
Manchmal ist der Ex ein Vorzeige-Co-Elternteil und alles klappt sogar besser als vor der Trennung. Doch manchmal ist auch das Gegenteil der Fall: Die Eltern sprechen keinen Ton mehr miteinander und kommunizieren ausschließlich über den Anwalt. Oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Wie auch immer: Im Prinzip ist es egal, wo ihr euch als geschiedene Eltern einordnen würdet. Der folgende (total subtil wirkende) kleine Tipp könnte große Auswirkungen auf eure Kinder und eure künftige Elternschaft haben. Alles, was ihr dafür überdenken müsst? Die Anrede eures Ex gegenüber eurer Kinder.
"Deine Mutter" oder "dein Vater": Die Anrede des Ex kann viel bewirken
Die meisten getrennten Eltern machen sich vielleicht keine großen Gedanken darüber, wie sie ihren Ex vor ihren Kindern nennen. Im Prinzip ist "deine Mama" oder "dein Papa" doch richtig, oder? Korrekt allemal. Doch denkt mal scharf nach: Als ihr noch zusammen wart und mit euren Kids über euren Partner gesprochen habt: Hieß es da nicht einfach "Mama" oder "Papa"? Aber das Hinzufügen des simplen Wortes "dein" schafft sofort ein Anderssein in der Familie.
Was kann die falsche Anrede beim Kind anrichten?
"Eine Aussage wie 'dein Vater' oder 'deine Mutter' distanziert die aussagende Person von diesem", sagt Ralph Schliewenz, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut aus Soest (Nordrhein-Westfalen). "Sie würde dem Kind vermutlich in gewisser Weise eine Abwertung des Ex-Partners vermitteln." Es könnte dem Psychologen zufolge aber auch als eine Einladung zu einer Koalition gegen diesen Elternteil aufgefasst werden. "Dann dürfte es richtig kompliziert werden", sagt er. Was das genau beim Kind anrichten kann? Das lasse sich laut dem Experten nicht allgemein sagen. Jedes Kind ist verschieden. Genau wie jedes Gemüt. "Das wissen wir eben nicht, ohne das Kind selbst dazu zu befragen", so Ralph Schliewenz.
Die Trennung wird fürs Kind so hörbar!
Auch wenn ein Kind vorher natürlich schon wusste, dass seine Eltern fortan getrennte Wege gehen und sie kein Liebespaar mehr sind: Es ist immer noch etwas anderes, wenn sie diese Trennung beziehungsweise Scheidung auch hören können. Und nichts anderes passiert, wenn Mama plötzlich nur noch von "deinem Vater" spricht. Und nicht mehr einfach nur von "Papa". Diese Änderung der Anrede verstößt den anderen Elternteil quasi ins Abseits und hinaus aus dem inneren Kreis der Familie. Das Kind hört jetzt klar und deutlich, dass seine Eltern getrennt sind. Und das kann noch mal mehr schmerzen.
Eltern sollten das Gefühl des Zusammenhalts erhalten
Klar ist, dass eine Scheidung oder Trennung tatsächlich zu Veränderungen in der Familiendynamik führt. Doch wer die Sichtweise des Kindes auf den jeweils anderen Elternteil respektiert, kann dabei helfen, das Gefühl des Familienzusammenhalts zu erhalten. Wenn ihr also die Bezeichnungen für beide Elternteile beibehaltet, zeigt ihr eurem Kind damit, dass ihr seine Beziehung zu beiden Elternteilen respektiert. Auch wenn ihr nicht mehr zusammenlebt oder verheiratet seid: Es ist gut fürs Kind zu sehen, dass ihr mit eurem Ex-Partner effektiv zusammenarbeiten und ein Teamplayer sein könnt.
Was sollte man stattdessen sagen?
Versucht einfach, das "dein" oder "deine" wegzulassen. Das kann (je nachdem, wie ihr zueinander steht) durchaus schwierig werden. Aber schluckt euren Stolz für euer Kind herunter. Es ist nur ein Wort. Und wenn das nicht klappen mag? "Wenn eine Annäherung nicht mehr möglich sein sollte, könnte ja zumindest der Name genannt werden. Das würde in meinen Ohren weniger distanziert klingen und eine fortbestehende Gemeinschaft suggerieren", erklärt Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Ralph Schliewenz.
Und was, wenn ein Elternteil nicht mitzieht?
Am besten ist es, miteinander darüber zu sprechen – und zu überlegen, wie man eine einheitliche Front bilden kann. Meistens sind ja beide Elternteile daran interessiert, das zu tun, was für die Kinder am förderlichsten ist. Wenn ihr also darlegen könnt, dass ein bewusster Umgang miteinander letztlich im besten Interesse des Kindes ist, könnt ihr an einem Strang ziehen.
Vorteile für alle Seiten – für Kinder und Eltern
Es geht nicht allein NUR um die Kinder. Vielmehr um die Familieneinheit. Je stärker ein Elternteil das andere angreift (auch verbal über die Anrede!) und anders darstellt, desto schwieriger wird es für sie, ihr Kind zusammen zu erziehen. Und auch die Aufrechterhaltung der Beziehung zum jeweils anderen Elternteil wird dadurch erschwert. Natürlich geht das nur, solange es für das Kind bei beiden Elternteilen sicher ist.
Was, wenn man bereits "dein Vater/deine Mutter" gesagt hat?
Kann man wieder zurückrudern? Oder ist das Kind schon in den Brunnen gefallen? Es kommt hierbei ein bisschen auf das Alter des Kindes an.
- Ältere Kinder, die in einem Alter sind, in dem sie ihre eigenen Entscheidungen treffen können, werden von ihren Eltern am besten darauf angesprochen: "Wie soll ich Mama/Papa deiner Meinung nach am besten ansprechen?" So verleiht ihr euren Kindern in einer Situation, in der sie sich machtlos fühlen, eine gewisse Macht.
- Jüngere Kinder bemerken den plötzlichen Unterschied in der Anrede womöglich gar nicht. So lässt sich das "dein/deine" leichter zurücknehmen.
Doch wenn eurem Kind die Veränderung auffällt und wenn es vielleicht sogar wissen will, ob das bedeutet, dass ihr wieder zusammenkommt? Seid ehrlich und sagt ihnen die Wahrheit: Ihr wollt euren kleinen Schatz so gut wie möglich unterstützen und ihr habt gemerkt, dass ihr euch gegenseitig lieber so nennen möchtet, wie es ihm, eurem Kind, guttut.