Drei Pioniere im Porträt

Männliche Hebammen, Tagesväter und Co.

Männer, die als Hebammen, Tagesväter oder Trageberater arbeiten, sind immer noch absolute Ausnahmen. Dabei sind diese Berufe sehr wichtig und es fehlt an Nachwuchs. Unser Autor hat mit drei Pionieren gesprochen.

Männer als Hebamme oder mit anderen Berufen rund ums Baby sind nach wie vor selten.© Foto: Getty Images/Westend61
Männer als Hebamme oder mit anderen Berufen rund ums Baby sind nach wie vor selten.

Care-Arbeit gilt bis heute überwiegend als "Frauensache", vor allem dann, wenn es nicht um die eigenen Kinder geht. So sind nur 7,1 Prozent aller pädagogischen Fachkräfte in der Kita männlich. Immerhin: Ihre Quote in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Allerdings arbeiten die meisten Erzieher im Elementarbereich und nicht mit den Allerkleinsten in der Krippe.

Die Gründe sind sicher vielfältig und gehen von schlechter Bezahlung über mangelnde Anerkennung bis zu einer Angst vor dem "Exoten-Status". Und: Viele junge Männer haben die Berufswahl "Erzieher" schlicht nicht auf dem Schirm, ganz anders als junge Frauen. Daran ändern mehr Pädagogen im Kita-Alltag und aufwendige Werbekampagnen für den Erzieherberuf nur langsam etwas. Auch Tagesväter sind absolute Exoten und männliche Kursleiter für Papa-Baby-Kurse gibt es höchstens in größeren Städten.

Kaum ein Dutzend männliche Hebammen

Noch schlechter sieht es bei den Hebammen aus. Im Berufsverband sind kaum ein Dutzend Entbindungshelfer bekannt. Mit einem von ihnen zu sprechen, ist immens schwer. Sie wollen aus Angst vor Aufmerksamkeit und Kritik lieber anonym bleiben, oder aber haben dem Beruf – ständigen Vorurteilen ausgesetzt – nach kurzer Zeit den Rücken gekehrt. Das ist schade. Denn wenn eine neue Generation von Vätern heranwächst, braucht es für sie auch mehr Vorbilder und Angebote in Babykursen, in der Wochenbettstation oder in Elternzeit.

Gleichzeitig gibt es Hoffnung: Mit jedem Exoten, mit jedem männlichen Erzieher, mit jedem Geburtshelfer, mit jedem Tagesvater gibt es auch mehr Menschen, die erleben, dass sich Männer sehr wohl kümmern können, und vielleicht werden unsere eigenen Söhne einmal ganz selbstverständlich darüber nachdenken, auf einer Geburtsstation oder in der Krippe zu arbeiten.

Jürgen Grah (57), Tagesvater und Elternberater

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Jürgen Grah ist Tagesvater, leitet Baby-Kurse und berät Eltern bei Erziehungsfragen. Sein Weg dorthin hat allerdings mehr Kurven, als man auf den ersten Blick denken würde. 20 Jahre lang leitet der studierte Architekt eine Kunstgalerie in Düsseldorf. Bis er selbst vor 21 Jahren Vater von Zwillingen wird, spielen Kinder in seinem (Berufs-)Leben kaum eine Rolle. "Unsere Söhne kamen per Kaiserschnitt und ich musste schon im Krankenhaus meinen Mann stehen. Wickeln, Kuscheln, Nächte gemeinsam durchwachen, das hat die Vater-Söhne-Bindung immens verstärkt", sagt er.

Angebot für junge Väter

Seiner Zeit voraus bleibt Grah auch danach ein engagierter Vater. Erwerbs- und Care-Arbeit teilen sich seine Frau, eine selbstständige Hebamme, und er gleichberechtig auf. Mit der aktiven Vaterschaft beginnt der Weg aus der Kunstszene, hinein in die Windel-Welt. "Ich wollte gerne ein Angebot für junge Väter schaffen und habe deshalb eine Babymassage-Ausbildung gemacht", erklärt Grah.

