Persönlicher Geburtsbericht

"Ein Notkaiserschnitt kam in meinen Gedanken nie vor"

Unsere Autorin hatte sich mit Hypnobirthing auf eine vaginale Geburt vorbereitet. Alles sollte ganz natürlich sein, eine geplante PDA war für sie tabu. Schließlich endete die Geburt mit einem Notkaiserschnitt. Warum das der beste Schnitt ihres Lebens war, erzählt unsere Autorin in ihrem ganz persönlichen Geburtsbericht.

Egal ob (Not-)Kaiserschnitt oder vaginale Geburt: Jede Geburt ist außergewöhnlich. © Foto: Getty Images/Jane Khomi
Egal ob (Not-)Kaiserschnitt oder vaginale Geburt: Jede Geburt ist außergewöhnlich.

Ich bin bestimmt nicht die Einzige, die so ein ganz bestimmtes, angstmachendes Bild von einer Geburt im Kopf hatte. Geprägt durch Hollywoodfilme und Geburts(horror)storys aus dem Bekanntenkreis, verband ich eine Geburt vor allem mit zwei Dingen: Schmerz und Schreien. Ich hatte nicht nur vage Angst vor den Geburtsschmerzen, sondern ebenso Sorge, ich würde unkontrolliert und sehr laut schreien. Keine Ahnung, warum ich glaubte, ich müsste eine Geburt komplett kontrolliert und still absolvieren? Ich denke, es war vor allem der Wunsch nach Kontrolle von einem so lebensverändernden, umwälzenden Ereignis, das komplett ungewiss vor einem lag. 

Auf der Suche nach positiven Geburtsbildern

Weil eine Schwangerschaft nun mal auf die Geburt (im glücklichen Fall) hinausläuft, und ich nicht monatelang neben meinem ungeborenen Kind auch eine diffuse Angst mit mir herumtragen wollte, wollte ich mich dieser aktiv stellen. So suchte ich nach positiven Geburtsbildern, Geschichten von schönen Geburten, die mir Mut machten und stieß somit auf das Thema Hypnobirthing. Hypnobirthing beschreibt eine Art Selbsthypnose, die es ermöglicht, sich eigenmächtig in einem Zustand von Entspannung und Konzentration zu bringen. Diese Methode versprach eine friedliche, selbstbestimmte und angstfreie Geburt. Für mich fühlte sich diese Art der Geburtsvorbereitung genau richtig an und ich spürte endlich eine Sicherheit, wenn ich an meine bevorstehende Geburt dachte, die ich bis dahin vermisst hatte. 

Bestens auf die Geburt vorbereitet – oder nicht? 

In den folgenden Monaten meiner Schwangerschaft las ich nicht nur Bücher oder hörte Podcasts zum Thema, ich trainierte auch mit einem Onlinekurs fast täglich eine mentale Reise, die ich dann während der Geburtswehen ausführen sollte. Ich erschuf eine Art Safe-Place in meinem Kopf, an dem ich mich sicher fühlte und Schmerz mich nicht (oder nur minimal) erreichten sollte. Dazu arbeite ich mit positiven Affirmationen, schrieb akribisch meinen Geburtsplan auf und schaute mir auf Instagram echte, schöne Geburten an, um das Bild der "schrecklichen" Geburt zu ersetzen. 

Doch das war nicht genug. Ich hatte auch den Ansporn, eine positive Geburtsgeschichte in die Welt zu tragen, die andere Frauen stärkt und ihnen Mut macht. Sicherlich ein schöner Plan. Nur war mit all diesen Ideen in meinem Kopf keine Lücke mehr frei, mich mit Alternativen zu beschäftigen. Ich bereitete mich mit Hypnobirthing ja auf eine natürliche Geburt vor. Was nicht nur hieß, dass ich auf den geplanten Einsatz einer PDA verzichte wollte, auch einen Kaiserschnitt zog ich mit keiner Sekunde in Erwägung. Gedanken an einen Notkaiserschnitt gab es nicht. Die entsprechenden Abschnitte in meinen Büchern überblätterte ich und selbst im Geburtsvorbereitungskurs war der (ungeplante) Kaiserschnitt mit keiner Silbe ein Thema. 

Ein guter Start 

Einen Tag vor dem errechneten Geburtstermin setzten nachts um 3.00 Uhr meine Wehen ein, kurz darauf platzte die Fruchtblase. Schon nach der dritten Wehe war mir klar, das mit der Hypnose klappt für mich nicht. Zu heftig, zu schnell kamen die Wehen hintereinander. Gleich zu Beginn lagen zwischen jeder Wehe kaum zwei Minuten. Für mich war es unmöglich, in einen entspannten Zustand zu gleiten. Ich weckte meinen Mann und er rief den Krankenwagen. Im Krankenhaus verging die Zeit unglaublich schnell und um 7.00 Uhr hatte sich mein Muttermund bereits um 8 cm geöffnet, selbst die Ärztin war überrascht. Obwohl Hypnobirthing für mich nicht wie geplant funktionierte was die Schmerzen oder den Hypnosezustand anging, war ich bis oben hin gefüllt mit stärkenden Gedanken. Ich atmete kontrolliert und voller Power jede Wehe weg. Ich war zuversichtlich und glaubte, dass ich gegen Mittag meine Tochter das erste Mal in den Armen halten würde.

