Das Leben ohne Baby nochmal voll auskosten

"Eine Schwangerschaft ist eine einmalige Universal-Ausnahme-Ausrede für alles"

Eine Schwangerschaft ist immer etwas ganz Besonderes. Und definitiv ein echter Grund, es sich noch einmal richtig gut gehen zu lassen. Oder?

© Foto: Getty Images
Tage- und nächtelang die Lieblingsserie glotzen? Als Schwangere easy machbar! 

"Schlaf bloß aus, solange es noch geht!" – "Was, ihr habt keinen Urlaub zu zweit mehr geplant? Macht das unbedingt!" – "Du musst es dir jetzt in der Schwangerschaft auf jeden Fall noch mal gut gehen lassen!“

Ich habe sie gehasst. Diese klugen Sprüche, die mich warnen sollten. Warnen davor, dass nichts mehr so sein wird wie vorher, wenn ich erst einmal Mutter bin. Weil ein Kind nämlich "alles verändert". ALLES. Das sagen einem zumindest die Frauen, die sie schon hinter sich haben: die Metamorphose von der Kinderlosigkeit zum Mami-Dasein. Selbst Frauen mit nur wenigen Wochen Mutter-Erfahrung fühlten sich berufen, mir – der kugelrunden Superschwangeren – möglichst viele niederschmetternde Nachrichten aus ihrem neuen Leben mit auf meinen Weg Richtung Kreißsaal zu geben.

Beginnt mit der Geburt etwas Grausames?

Ich habe das nicht verstanden. Wollten die mich einschüchtern? Mir vielleicht die Angst vor dem Geburtsschmerz nehmen, indem sie mich in noch viel größere Panik versetzen vor dem, was erst danach kommen wird? Oder dachten die wirklich, sie hätten eine wertvolle Info für mich, auf die ich alleine nicht gekommen wäre?

Bei so manchem "Oh, dies und das kannst du als Mutter aber nicht mehr machen!" hätte ich liebend gern mit vor Schock weit aufgerissenem Mund geschrien: "WAS!?? Heißt das, wenn ich ein Baby habe, muss ich mich etwa darum kümmern? Das hat mir keiner gesagt!" Natürlich habe ich das nie getan. Ich habe gelächelt, genickt und mir meinen Teil gedacht. Und mich gefragt, warum all diese weisen Ratschläge so klingen, als wäre der Tag der Geburt der Start von etwas Schlechtem – wo er doch in Wahrheit der Beginn von etwas Großartigem sein soll.

Huch, ich bin ja auch noch da – nicht nur mein Babybauch!

Die Erleuchtung traf mich wie ein Schlag an meinem 30. Geburtstag. Ich war im 7. Monat mit Tom schwanger und feierte mit rund 50 Gästen. Plötzlich stellte ich fest: Hier dreht sich ja alles um mich – nicht um mein Kind! Zum ersten Mal seit dem Start meiner Schwangerschaft stand nicht mehr mein Bauch im Mittelpunkt, sondern der Mensch, der an dem Bauch dranhängt. Jedes einzelne Geschenk, das ich an diesem Tag bekommen habe, war auch wirklich für mich. Keine Babyschühchen und Strampler, keine Windeltorten und Wickeltäschchen.

Stattdessen eine neue Handtasche, Kosmetik und Schmuck, eine sündhaft teure Küchenmaschine und Gutscheine für Maniküre, Wellness, Massagen, sogar für eine Paris-Reise mit meinem Mann – alles echte Erwachsenen-Geschenke halt. Und auf den vielen Geschenkgutscheinen stand er wieder, dieser Spruch: "Damit du es dir noch mal gut gehen lässt."

Doch dieses Mal hab ich mich nicht darüber geärgert. Im Gegenteil. Zum einen, weil es mein Geburtstag war und ich mich an meinem Geburtstag nicht ärgere. Zum anderen, weil ich in diesem Moment etwas kapiert hatte: ICH BIN AUCH NOCH DA! Vor lauter Erstausstattungs-Shopping, Kreißsaal-Besichtigungen, Geburtsvorbereitungs- und Baby-Erste-Hilfe-Kursen hatte ich in den letzten Monaten tatsächlich komplett vergessen, einfach nur etwas für mich zu machen.

Die anderen Mütter meinten es nur gut

Nein, die anderen Mütter wollten mir keine Angst machen. Sie meinten es nur gut! Sie wollten mir klar machen, was für eine einmalige Universal-Ausnahme-Ausrede die Schwangerschaft eigentlich ist. Für alles! In meiner nächsten Schwangerschaft werde ich diese grandiose Joker-Karte von Tag 1 an ziehen. Das habe ich mir fest vorgenommen. Und jeder Schwangeren, die mich nach meiner Meinung fragt, rate ich seither genau dasselbe.