Zu seinem ersten Kurs für Väter kommt genau einer, schon zwei Jahre später sind die Kurse voll. Befreundete Hebammen empfehlen ihn weiter, auch die Generation der neuen Väter nehmen sein Angebot gerne an. Angefixt von der Arbeit mit Babys und Eltern sucht der Spätberufene nach weiteren Standbeinen und stößt auf die Ausbildung zum Tagesvater. Damals sucht das Düsseldorfer Jugendamt händeringend nach neuen Tageseltern.

Auch nach der Zulassung als Tagespflegestelle gehen ihm die Ideen nicht aus – neben Babymassage und Bewegungskursen bietet Grah inzwischen Familylab Familienberatung an, ist immer noch aktiver Tagesvater und spricht in den Geburtsvorbereitungskursen seiner Frau mit den angehenden Vätern über ihre zukünftige Rolle. "Die Rückmeldungen der Männer sind durchweg positiv. Sie sind froh darüber, mal offen über ihre Vorstellungen als Vater sprechen zu können, und zwar mit einem Mann", sagt der 57-Jährige. Spannenderweise seien die Fragen und Sorgen denen der Mütter sehr ähnlich. Es geht um Angst vor Überforderung, die eigene Vaterrolle, Vorbilder oder die Elternzeit.

Dass sich heutige Väter aktiver in die Erziehung einbringen, freut Grah besonders. "Eine aktive Vaterschaft ist gut für die Bindung und so wichtig für die kindliche Entwicklung." Auch bei seinen eigenen Söhnen hat das übrigens bestens geklappt. Man hat – obwohl in anderen Städten lebend – immer noch ein tolles Verhältnis. Einer von ihnen macht sogar eine Ausbildung zum Erzieher, auch inspiriert durch Papas Arbeit.

Danilo Müller (23), Männliche Hebamme

Den Beruf der Hebamme hat Danilo Müller nach der Schule gar nicht auf dem Zettel. Er will eigentlich Sozialwissenschaften studieren und mit dem Bundesfreiwilligendienst nur etwas "Lebenserfahrung" sammeln. Er landet beim Rettungsdienst und fährt vor allem Krankenwagen. In der Sanitätsausbildung kommt Geburtshilfe nur am Rande vor, genau genommen nur in einer "Vertretungsstunde". Trotzdem ist sein Interesse für die Geburtsmedizin geweckt. "Ich wollte unbedingt mehr wissen und habe so lange nachgefragt, bis ein Mitschüler zu mir sagte, ich solle doch Hebamme werden, wenn ich mich das alles so brennend interessiert", erinnert sich Müller.

Männliche Hebamme werden

Der flapsige Ausspruch bleibt in seinem Kopf hängen. Er informiert sich über Ausbildungsmöglichkeiten und macht ein OP-Praktikum bei Kaiserschnitten. Die Eindrücke der Geburten sind so nachhaltig, dass seine Entscheidung endgültig feststeht. Statt an der Uni bewirbt er sich an fünf Hebammen-Schulen und stößt dort erst mal auf Skepsis. In einem Bewerbungsgespräch wird er gefragt, ob er sich mit so vielen Frauen in der Klasse überhaupt konzentrieren könnte.

Einen Platz bekommt er am Ende nicht. Deshalb entscheidet er sich für eine Pflegeausbildung. Den ersten Praxiseinsatz hat er auf der Wochenbett-Station. Ein Jahr bleibt er dort. Dann eröffnet die Klinik eine neue Hebammenschule und der junge Frankfurter bekommt sofort einen Platz. Die Ausbildung bestätigt seine "ungewöhnliche" Berufswahl. Dass er als männliche Hebamme ein absoluter Exot ist, stört ihn wenig. "Echte Ablehnung im Kreissaal habe ich eigentlich selten gespürt, vielleicht auch, weil in meiner Klinik schon länger ein Mann als Hebamme gearbeitet hat", berichtet er. Auch wenn manchmal eine Frau lieber von einer Frau untersucht oder begleitet werden will, sei das absolut in Ordnung. Immerhin solle sie sich unter der Geburt ja wohlfühlen.

