Aus Kindersicht

"Liebe Mama, soll ich dir sagen, warum ich so gerne trödele?"

Unsere Redakteurin hat versucht, sich in ihren Sohn hineinzuversetzen. Und dabei erkannt, dass er ihr ganz bewusst Botschaften vermitteln will – auch mit dem ewigen Trödeln. Hier ein imaginärer Brief vom Sohn für die Mutter.

Junge balanciert auf einer Mauer.© iStock/Image Source
Ein Junge balanciert auf einer Mauer – ist das trödeln?

Liebe Mama, weißt du noch, damals nach der Kita? Ganz oft bist du mit mir in die Einkaufsstraße gegangen und wir haben uns ganz viel Zeit genommen: Du hast den Buggy geschoben, und ich durfte nebenher laufen, weil ich das wollte. So konnte ich ganz in meinem Tempo alles erkunden und entdecken, dem ich so über den Weg lief: Oh, da ist ein kleiner Stein, der glitzert so toll, den will ich anfassen! Ein Blumenkasten – da will ich raufklettern!

Einmal kam meine Erzieherin aus der Kita vorbei und freute sich, dass wir das so machen. Sie meinte, das sei nicht selbstverständlich. Das war mir gar nicht bewusst. Ich dachte, das machen alle so. 

Das Trödeln erfüllt einen Zweck – für dich, Mama!

Und später, als ich in der Vorschule war, habe ich gemerkt, dass es dir eine Zeit lang gar nicht gut ging. Du dachtest, du hättest nicht genug Zeit und müsstest so viel erledigen, was du gar nicht schaffst. Dann warst du manchmal so hektisch. Du konntest schlecht schlafen, weil du dir so viele Sorgen gemacht hast, weil ich mich in der Vorschule am Anfang nicht wohlgefühlt habe. Ich kam ja aus einer ganz kleinen Kita in eine riesige Schule und kannte NIEMANDEN!

ALLES war neu für mich, die vielen Menschen, die Räume, das Gebäude, die weiten Wege, die Schulfächer, einfach alles. Da brauchte ich erst mal meine Zeit, um mich einzufinden. Ja, deshalb fiel mir der Abschied von dir morgens immer so schwer. Als ich dann in den Herbstferien in der Ferienbetreuung war, habe ich mich so richtig eingelebt und habe auch noch andere Kinder kennengelernt, das war toll. Seitdem fühle ich mich in der Schule echt wohl.

Auch wenn es morgens oft schwer war, habe ich das am Nachmittag schnell vergessen, denn da hatte ich ja dich und wir konnten schöne Sachen zusammen machen. Doch du konntest die Sorgen leider noch nicht so schnell loslassen. Aber ich habe genau gemerkt, was du brauchst und wollte dir helfen. Deshalb habe ich diesen Satz fallen gelassen. Weißt du noch? Ich bin auf der Mauer vorm Schulhof gelaufen und wollte, dass du mir genau hinterhergehst. Erinnerst du dich, was ich dann zu dir gesagt habe? "Mama, ich gehe extra langsam, damit du deine Geduld wiederfindest!" Du hast gelacht und mich in den Arm genommen, ganz in Ruhe. Das fand ich so schön!

Mama, ich freue mich immer, wenn du mir zeigst, dass du mich lieb hast. Weil ich dich auch lieb habe.

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