Alle werdenden Mamis, die das hier gerade lesen, kann ich übrigens beruhigen: Der Tag der Geburt ist tatsächlich der Beginn von etwas ganz Fantastischem. Er ändert zwar vieles, aber nicht alles. Und vor allem nicht zum Schlechten. Banale Beispiele: Meine Serien kann ich immer noch gucken – weil selbst so ein aufgedrehtes Kind wie Tom irgendwann mal schlafen muss. (Tatsächlich schaue ich ihm aber lieber beim Schlafen zu als auf den TV-Bildschirm.) Ich backe nach wie vor regelmäßig ganze Cupcake-Ladungen.

Zuerst habe ich das zu Toms Mittagsschlafzeiten gemacht, mittlerweile hilft er fleißig beim Teig rühren mit. Nur mein altes Sportprogramm *hüstel* … also ich würde ja gern, wirklich! Ehrlich! Es liegt sicher nicht an meiner Motivation … Aber das schaffe ich zeitlich nun echt nicht mehr … schließlich bin ich eine vielbeschäftigte Mutter! Und diese Ausrede ist sogar noch besser als das Schwangerschafts-Alibi.

Autorin: Silke Schröckert

Nun kostete ich meine Schwangerschaft so richtig aus

Die nächsten Wochen verbrachte ich damit, Gutscheine einzulösen. Ich habe mich mani- und pediküren lassen. Meine Augenbrauen wurden zu neuem Schwung gezupft. Ich habe eine komplette Typberatung samt Schminkkurs mitgemacht. Beim "Entspannung für Schwangere"-Programm wurde ich beinahe in Trance massiert. Und zu guter Letzt habe ich meinen Mann im Hochschwangeren-Entenwatschel-Gang durchs Disneyland Paris geschleppt.

Und das war nur der Auftakt für die beste Zeit meiner Schwangerschaft. Als meine Gutscheine aufgebraucht waren, wechselte ich an die Küchenmaschine. Backen ist mein liebstes Hobby und ich hatte es während der Schwangerschaft viel zu sehr vernachlässigt. Also backte ich. Und backte. Und backte. Als jede freie Fläche in unserer Wohnung voller Cupcakes und klebrigen Teig-Schüsseln stand (und mein Mann langsam begann, an meinem Geisteszustand zu zweifeln), sagte ich das erste Mal selbst einen dieser klugen Sprüche: "Lass mich, da hab ich bald eh keine Zeit mehr für."

Einer Schwangeren sieht man vieles nach

Warum war ich da nicht früher draufgekommen? Kein Mensch – erst recht nicht der eigene Ehemann – würde einer Hochschwangeren widersprechen. Wie fantastisch ist das bitte? Also machte ich weiter: Ich kaufte mir Serienstaffeln auf DVD und verbrachte ganze Tage vor dem Fernseher. (Schließlich hab ich da bald keine Zeit mehr für.) Ich bestellte mir zu den unmöglichsten Uhrzeiten Essen beim Lieferservice und betrieb exzessives Online-Shopping. (Denn ich wollte es mir noch mal gutgehen lassen.)

An manchen Wochenendtagen verließ ich das Bett einfach gar nicht. (Weil ich nochmal ausschlafen wollte, solange es geht.) Vorwurfsvolle Blicke oder biestige Kommentare? Fehlanzeige! Freunde, Familie, mein Mann, ja sogar der DHL-Mensch, dem ich um 17 Uhr im Schlafanzug die Tür öffnete – alle waren voller Verständnis. Es war unbeschreiblich.

Die anderen Mütter meinten es nur gut

Nein, die anderen Mütter wollten mir keine Angst machen. Sie meinten es nur gut! Sie wollten mir klar machen, was für eine einmalige Universal-Ausnahme-Ausrede die Schwangerschaft eigentlich ist. Für alles! In meiner nächsten Schwangerschaft werde ich diese grandiose Joker-Karte von Tag 1 an ziehen. Das habe ich mir fest vorgenommen. Und jeder Schwangeren, die mich nach meiner Meinung fragt, rate ich seither genau dasselbe.

Alle werdenden Mamis, die das hier gerade lesen, kann ich übrigens beruhigen: Der Tag der Geburt ist tatsächlich der Beginn von etwas ganz Fantastischem. Er ändert zwar vieles, aber nicht alles. Und vor allem nicht zum Schlechten. Banale Beispiele: Meine Serien kann ich immer noch gucken – weil selbst so ein aufgedrehtes Kind wie Tom irgendwann mal schlafen muss. (Tatsächlich schaue ich ihm aber lieber beim Schlafen zu als auf den TV-Bildschirm.) Ich backe nach wie vor regelmäßig ganze Cupcake-Ladungen.

Zuerst habe ich das zu Toms Mittagsschlafzeiten gemacht, mittlerweile hilft er fleißig beim Teig rühren mit. Nur mein altes Sportprogramm *hüstel* … also ich würde ja gern, wirklich! Ehrlich! Es liegt sicher nicht an meiner Motivation … Aber das schaffe ich zeitlich nun echt nicht mehr … schließlich bin ich eine vielbeschäftigte Mutter! Und diese Ausrede ist sogar noch besser als das Schwangerschafts-Alibi.

Autorin: Silke Schröckert

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