Rosa, Glitzer, Pferde

"Unsere Tochter ist so eine Prinzessin!"

Eigentlich hat sich unser Autor eine kleine Räubertochter gewünscht. Trotz all seiner Bemühungen stehen aber Pferde, Glitzer und die Eiskönigin hoch im Kurs. Wie konnte das nur passieren, fragt er sich ...

Rosa und Prinzessinnen stehen bei vielen Mädchen hoch im Kurs.  © Foto: iStock/gpointstudio
Rosa und Prinzessinnen stehen bei vielen Mädchen hoch im Kurs.

Es sah nicht gut aus mit unserem Plan. Wir hatten die Illusion, dass unser Mädchen nicht im klassischen Sinn ein Mädchen sein müsse. Also nicht so ein Pferdemädchen, eine kleine Prinzessin, in rosa Glitzertüll gehüllt. Unsere Tochter sollte eher eine Ronja Räubertochter sein, die Anführerin einer Jugendgang oder einer Punkrock-Band, die Bier aus der Flasche trinkt und alle Jungs auslacht, die sie anbaggern.

Das Ergebnis unserer Bemühungen sah so aus: Wenige Tage vor ihrem vierten Geburtstag saß ich auf dem Wohnzimmerfußboden, bastelte aus quietschrosafarbenem Karton eine Krone mit der Zahl "4" und beklebte sie mit Glitzersteinen. Ihre klare Ansage: "Meine Liebchenfarben sind Rosa, Lila und Glitzer." Sie interessierte sich nur noch für Pferde, Fohlen und Einhörner, selbst zu Halloween wollte sie nicht einfach eine handelsübliche Hexe sein, sondern eine Hexen-Prinzessin.

Keine Schminke, kein Schmuck

Mit ihren kristallklaren Vorstellungen hat unsere Prinzessinnen-Tochter sämtliche Erziehungsideen auf den Kopf gestellt. Dabei haben wir uns verweigert, ihr Eisköniginnen-Schnickschnack zu kaufen, Kinderschminke oder Plastikschmuck. Doch zum Geburtstag bekam sie von einer Freundin Kinderparfüm, von der nächsten ein Krönchen und von der dritten den Zauberstab von Elsa, der Eiskönigin. Mit dem tanzte sie wochenlang durchs Wohnzimmer und schmetterte mit der bebenden Ernsthaftigkeit einer Mariah Carey: "Let it goooo, let it goooo, I can fiiiiiiilit animoooooo!"

Und von Oma bekam sie zu Weihnachten die Schuhe von Elsa. Man kann es nicht anders sagen: Billigstes Korea- Vollplastik mit Absatz, man konnte nicht darauf laufen, ohne dass man einen Haltungsschaden, Platt-, Senk- und Spreizfüße oder einen komplizierten Knöchelbruch riskierte. Wenige Wochen später hatte sich das Problem gelöst. Die Kleine fragte nämlich voller Stolz ihren großen Bruder, ob der nicht auch mal ihre Schuhe tragen will. Das Fatale: Er wollte. Er stellte sich also auf die Schuhe – glatter Sohlenbruch auf beiden Seiten. Die Dinger landeten im Müll, wochenlang schien alles gut.

Der größte Wunsch: ein Pferd

Dann wuchs die Sehnsucht nach etwas Neuem: Sie wollte ein Pferd. Unser Argument, dass ein Reihenendhaus- Garten nicht der perfekte Lebensraum für ein Fluchttier ist, wurde abgeschmettert. Wir könnten ja umziehen. In eine Villa. Und ein Pferd sei ja auch ungemein praktisch: "Man kann damit zum Supermarkt reiten." Das Thema blieb aktuell bei ihr und ihren Freundinnen, das merkte ich spätestens, als mir eine der Kita-Mütter morgens im Fahrstuhl begegnete – sie schleifte ein 1,50 Meter großes Plüschpferd mit sich. Es war Spielzeugtag. Und ihre Kleine hatte darauf bestanden, dass der annähend lebensgroße Vierbeiner ihr Utensil für den Kita-Tag ist. Die Mutter hatte souverän reagiert: Sie war eingeknickt und zog nun den Kuschelklepper mit sich. Ihr müsst nicht lange rätseln, was danach der Herzenswunsch unserer Tochter war: dieses Pferd. Wir haben es uns nicht leicht gemacht – und dann bestellt. Kurze Zeit später stand "Phoebe" im Kinderzimmer. Und ich kann sagen: Es war die beste Investition seit dem Pizzaschneider. Unsere Tochter hat Wochen ihrer Lebenszeit damit verbracht, es zu striegeln, zu kämmen, das Zaumzeug anzulegen, es zu satteln, darauf zu sitzen, mit ruckenden Bewegungen samt Zossen durchs Kinderzimmer zu rutschen und "Bibi & Tina" nachzuspielen.

Wir haben erkannt: Bei allen Bemühungen, das Kind vor den Einflüssen des Gender-Marketings zu schützen – am Ende kann man es nicht jahrelang in einen reizarmen Raum mit anthroposophischem Spielzeug stecken. Immerhin: Ganz so festgefahren waren die Rollenvorstellungen unserer Tochter dann doch nicht. Denn als ich sie fragte, was sie später werden will, rechnete ich mit dem Schlimmsten: Spielerfrau, Arztgattin, Model, Prinzessin oder Schmuckdesignerin? Nein, sie sagte: "Ein großer Bruder!"

Aus Rosa wird Dunkelblau

Das Überraschende war: Die Glitzer-Rosa-Prinzessinnen-Phase endete nach ein paar Jahren. Mit dem ersten Tag an der Grundschule war diese Zeit: vorbei. Mein Anteil daran war so groß wie der Beitrag von Esso und Aral zum Klimaschutz. Sie wollte einfach keine Kleider mehr, und auch kein Rosa. Ihre "Liebchenfarbe" ist jetzt Dunkelblau, sie trägt am liebsten Hoodies und Leggings oder schwarze Jeans und findet die Eiskönigin "peinlich".

Ich finde: Das haben wir hervorragend gemacht. Ich weiß zwar nicht wie, möglicherweise einfach nur, indem wir sie nicht in der Persönlichkeitsentwicklung gestört haben. Sie ist sogar verdammt nah dran, ihr Ziel zu erreichen, ein großer Bruder zu sein. Wenn sie manchmal von der Schule nach Hause kommt, lässt sie krachend den Ranzen fallen und ruft: "Wallah, Habibi! Was geht!?"

Eine Menge, Brudi, eine Menge.

Autor: Michael Witt

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