Wenn Eltern streiten, leidet das Kind

Welche Folgen hat es für Kinder, wenn Eltern sich ständig streiten?

Wo Beziehungen sind, wird gestritten. Zwischen Paaren eine unvermeidbare Notwendigkeit. Doch wie wirkt der Streit von Eltern auf Kinder? Leiden sie nur oder lernen sie auch dazu? Ein Einblick ins Thema.

Ein junges Elternpaar streitet sich vor seinem Kind.© Getty Images/fizkes
Wenn Eltern sich streiten, hat das immer Einfluss auf die Kinder. 

94 Prozent aller Paare streiten regelmäßig. Statista zufolge geht es dabei vom Top-Thema schlechte Angewohnheiten über mangelnde Aufmerksamkeit und Wertschätzung sowie Geldthemen, Verwandte, Fahrstil und Kindererziehung, Liebe, Sex und Zärtlichkeit bis zum Fernsehprogramm und Kleidungsstil. Allen Konflikten gemeinsam ist, dass die Auseinandersetzung darüber zu Stress führt und Beziehungen nachhaltig belasten kann. Da Emotionen im Spiel sind und jeder Mensch anders reagiert, kann Streit schnell eskalieren. 

Welche Auswirkungen hat es auf die Kinder, wenn die Eltern streiten?

Wo unterschiedliche Bedürfnisse aufeinandertreffen, fliegen auch mal die Fetzen. Allerdings können Beziehungsstreitereien ernsthafte Folgen für den Nachwuchs haben. Zwei Studien der Universität Rochester und Washington DC rund um Prof. Mark Cummings ergaben, dass bei Streit die emotionale Stabilität von Kindern ins Wanken gerät. Die elterlichen Konflikte nehmen dem Kind Selbstvertrauen und können sich negativ auf seine psychische Gesundheit auswirken. Die Folgen? Anpassungsschwierigkeiten und Verhaltensstörungen. Betroffene Kinder können durch streitende Eltern gar ein Trauma entwickeln. Sie werden häufig aggressiv oder ziehen sich immer mehr zurück. Auch spätere Beziehungsprobleme, Depressionen, Arbeitslosigkeit und Drogenmissbrauch treten auf. Kommt es zu solchen Auffälligkeiten bei Kindern, sollten Eltern ihre Beziehung hinterfragen und ggf. professionelle Hilfe hinzuziehen.

Wenn Eltern streiten, leiden die Kinder ... 

Schon die Kleinsten reagieren bei Streit sensibel auf Mimik, Gestik und Stimmlage, ohne zu verstehen, was passiert. Anfeindungen verunsichern sie, sie fühlen sich bedroht und zerrissen. Was bleibt, ist emotionaler Stress und die Angst vor dem Zerbrechen der Familie. Kinder fühlen sich verantwortlich, zwischen streitenden Eltern vermitteln bzw. sich für eine Seite entscheiden zu müssen. Ein schlimmer Streit vor einem Kleinkind sollte also unbedingt vermieden werden. Erst Grundschulkinder können einen Elternstreit besser einschätzen. Was aber nicht heißen soll, dass es richtig ist, vor ihnen zu streiten. Wichtig ist, die Kinder nicht in die Auseinandersetzung hineinzuziehen und nicht vor ihnen schlecht über den anderen zu reden. Beschimpfungen bringen nicht weiter und belasten nur die Kinderseele. 

Trauma durch streitende Eltern unbedingt vermeiden! 

Experten sind sich einig: Kinder, die in den Streit ihrer Eltern involviert sind, dürfen nie das Gefühl haben, dass es dabei um sie geht. Das sollten Erwachsene auch unmissverständlich kommunizieren. Tabu ist, das Kind auf seine Seite zu ziehen oder als Druckmittel zu benutzen. Zwischen den Fronten der Streitenden gerät es in einen Loyalitätskonflikt und kann psychischen Schaden nehmen. Wenn Eltern ihren Konflikt nicht alleine lösen können, sollten Familienberatung, Paartherapeut oder Mediator aufgesucht werden. Psychologen gehen davon aus, dass Kinder langfristig unter dauerndem Streit der Eltern stärker leiden als unter einer Trennung. 