Stillstand: Nichts geht voran

Leider ging es nicht so weiter. Die Stunden verstrichen und gegen 14.00 Uhr änderte sich die Situation allmählich, die Stimmung im Kreissaal kippte. Bis dahin war ich guter Dinge, wiederholte für mich immer wieder den Satz: "Jede Wehe bringt mich meinem Kind näher." Doch dem war leider nicht so. Die Hebamme wurde energischer. "Das geht zu langsam voran. Sie müssen stärker pressen!", forderte sie mich auf. Ich mobilisierte alle Kräfte, die mir noch zu Verfügung standen. Probierte verschiedene Geburtspositionen, setzte mich auf einen Geburtshocker, presste mit all meiner Kraft. Nichts geschah. Für eine PDA war es zu spät, auch Lachgas brachte mir keinerlei Erleichterung. Meine Energie war nach inzwischen fast 14 Stunden Wehen ohne Schmerzmittel aufgebraucht. Körperlich und mental. Mein Kind blieb, wo es war.

Die Entscheidung zum Notkaiserschnitt

Doch meine Tochter musste raus. Sofort. Der Oberarzt drängte nach einer Entscheidung. Eine vaginale Geburt kam nicht mehr in Frage. Ich sollte zwischen einer Zangengeburt und einem Kaiserschnitt wählen. Ich weiß noch, dass ich mehrmals murmelte: "Ich kann mich nicht entscheiden. Ich kann nicht …" Denn auch eine Entscheidung braucht Kraft, und die hatte ich nicht mehr. Zum Glück stellte mein Mann die rettenden Fragen: "Was genau passiert bei einer Zangengeburt? Was geschieht bei einem Kaiserschnitt?" Der Oberarzt erklärte uns zügig die beiden Vorgänge. Unter anderem fielen diese Worte: "Bei einer Zangengeburt müssen Sie noch einmal zehn Minuten kräftig mitarbeiten." Und damit war meine Entscheidung gefallen. Denn diese zehn Minuten (und wer sagt, dass es nicht auch 15 oder mehr werden würden?) klangen für mich wie eine nicht zu bewältigende Zeitspanne. Ich konnte keine einzige Wehe mehr aushalten. Ich entschied mich für den Kaiserschnitt. 

Kaum war der Entschluss getroffen, ging alles ganz schnell. Krankenschwester und Anästhesist wurden gerufen. Auf meinem Bett wurde ich in den OP-Saal geschoben, mein Mann durfte nicht mit. Das traf ihn mehr als mich. Ich war einfach nur so erleichtert, dass die Geburt bald vorbei sein würde. Die lokale Betäubung zeigte schnell ihre Wirkung und ich spürte einfach gar nichts mehr. Nach 14 Stunden nonstop Schmerzen ehrlicherweise ein unbeschreiblich gutes Gefühl. Von den OP-Vorbereitungen bekam ich kaum etwas mit. Vom Schnitt in meinen Bauch auch nichts. Es ruckelte ein bisschen und Punkt 17 Uhr war sie da, meine Tochter. Auf einmal doch so schnell. Ein Wunder.
 
Mila wurde mir auf die Brust gelegt und ich bestaunte diesen winzigen Menschen. Wow, wie schön sie war. Doch dieser Momente war nur von kurzer Dauer. Ich hatte auf einmal das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen und fing heftig an zu zittern. Woher das Erstickungsgefühl kam? Das weiß ich bis heute nicht. Der Schüttelfrost hingegen ist wohl eine recht häufige Reaktion auf das Betäubungsmittel. Und so hat meine Tochter die erste Stunde ihres Lebens nicht auf meiner Brust, sondern auf der Brust ihres Vaters verbracht. 

Vom Loslassen und Annehmen 

Von fast allen meinen Vorstellungen zur Geburt musste ich mich verabschieden. Mein Mann sollte der erste Mensch sein, der unsere Tochter berührte, die Nabelschnur wollten wir auspulsieren lassen, Mila sollte die erste Stunde auf meinem Bauch verbringen und auf gar keinen Fall von mir getrennt sein. All diese Wünsche musste ich loslassen. Kurz fühlte ich Wehmut, doch meiner Tochter ging es gut. Mir ging es gut. Alles war gut. Hypnobirthing hat mir vielleicht nicht zu einer schmerzfreien Geburt verholfen. Doch in mir trug ich das stärkende, positive Bild einer Geburt, das dafür sorgte, dass ich während meiner Geburt keine Angst spürte. Dass ich die ganze Zeit im Vertrauen war und an mich glaubte. Und ich bin überzeugt, dass es mir auch geholfen hat, den Notkaiserschnitt (erst viel später verstand ich, dass es "nur" ein ungeplanter Kaiserschnitt war) mit all seinen Konsequenzen annehmen zu können. Es war keine Geburt zweiter Klasse (als ob es sowas geben würde!), ich hatte alles gegeben, was ich geben konnte. So wie jede andere Frau, bei jeder Art von Geburt. 

Und ja, vielleicht hätte eine andere Gebärende die Wahl in dem entscheidenden Moment für die Zangengeburt getroffen. Auch ich habe mir diese Frage im Nachhinein gestellt. Tja, was wäre gewesen, wenn …? Wenn ich mich unter der Geburt mehr bewegt hätte? Wenn ich mich früher für eine PDA entschieden hätte? Wenn ich die Selbsthypnose noch intensiver geübt hätte? Ich weiß es nicht. Aber das macht es doch auch aus, das Elternsein. Als Eltern müssen wir jetzt eine Entscheidung treffen, inklusive aller Zweifel. Wir haben so oft gar keine Zeit, Option A gegen Option B in aller Ruhe abzuwägen. Wir müssen sofort handeln, aus dem Bauch heraus. Der Kaiserschnitt war meine Wahl. Und bis heute ist die Narbe, nach über zwei Jahren nur noch ein zarter Strich, für mich ein Symbol für Milas Existenz. Ich trage sie mit Stolz, Demut und Dankbarkeit. 

Autorin: Katharina Looks

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