Herr Fritz-Schubert, was bedeutet Glück für Sie?

Glück ist für mich weit mehr als der positive Zufall, wie er beim Lotteriegewinn vom Himmel fällt, oder das Hochgefühl, wie es sich bei frisch Verliebten einstellt. Lebensglück besteht nicht nur aus inten siv erlebten Glücksmomenten, sondern aus der Fülle der glücklicheren und weniger glücklichen Ereignisse des Lebens.
Wie kamen Sie auf die Idee, daraus ein Unterrichtsfach zu machen?
Als ich den Text "Erklärung der Rechte des Kindes" der Vereinten Nationen von 1959 entdeckte: "Wir schulden dem Kinde das Beste, damit es eine glückliche Kindheit hat." Und in der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 heißt es, dass das Kind zur vollen und harmonischen Entfaltung seiner Persönlichkeit ... umgeben von Glück, Liebe und Verständnis aufwachsen soll. Müssen wir daher nicht jungen Menschen Gründe zum Glücklich sein aufzeigen?
Warum ist Glück gerade für Schüler so wichtig?
Im traditionellen Schulmodell überhäufen wir unsere Kinder mit Fakten, die zu gut informierter Orientierungslosigkeit führen. Kinder und Jugendliche stehen aber vor zunehmend großen Herausforderungen im Leben, die personelle Kompetenzen erfordern wie Eigenverantwortung, Durchsetzungsvermögen sowie die Fähigkeit zur Entscheidung, zur Disziplin sowie zum Konflikt, Verzicht oder Bedürfnisaufschub.
Fehlt gerade Schülern die Fähigkeit, glücklich zu sein?
Die Statistiken sagen das deutlich: Eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg belegt, dass fast jeder dritte Schüler an depressiven Verstimmungen leidet. Oft hängen die Probleme der Kinder und Jugendlichen mit Schulstress und hohem Leistungsdruck zusammen.
Um welche Inhalte geht es im Schulfach Glück?
Zufriedenheit und Lebenskompetenz sind Ziel des Schulfachs Glück. Dazu zählen Sinnfindung, Geborgenheit, soziale Beziehungen, selbstbestimmtes Handeln, Selbstakzeptanz, Umweltbewältigung und die persönliche Weiterentwicklung. Anhand von vier Fragen erkunden Schüler ihre Werte: Wer bin ich? Was brauche ich? Was kann ich? Was will ich? Die Schüler lernen, ihre Träume und Bedürfnisse wahrzunehmen und Wege zu finden, um ihre Ziele zu verwirklichen. Und sie setzen sich mit dem Scheitern auseinander, um Niederlagen als Chance zu begreifen.

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Mehr InfosWürden Sie einmal eine typische Unterrichtsstunde mit Übungen skizzieren?
Für Grundschüler gibt es eine schöne Übung für Wertschätzung: Ein Kind sitzt, und die anderen flüstern ihm etwas Nettes ins Ohr. Dabei erleben die Schüler, dass Komplimente Wohlbefinden auslösen. Für die Oberstufe habe ich das Spiel "Tempel der Tugenden" auf Grundlage von Aristoteles' Tugendlehre entwickelt. Die Schüler erarbeiten da bei ihr Persönlichkeitsprofil und werden sich ihrer Charakterstärken bewusst.
Inwiefern lassen sich Schüler auf das Fach ein?
Die Kinder und Jugendlichen sind durchweg begeistert von dem Fach, weil es sie nicht belehrt, sondern ihnen hilft, ihre altersgemäßen Entwicklungsaufgaben zu lösen. Durch einen bunten Strauß von Erlebnissen, die körperlich und seelisch wohltuend wirken und geistig anregen, kommen sie spielerisch zu neuen Erkenntnissen über sich selbst und ihre Mitmenschen.
Werden die Schüler dadurch wirklich glücklicher?
Durch wissenschaftliche Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass bei Schülern das Kohärenzgefühl zunahm, also sich etwas zuzutrauen, ein Selbstkonzept zu entwickeln und einen Sinn im Leben zu finden. Zudem wuchsen ihre Sozialkompetenz, ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstwirksamkeitserwartung.
Warum wächst die Nachfrage nach dem Glücksfach an den Schulen?
Da sich die Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft drastisch verändert haben, muss sich auch die Schule verändern. Wir müssen die Persönlichkeit unserer Schüler stärken und ihnen helfen, Antworten auf die existenziellen Fragen des Lebens zu finden, um sie zu mündigen Gestaltern des Lebens und nicht zu Erduldern der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu machen.
Auch im Schulfach Glück bekommen Schüler Noten. Wie lässt sich Glück bewerten?
Bei der Benotung geht es um den Erkenntnisgewinn und nicht um das persönliche Befinden. Das wird in der praktischen Auseinandersetzung mit Sinn, Selbstbestimmung und sozialer Geborgenheit, mündlicher wie schriftlicher Reflexion, in der Hausaufgabe, Dokumentation und Projektgestaltung erreicht.
Buchtipp:"Glück kann man lernen: Was Kinder stark fürs Leben macht"

Ernst Fritz-Schuberts Konzept der Glückserziehung ist einzigartig. Der Therapeut und Pädagoge hat das Schulfach Glück im In- und Ausland erfolgreich eingeführt. Sein Fazit: Wir müssen unseren Kindern helfen, die eigenen Potenziale zu entdecken und an sich selbst zu glauben. Denn nur starke Kinder sind glückliche Kinder.
"Glück kann man lernen: Was Kinder stark fürs Leben macht", Ullstein Verlag, 8,99 Euro
Mehr Infos unter Fritz-schubert-institut.de