie sich ruhig zurücklehnen und nur als Ansprechperson in der Nähe bleiben.

Eltern sollten das Spiel ihrer Kinder ernst nehmen und unterstützen.

Ingrid Löbner

Klingt doch herrlich entspannt – und ist obendrein noch die beste Art, die kindliche Intelligenz zu fördern. "Die beste Förderung ist, viel zu spielen. Dadurch stabilisiert sich die Gehirnentwicklung. Eltern tun ihren Kindern nichts Gutes mit zu vielen Kursen. Ein Kurs pro Woche reicht, weil mehr Stress auslöst", betont Ingrid Löbner. Sie empfiehlt, sich in die eigene Kindheit zurückzuversetzen. "Alle Erwachsenen erzählen, dass sie in den Momenten, in denen sie frei spielen konnten, am glücklichsten waren."

Freies Spiel fördert die Fantasie und Neugier

Auch drinnen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das freie Spiel zu fördern. "Manche Kinder lieben technische Spielzeuge wie Autos, Bagger oder Maschinen. Andere spielen eher empathisch, mit Tieren oder Puppen. Schleichtiere sind ganz toll, aber auch Playmobil und Lego, weil es szenisches Spiel erlaubt."

Wir haben bei Schleich nachgefragt, warum die berühmten Tierfiguren sich seit Generationen so großer Beliebtheit erfreuen. "Unsere Figuren sollen die Fantasie der Kinder entfachen und der Beginn unendlicher Geschichten sein. Damit Kinder ihre eigene Kreativität während des Spielens finden und alles mit den Figuren spielen können, was sie wollen. Ohne Regeln und Grenzen. Dieses sogenannte freie Spiel zu unterstützen, ist uns ein großes Anliegen. Denn: Kindern Zeit für freies Spielen zu ermöglichen, unterstützt sie in ihrer Entwicklung. Freies Spiel stärkt Kompetenzen wie Lösungsfindung, Kreativität, Resilienz und Selbstbewusstsein. Deswegen sind zum Beispiel die Posen unserer Tiere so wichtig: Sie müssen lebendig sein und gleichzeitig so neutral wie möglich. Nur dann kann ein und dasselbe Tier im freien Spiel schlafen, auf der Weide stehen oder herumrennen", erklärt Kristin Malbrant von Schleich.

Abwechslung ist wichtig

Ingrid Löbner empfiehlt, immer auch Naturmaterialien dazu anzubieten. "Dadurch entwickelt sich ein Reichtum an Fähigkeiten und eine eigene Geschichte. Ihre Fantasie wird bedient, aber auch ihre Neugier angeregt", weiß die Diplom-Pädagogin. Sie rät, am Abend nicht immer penibel aufzuräumen, denn eine Geschichte könne auch am nächsten Tag fortgesetzt werden.

Ingrid Löbner weist darauf hin, dass Kinder von sich aus ganz viele Begabungen mitbringen, die sie durch freies Spiel am besten entfalten und weiterentwickeln. "Eltern nehmen ihren Kindern durch dauernde Anleitung die Fähigkeit, sich von sich aus für etwas zu begeistern. Indem wir ernst nehmen, was Kinder spielen, stärken wir ihr intuitives Potenzial."

Ingrid Löbner – zur Person

Ingrid Löber ist Diplompädagogin und Psychoanalytische Beraterin. Sie arbeitet als Beraterin in der pro familia Familienberatungsstelle Tübingen und unterstützt Eltern mit Kindern von null bis sechs Jahren in Erziehungsfragen. Sie ist Autorin zweier Ratgeber: "Erziehen mit Mut und Muße: Was Babys, Klein- und Vorschulkinder wirklich brauchen" und "Gelassene Eltern – Glückliche Kinder: Mit mehr Leichtigkeit und Entspanntheit durch die ersten sechs Lebensjahre".

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