
Ein schlechtes Zeugnis fürchten viele – Kinder und Eltern. Doch was macht überhaupt ein schlechtes Zeugnis aus? Und wie erkennen Eltern in der Grundschule ein schlechtes Zeugnis, wenn es noch keine Noten gibt? Wie kommt es überhaupt zu einem schlechten Zeugnis und wie gehen Eltern am besten damit um? Wir haben mit der ehemaligen Gymnasiallehrerin und Sofatutor-Lernexpertin Tanja Szyska und der Psychologin Heike Reuber von der Meditations-App "7Mind" gesprochen.
Gründe für ein schlechtes Zeugnis
Das Halbjahreszeugnis steht wieder an – und in vielen Fällen wird es wohl eher schlecht als recht ausfallen. Die Gründe sind vielfältig: Neben Über- und Unterforderung haben auch psychische Belastungen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit von Kindern.
Tanja Szyska verrät: Ob ein Kind gut und selbstständig lernt oder zusätzliche Hilfe benötigt, lässt sich anhand der unterschiedlichen Formulierungen im Zeugnis einschätzen.
Zeugnissprache aufmerksam lesen
Zu Beginn des Schuljahres werden häufig Ziele vereinbart oder kommuniziert, welche Kompetenzen die Kinder im Laufe des Jahres erreichen sollten. Steht im Zeugnis nur ein Teilbereich dessen, was im Lehrplan vorgegeben war, dann fehlen noch wichtige Kenntnisse. Konnte euer Kind also laut Zeugnis zum Beispiel "sicher im Zahlenraum bis 100 rechnen", obwohl der Zahlenraum bis 200 vorgegeben war, sollte euer Kind die fehlenden Kenntnisse nacharbeiten. Natürlich ist es hier sinnvoll, mit der Lehrkraft Rücksprache zu halten, um das richtig einschätzen zu können. Wenn es lediglich in "bekannten" Aufgabenstellungen zurechtkommt, hapert es teilweise noch bei der Anwendung des Gelernten. Hat es sich in einem Fach "bemüht", bedeutet das meistens, dass es noch nicht so gut im Unterricht mitkommt und die Lerninhalte deshalb zu Hause wiederholen und vertiefen sollte.
Eine Bestrafung für ein schlechtes Zeugnis ist nicht angemessen
Doch wie reagieren Eltern am besten auf ein schlechtes Zeugnis? Die Psychologin Heike Reuber gibt folgende Tipps:
- Weder Bestrafung noch Belohnung bei einem schlechten Zeugnis: Egal, welche Noten das Kind nach Hause bringt, der Abschluss des (Halb-)Jahres kann gefeiert werden. Liegt der Fokus dabei auf einer Belohnung in Abhängigkeit der Noten, vermitteln Eltern, dass die Schulleistung maßgeblich für ihre Zuwendung ist. Um diesen Belohnungs- oder Bestrafungseffekt zu vermeiden, kann im Vorfeld gemeinsam mit dem Kind ein besonderer Programmpunkt am Zeugnistag geplant werden. Diese kleine Feier widmet sich dann all dem, was im letzten (Halb-)Jahr gelernt wurde, unabhängig von dem, was das Zeugnis sagt.
- Lösungsorientierung ja, aber zur passenden Zeit: Es kann schnell passieren, dass Eltern sich im Falle schlechter Noten auf eine Ursachenforschung fokussieren. Ein "Warum?" kann das Kind aber auch vorwurfsvoll und beschuldigend aufnehmen. Besser: Dem Kind Zeit und Raum geben, alle Gefühle da sein zu lassen. Auch unangenehme wie Enttäuschung. Nach ein paar Tagen können Eltern mit ihrem Kind dann gemeinsam überlegen, wie man die Lernsituation in Zukunft verbessern kann.
- Die Sicht aufs Positive lenken: Die Evolution hat unser Denken mit einer Negativtendenz geprägt. Eltern können diese aushebeln und aktiv den Fokus auf Positives legen. Sie können ihr Kind zum Beispiel fragen: "Was lief gut? Was hast du gerne gelernt? Was hat dir Spaß gemacht? Worauf freust du dich im kommenden Halbjahr?"
Übertrieben auf ein schlechtes Zeugnis reagiert?
Natürlich kann es auch vorkommen, dass Eltern erst mal impulsiv reagieren und es ihnen hinterher leidtut. Wenn Eltern unzufrieden mit ihrer eigenen Reaktion sind, können sie ihrem Kind ein gutes Vorbild sein, indem sie sich für ihr Verhalten entschuldigen. Übrigens: Studien deuten darauf hin, dass eine achtsame Haltung mit einem erhöhten Wohlbefinden einhergeht – das gilt sowohl für Eltern als auch für Kinder. Sich in Achtsamkeit zu üben ist nicht nur am Zeugnistag hilfreich, sondern auch an allen anderen Tagen im Jahr.
Noten bilden nicht die Lernentwicklung ab
Lernexpertin Tanja Szyska rät Eltern, schlechte Noten nicht zu ernst zu nehmen: "Das Bewertungs- bzw. Notensystem ist nur teilweise aussagekräftig. Wie eine Note eingeschätzt werden kann, hängt vom Leistungsniveau des Kindes ab. Für ein Kind, das eher schlechte Noten in einem Fach erzielt, kann eine Drei durchaus gut sein. Deshalb wird in Niedersachsen zum Beispiel aktuell darüber diskutiert, im Zeugnis künftig die individuelle Lernentwicklung in den Vordergrund zu stellen."
Kinder beim Lernen unterstützen
Die Lernexpertin hat noch weitere Tipps zusammengestellt, wie Eltern ihre Kinder beim Lernen unterstützen können:
- Erfolge ermöglichen: Nichts ist so kontraproduktiv für die Lernmotivation von Kindern wie Aufgaben, denen sie (noch) nicht gewachsen sind. Deshalb sollten Eltern sie so auswählen, dass das Kind sie auch tatsächlich bewältigen kann. Sind die Hausaufgaben zu schwer, helfen Eltern am besten, indem sie einen oder mehrere Lernschritte zurückgehen.
- Dranbleiben: Routine ist für einen nachhaltigen Lernprozess unabdingbar. Nur für eine Prüfung zu lernen, ist keine gute Idee, weil der Stoff dann nicht das Langzeitgedächtnis erreicht und irgendwann ganz aus der Erinnerung gelöscht wird. Besser: jeden Tag lernen, aber dafür in kleinen Häppchen.
- Individuelles Lernen stärken: Manchen Kindern fällt es schwer, beim Lernen stillzusitzen. Sie können sich besser konzentrieren, wenn sie währenddessen im Zimmer auf und ab gehen, etwas zwischen den Fingern balancieren oder Musik hören. Das ist in der Schule zwar nicht möglich, aber durchaus in den eigenen vier Wänden – Eltern sollten sich hier nicht in den Weg stellen.
- Und der wichtigste Tipp zum Schluss: Lernen darf nicht frusten, sondern sollte in einer Atmosphäre stattfinden, in der sich sowohl Eltern als auch Kinder wohlfühlen. Dann steht den guten Noten nichts mehr im Wege.