Tipps für eine positive Konfliktlösung

  1. Ehrliches Aussprechen von eigenen Wünschen
  2. Ziel fokussieren, nicht vom Thema abweichen
  3. Trotz Emotionen den anderen ausreden lassen
  4. Interesse zeigen durch aktives Zuhören und Reagieren
  5. Humor statt Stolz einbringen

Es heißt, eine langjährige Ehe zeugt von einer guten Streitkultur. Wer den richtigen Weg gefunden hat, sich zu arrangieren, kann den Zusammenhalt einer Partnerschaft stärken. Oft wirkt Streit wie ein reinigendes Gewitter, bei dem Emotionen hochkochen und hinterher positive Gefühle hervortreten. Wer eine offene und faire Streitkultur lebt, ist im Vorteil. Werden Gefühle ausgesprochen und Probleme diskutiert, fördert das besonders bei Kindern das  Selbstbewusstsein. Die Aussprache schafft nach der Lösung eines Konfliktes Nähe und Vertrauen. Dass ein Team in der Lage ist, schwierige Situationen zu meistern, macht ein konstruktiver Streit klar.

Kinder können durch streitende Eltern sogar lernen

Werden im Streit gewisse Spielregeln beachtet, kann er für Kinder zu einer wichtigen Lebenserfahrung werden. In einem gesicherten familiären Umfeld können die Kleinen bereits konstruktive Streitkultur lernen. Zum Beispiel eine respektvolle Haltung oder auch Strategien zur Konfliktlösung. Allein das sachliche Vertreten des eigenen Standpunktes kann durch vorgelebten Streit verinnerlicht werden. Kompromisse zeigen Kindern, dass Konflikte nichts per se Schlechtes sein müssen, sondern dass man auch gestärkt daraus hervorgehen kann. Nobody is perfect, aber Streit sollte nie ohne Lösung zu Ende gehen und schließlich immer etwas Versöhnliches haben.

Wichtige Verhaltensregeln beim Streiten

  1. Sachlich bleiben, Respekt bewahren und nicht persönlich werden
  2. Eigene Empfindungen beschreiben (Ich-Sätze statt Du-Vorwürfe)
  3. Im ruhigen Tonfall streiten, Emotionen zügeln und nicht schreien
  4. Beleidigungen und Abwertungen sind vor Kindern jeden Alters tabu
  5. Gemeinsam aktiv an einer Konfliktlösung arbeiten und nichts offenlassen
  6. Kinder, die einen Streit miterleben, sollen auch hinterher die Lösung erfahren
  7. Für wiederkehrende Streitthemen langfristige/n Lösung/Kompromiss finden
  8. Kinder aus Beziehungsstreitereien heraushalten

Streit mitbekommen? Diese Sätze können helfen, wenn es schon zu spät ist

Wenn euer Kind bereits etwas vom Streit mitbekommen hat, können euch diese Denkansätze und Sätze vielleicht bei der Kommunikation helfen. Worum es dabei geht? Versucht diesen emotionalen Zusammenbruch in eine Wachstumschance zu verwandeln, indem ihr ihn zusammen repariert. Und so geht's:

  1. Benennen: "Wir hatten heute schon große Gefühle."
  2. Gefühle bestätigen: "Du hast unsere Stimmen gehört, und es tut mir leid, wenn dich das erschreckt oder verärgert hat."
  3. Sicherheit geben: "Wir sind auch nach dem Streiten immer noch Freunde und haben sich immer noch lieb - auch wenn wir große Gefühle haben."
  4. Wachstumsziel: "Wir werden daran arbeiten, das nächste Mal mit unseren großen Gefühlen umzugehen, ohne zu schreien."

Der Schlüssel ist, euren Kindern zu zeigen, dass Konflikte durchaus vorkommen (dürfen). Dass wir alle große Gefühle haben – und wenn wir sie haben, lieben wir uns trotzdem bedingungslos.