
"Profi-Tipp: Wer mit Bierhelm zum Elternabend geht, wird nicht zum Elternvertreter gewählt." Diesen Spruch habe ich auf Twitter entdeckt – und natürlich sofort geliked.
Zugegeben: Diese lässig-lustige Einstellung zu den Informationsangeboten der Kindergarten-Einrichtungen musste ich mir hart antrainieren. Vor vier Jahren, als mein Sohn in die Kita kam, sah das noch ganz anders aus. Was war ich enttäuscht, ja, regelrecht aufgelöst, dass ich beim Start der Eingewöhnung den Halbjahres-Elternabend gerade so verpasst hatte. Fast sechs Monate musste ich also warten, bis ich mich endlich das erste Mal für die Bedürfnisse meines Sohnes innerhalb dieser Einrichtung einsetzen konnte. Dafür habe ich dann aber auch so richtig losgelegt.
Vom Neuling zum Elternvertreter an einem Abend
Stolz hatte ich in der Familie und im Freundeskreis angekündigt, dass ich mich für die Elternvertretung zur Wahl stellen würde. "Hast du alles aus der Schulzeit vergessen?", fragte mich Freundin A. "Das haben doch immer nur die bekloppten Eltern der noch bekloppteren Kinder gemacht." Freundin B fasst sich etwas kürzer: "Du spinnst", lautet ihr Urteil.
Nun, ich selbst blieb fest entschlossen. Als Schüler ist das ja auch was anderes als als Mutter eines Kleinkindes in einer Kinderkrippe! Noch war ich meinem Sohn doch nicht peinlich, wenn ich mich für seine Belange einsetze. Im Gegenteil! Wir würden beide nur davon profitieren, wenn ich möglichst nah dran war an allen wichtigen Entscheidungen seiner Einrichtung. Oder?
Je neuer die Eltern, desto motivierter die Beteiligung
Kaum zu glauben, aber wahr: Tatsächlich stellten sich an diesem Abend mehr Eltern zur Wahl als nötig. Um das Dilemma zu lösen, wurde vorgeschlagen, dass jeder Kandidat sich einmal ausführlich vorstellt. Natürlich inklusive Motivation, warum man den heiß begehrten Posten für sich gewinnen wollte. Mein Moment war gekommen.
Ich legte eine Brandrede hin, die ihresgleichen suchte. Erzählte von meiner Ausbildung beim Kinderschutzbund und meiner Erfahrung, Konflikte zu lösen, von meiner natürlich vorhandenen Bereitschaft zur regelmäßigen Elternarbeit, von meinen Kontakten zu Kinderbuchverlagen und vielem mehr. "Das hat die doch vorbereitet", tuschelte es neben mir.
Das Schlimme war: Nein, hatte ich nicht. Ich habe in dieser Phase meines Lebens – als frisch in das Betreuungssystem ihres Kindes eingestiegene Löwenmama – einfach wirklich so getickt: Ich wollte bei allen Vorbereitungen und Entscheidungen rund um die Kita dabei sein. Ich wollte die Gruppe meines Sohnes mit selbst angelegten Blumenbeeten, Waffel-Verkäufen und Spenden-Sammlungen unterstützen, wo es nur geht. Kurz: Ich wollte Elternvertreterin werden – um jeden Preis!
Undank ist der Elternvertretung Lohn
Mein Gott, was war ich dumm. Wenn ich überlege, wie viele Stunden ich in der Kita verbrachte, um Sommerfeste, Flohmärkte, Weihnachtsgeschenke oder Tombola-Preise vorzubereiten, wird mir ganz anders. Vor allem, da es immer (und ich meine immer!) jemanden gab, dem selbst die liebevollste ehrenamtliche Arbeit aus irgendeinem Grund nicht in den Kram passte.
Und so verbrachte ich die folgenden Elternabende vor allem damit, mich zu rechtfertigen. Für die ausgewählten Tage, an denen Veranstaltungen stattfanden. Für die Uhrzeit, zu der diese starteten. Für Geldbeiträge, die eingesammelt wurden (oder eben nicht, weil sich einige verweigerten). Der Tiefpunkt war für mich erreicht, als eine Mutter sich bei mir darüber beschwerte, dass wir aus der Gruppenkasse eine Weihnachts-Überraschung für die Erzieher organisiert hatten. Wo das hinführen solle, die bekämen schließlich schon was zum Geburtstag, und wir können denen ja nun nicht ständig was schenken.
Kommt Zeit, kommt Gelassenheit
Als mein Sohn drei Jahre alt wurde und wir die Kita wechselten, sah ich dem ersten Elternabend dort schon etwas gelassener entgegen. Kurz zuckte mein Finger, als nach möglichen Elternvertretern gefragt wurde. Doch schnell genug fanden sich zwei engagierte Eltern, die den Job übernehmen wollten.
Das Gute an dem Team: Eine der beiden Mütter hatte bereits ein älteres Geschwisterkind an der Schule. Und sie war auch dort Elternvertreterin. Das heißt: Sie kannte die typischen Eltern-Diskussionen schon, wenn es um Themen wie Klassenfahrten, Hausaufgaben, Zusammenarbeit unter Schülern oder Krach mit Lehrern ging. Streit um die Uhrzeit, zu der der Bastelnachmittag startet? Diskussionen um den Beitrag für die Gruppenkasse? Solche Banalitäten lassen einen wohl kalt, wenn man schon über Mobbing in der Klasse und andere, wirklich brisante Themen debattiert hat. Diese Mama ging die Elternthemen in der Kita ihres Kindes mit einer Gelassenheit an, um die ich sie beneidete. Und die, da bin ich sicher, allen Beteiligten zugutekommt: ihrem Kind, allen Eltern, den Erziehern und vor allem auch ihr selbst.
Gelungener Elternabend im neuen Kindergarten?
Als meine Tochter dann in die Kita kam, verpasste ich den ersten Elternabend, da ich noch nicht im E-Mail-Verteiler war und die Information zu dem Termin nicht bei mir landete. Auch den zweiten musste ich krankheitsbedingt absagen. Und siehe da: Der Kita-Alltag läuft auch ohne meine Anwesenheit bei diesen Veranstaltungen ganz wunderbar weiter!
Die Erkenntnis mag wehtun, aber Fakt ist: Auch andere Eltern können großartige Veranstaltungen organisieren und schöne Geschenke besorgen. Vielleicht sogar besser, als ich es je getan habe. Deshalb nehme ich mir für künftige Elternabende nur noch zwei wichtige Dinge vor. Erstens: Nicht meckern, wenn mir ein Detail einmal nicht in den Kram passt. Und zweitens: Danke sagen!
Ich bin übrigens sicher: Wenn alle Eltern sich an diese zwei Regeln halten würden, hätten Elternabende einen viel besseren Ruf.
Autorin: Silke Schröckert