
Verliebtes Händchenhalten, intensiver Augenkontakt und vor allem: stundenlange Gespräche. Bei den ersten Dates konnten wir uns mit unserem Partner die Nächte um die Ohren quatschen. Was ist dein Lieblingsfilm? Deine Lieblingsmusik? Wovor hast du Angst? Was sind deine schönsten Erinnerungen? Was, du angelst? Das ist ja superspannend, erzähl mir alles darüber, ich will jedes Detail über Köder und Co. wissen!
Ja, die meisten von uns werden wahre Kommunikationskünstler, wenn wir einen neuen Menschen in unser Leben lassen. Wir löchern unser Gegenüber mit Fragen, die nicht nur Small-Talk-Plattitüden sind, sondern ehrliches Interesse am anderen bekunden. Aber warum hören wir im Laufe der Beziehung mit dieser Form der Gespräche auf? Gehen uns die Fragen aus? Oder interessiert uns unser Partner oder unsere Partnerin einfach weniger, je länger wir liiert sind?
Wenn Partnerschaft Gewohnheit wird
„Hier haben wir es mit dem Honeymoon-Effekt zu tun", erklärt Life-Coach Damian Richter: "Am Anfang sind wir aktiv und wollen ganz bewusst alles über die andere Person erfahren. Wir erfahren dabei jede Menge Glücksgefühle und werden von Dopamin und Endorphinen versorgt. Im Verlauf der Zeit wird der Partner jedoch zu etwas 'Gewöhnlichem'."
Das klingt hart, meint aber nichts anderes, als dass sich der Alltag mit seinen Routinen wiederholt: Alle gewohnheitsmäßigen Verhaltensmuster werden vom aktiv bewussten Erleben in das passiv unbewusste Erleben verschoben. "Es ist ähnlich wie beim Autofahren", erklärt der Experte: "Am Anfang denken wir über Kuppeln, Bremsen, Schalten, Schulterblick noch aktiv und bewusst nach. Nach einer Zeit fahren wir eine Strecke von A nach B und fragen uns danach, wie wir vom Start zum Ziel gekommen sind."
Das Honeymoon-Gefühl bewahren
Die gesamte Partnerschaft wird also mit der Zeit so selbstverständlich und gewöhnlich wie die morgendliche Fahrt zur Kita? Der Vergleich erscheint fürchterlich. Doch lässt man ihn erst einmal sacken, ist er leider gar nicht mal so abwegig. Trainer Damian Richter rät deshalb: "Wir können den anfänglichen Zauber aufrechterhalten, wenn wir uns immer wieder bewusst machen, warum wir uns in unseren Partner verliebt haben und warum wir dankbar sind, dass diese Person ihr Leben mit uns teilt."
Doch das ist gar nicht so leicht, wenn die Tage erst einmal durch Windelwechseln, Schlafmangel und Kindergeschrei geprägt sind. "Wenn Kinder auf die Welt kommen, verändert sich der Alltag von Paaren radikal", weiß der Experte aus eigener Erfahrung. "Oft verschiebt sich der Fokus vom 'wir' zum Nachwuchs." Das ist eine normale Entwicklung – doch leidet, so der Experte, darunter natürlich das Gefühl von Nähe und Verbindung zum Partner. Sein Rat: "Den Partner und nicht das Kind zur Nummer eins im Leben machen!"
Das Kind nur an Platz zwei positionieren? Das klingt im ersten Moment fast radikal. Doch natürlich steht auch bei diesem Rat das Wohl des Kindes mit im Fokus: "Wenn beide Partner eine starke Verbindung zueinander haben, können sie gemeinsam bestmöglich für den Nachwuchs da sein", erklärt Richter.
Reden ist Gold, Schweigen bringt nichts
Aber wie schafft man es nun, sich die Liebe für den anderen auch noch nach Jahren des Zusammenlebens ins aktive Bewusstsein zu rufen und sie langfristig aufrechtzuerhalten? "Dafür braucht es Nähe", sagt der Life-Coach. "Nähe wiederum entsteht durch Verbindung. Und Verbindung entsteht durch Kommunikation und Austausch." Kurz gesagt: Redet miteinander! Denn sonst, so der Experte, fehlt schnell das Verständnis füreinander. Dafür gibt er ein einfaches, alltägliches Beispiel: "Der Vater kommt gestresst aus dem Büro. Er ist beim Essen abwesend, in Gedanken noch bei Gesprächen aus dem Arbeitstag. Die Mutter hat das Gefühl, dass er das Essen und ihre Nähe nicht wertschätzt, fühlt sich ungeliebt." Die unterschiedlichen Wahrnehmungen lösen Fehlinterpretationen aus, die durch Austausch vermieden werden können.
Gespräche über das eigene Erleben, über Empfindungen und Gedanken sind also der Schlüssel zu glücklichen Partnerschaften. Doch wann im stressigen Elternalltag soll man die noch unterbringen? Brauchen wir tatsächlich wieder Dates, um miteinander zu reden? "Es klingt ungewohnt, und gleichzeitig ist es für den gefühlt immer schneller und lauter werdenden Alltag genau die richtige Lösung", weiß Damian Richter. Seine Frau und er tun genau das schon seit Jahren: "Wir legen uns gemeinsame Termine. Wir verabreden uns zum Essen, gemeinsam einkaufen zu gehen, ein Projekt durchzusprechen oder einen Film zu sehen. Wir haben immer wieder 'erste Dates'. So bleibt die Beziehung lebendig und das Nähe- und Verbindungskonto wird aufgefüllt."
Räume für die Partnerschaft schaffen
Diese Freiräume für gemeinsame, kinderfreie Zeit sind wichtig: "So wird der Fokus regelmäßig wieder auf die Beziehung als Paar gerichtet", erklärt Damian Richter. Patchwork-Familien haben die Möglichkeit, gemeinsame kinderfreie Zeit zu haben, wenn die Kinder beim anderen Elternteil sind. Allen anderen Paaren rät der Experte, regelmäßig die Großeltern um Hilfe zu bitten oder einen Babysitter einzuspannen. "So können Eltern ihr 'Wir-Konto' laufend füllen" – und haben wieder Zeit für lange Gespräche, wie bei den allerersten Dates. Innige Blicke und Händchenhalten inklusive.
Autorin: Silke Schröckert