Am Sonntag geht’s für Annegret wieder los. Ihr Ziel diesmal: die Schweiz. Es ist bereits das vierte Mal, dass sie als Au-pair ins Ausland reist – mit 71 Jahren. „Als Rentnerin hatte ich plötzlich viel Zeit. Weil ich allein war, wurde mir das auf die Dauer zu langweilig“, sagt die Granny-Nanny aus dem hessischen Schlüchtern. „Gereist bin ich schon immer gerne, allerdings sind Reisen und Rente finanziell nicht gerade kompatibel.“ 

Angetrieben von der Frage, warum das Au-pair-Modell eigentlich nur für junge Leute angeboten wird, durchforstet die 71-Jährige das Internet nach entsprechenen Angeboten für Ältere. Und stößt dabei auf die Hamburger Agentur „Granny Aupair“, die lebenserfahrene Frauen ins Ausland vermittelt. 

 

Granny-Nanny statt Kita

„Wie auch ich hatten viele Frauen über 50 nicht die Gelegenheit, in jungen Jahren mal eine Zeit lang im Ausland zu leben“, sagt Agentur-Gründerin und Vierfach-Oma Michaela Hansen. „Das habe ich für mich sehr bedauert, habe aber auch nicht eingesehen, warum man das nicht nachholen kann, wenn man älter ist. Ich möchte Frauen über 50, 60, 70 zeigen, dass da noch was geht!“ 

Inspiriert von der Sendung „Auf und davon“ kam Michaela Hansen die Idee, ältere Frauen wie Annegret als Au-pair ins Ausland zu schicken. Ihr Konzept ging auf: Inzwischen hat die Hamburgerin rund 1.000 Frauen in über 40 Länder vermittelt – und: wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 

Aber damit nicht genug. Nachdem Michaela Hansen Hilferufe von Vätern und Müttern erreicht haben, die sich eine Oma auf Zeit in ihrer Stadt wünschen, vermittelt die 54-Jährige nun auch Grannys in Deutschland (www.granny-als-nanny.de). Michaela Hansen: „Der Bedarf an Alternativen zu Kindergarten & Co. ist groß. Das hat zum Beispiel auch der Kita-Streik gezeigt. Da sind wir eine gute Ergänzung.“ Vor allem, weil die Damen viel Lebenserfahrung mitbringen. 

Von Schlüchtern in die Welt

Annegret hat sich schon bei Michaela Hansens neuem Portal registriert. Allerdings nicht etwa, weil sie genug vom Ausland hat. „Bis zu meinem nächsten Auslandseinsatz wollte ich nicht untätig herumsitzen, und habe mich daher gleich nach Familien in meiner Nähe umgeschaut“, erzählt die reisefreudige Rentnerin. 

Doch erst mal geht es jetzt in die Schweiz. Für wie lange weiß sie noch nicht. Was sie weiß: Ihre „Gastmutter“ hat ein zweites Kind bekommen – Annegrets Job wird es sein, sich um die große Schwester (3) zu kümmern.  Darin hat sie reichlich Erfahrung: Ihr erstes Mal als Granny-Au-pair führte sie nach Florida, wo sie spontan sechs Wochen als Ersatz für eine andere Leih-Oma eingesprungen ist. Anschließend ging’s für ein halbes Jahr nach Katar, dann fünf Monate nach Belgien. Dort wollte Annegret eigentlich noch länger bleiben, doch machte ihr ein Infekt einen Strich durch die Rechnung. Abgesehen davon hat die 71-Jährige durchweg gute Erfahrungen als Au-pair gemacht.

„Wichtig ist, dass man sich als Granny-Nanny immer vor Augen hält, dass man Gast ist. Man kann einer Familie nicht seine persönlichen Lebensweisheiten aufzwingen. Wenn man sich daran hält, hat man’s überall gut.“ Und die Familien? Hatten es bei Annegret offensichtlich auch gut – sie schicken der Ersatz-Oma regelmäßig kleine Videos von den Kids. 

 

„Ich habe bloß Fernweh!“

Annegret ist selbst übrigens keine Oma. „Die Frauen müssen selbst nicht Großmutter sein, um Granny-Au-pair zu werden“, erklärt Michaela Hansen. „Wichtig ist, dass sie flexibel, einfühlsam, geduldig, tolerant und ein bisschen mutig sind. Aber vor allem sollten sie Lust haben, dieses kleine Abenteuer zu wagen.“

Abenteuer – das ist es, was viele der Granny-Nannys in die weite Welt lockt. „Sie suchen noch einmal eine neue Herausforderung, möchten etwas Sinnvolles tun, ihre Zeit mit Kindern verbringen, sich einbringen und gebraucht werden, Fremdsprachenkenntnisse auffrischen, Länder und Menschen abseits der Touristenpfade kennenlernen“, sagt Michaela Hansen über die Beweggründe ihrer Klientinnen, Oma auf Zeit zu werden.

Mehr als 30 Prozent sind wie Annegret Wiederholungstäterinnen. Heimweh? Das kennt die 71-Jährige nicht. „Ich habe bloß Fernweh!“ Den Koffer für die Schweiz hat sie noch nicht gepackt. Das macht sie erst am letzten Tag vor ihrer Abreise. Sie hat ja Übung.

 

 

Granny-Nanny finden – Granny-Nanny werden

Familien und Grannys registrieren sich kostenlos auf www.granny-aupair.de und www.granny-als-nanny.de und können sich zunächst umschauen. Ist die passende Granny bzw. Familie gefunden und möchte man vermittelt werden, schließt man eine Mitgliedschaft ab. Die Gebühren variieren je nach Dauer der Mitgliedschaft (drei Monate bei „Granny als Nanny“ kosten z. B. 59 Euro). Als Mitglied kann man Kontakt zu anderen Mitgliedern aufnehmen oder Kontaktanfragen erhalten. Über E-Mail, Telefon, Skype und/oder ein Treffen lernen sich Granny-Au-pair und Familie kennen und klären die Details des Aufenthalts (Unterkunft, Aufgaben, Taschengeld etc.). Wenn dann noch die Chemie stimmt, kann’s losgehen. 

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