Eine Sonderrolle als männliche Hebamme gibt es für ihn nicht. Er begleitet Geburten oder unterstützt beim Stillen genauso wie seine Kolleginnen. Mit der Erfahrung aus dem Kreissaal möchte er nun den nächsten Schritt gehen und sich nach Ende seiner Elternzeit selbstständig machen – als freiberufliche Hebamme für Wochenbettbetreuung und Geburtsvorbereitungskurse. Bei der Hausgeburt seines Sohnes war er übrigens "nur" als Vater dabei und nicht als Hebamme. "Ich konnte vielleicht etwas besser die Situation einschätzen und vielleicht etwas mehr helfen. Aber am Ende war ich von der Situation genauso überwältigt und etwas überfordert wie alle anderen Väter wahrscheinlich auch", erinnert sich der 23-Jährige. Einzig beim Wickeln des Kindes habe er etwas mehr Routine gehabt.

Benjamin Drost (32), Erzieher und Trageberater

© Foto: privat

Nach der Geburt seiner zweiten Tochter sucht Benjamin Drost nach einer Möglichkeit, seine Frau noch mehr zu entlasten – neben Wickeln, Aufstehen oder Kuscheln versteht sich – und stößt auf das Tragen. "Ich habe erst selbst eine Trageberatung gemacht und mich danach mehr und mehr mit dem Thema beschäftigt. Ich war ganz schnell angefixt von den Chancen für die Bindung zwischen Kind und Eltern", erinnert sich der 32-Jährige. Tatsächlich gibt es einige Argumente für das Tragen. Für die Haltung des Kindes ist diese Position am Körper förderlich. Außerdem wirkt die Nähe zum Elternteil und seinem Herzschlag wie ein sicherer Hafen, der auch vor anfänglicher Reizüberflutung schützen kann. Für die Bindung zwischen Kind und Eltern sei das Tragen ein Gewinn, sagt Drost. Außerdem hat man die Hände frei und ist flexibler als mit dem Kinderwagen – vorausgesetzt, das Kind hat Lust, getragen zu werden.

Vom Teilnehmer zum Trageberater zum Erzieher ...

Drost trägt am Ende nicht nur voller Überzeugung und Stolz seine Töchter durch die Welt, sondern entscheidet sich, selbst eine Ausbildung zum Trageberater zu machen, als einziger Vater im Kurs. Bis zum Beginn der Pandemie berät er Paare, in Zeiten von Abstandsregeln und Lockdown ruht sein Angebot.

Die Ausbildung zum Trageberater ist übrigens nicht die einzige berufliche Veränderung, die durch seine Kinder angestoßen wird. Auf die große Frage "Was erfüllt mich?" heißt die Antwort zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Karriere im Handel, sondern die Arbeit mit Kindern. Der gelernte Handelsfachwirt entschließt sich zur verspäteten Erzieher-Ausbildung. "Darüber hatte ich schon zu Schulzeiten nachgedacht. Am Ende wollte ich aber lieber Geld verdienen als weitere vier Jahre die Schulbank zu drücken", erinnert er sich.

Heute arbeitet er als Erzieher im Elementarbereich und macht ein Aufbaustudium zum Grundschullehrer. Dass er auch in diesen Bereichen als Mann eher "Exot" ist, stört ihn nicht. Ganz im Gegenteil: Die meisten Eltern und Kolleginnen wünschen sich eher mehr Männer in diesem wichtigen Beruf. Das wäre auch ein wichtiger Schritt weg von dem Klischee, dass sich nur Frauen um Kinder kümmern könnten.

Unser Autor Birk Grüling teilt sich Hausarbeit und Betreuung des vierjährigen Sohnes mit seiner Frau.

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