
Eine Scheidung meist nicht nur in emotionaler Hinsicht, sondern auch in finanzieller. In vielen Fällen geht es sogar um die Existenz – vor allem für Frauen. Wie sie sich absichern können und worauf sie achten sollten, wenn es hart auf hart kommt, verrät Scheidungsanwälting Saskia Schlemmer.
"Das Problem ist, dass wir eine romantische Vorstellung davon haben, wie Familie sein soll. Die Realität sieht oft anders aus", erklärt Juristin. Vor allem Frauen landen nach einer Trennung oft hart auf dem Boden der Tatsachen.
In Deutschland geht jede dritte Ehe geht in die Brüche. Meist sind Kinder im Spiel. Allein 2021 wurden in Deutschland 142.800 Ehen geschieden. Zwar ist die Zahl seit einigen Jahren rückläufig, was aber auch daran liegt, dass insgesamt weniger Ehen geschlossen werden.
Sich als Mutter vorausschauend absichern
Vielen Paaren sei nicht klar, wie sehr sich ihr Leben verändert, wenn Kinder da sind. "Die Gesellschaft suggeriert, dass man alles haben kann: unabhängig sein, für die Rente sorgen, Kinder großziehen", sagt Saskia Schlemmer. "Viele verschließen die Augen vor der Realität und sehen nicht, wie einschränkend Kinder sind. Auch wenn man vorher unabhängig war – wenn man sich für Familie entscheidet, muss man sich selbst zurücknehmen. Das hat auch wirtschaftliche Auswirkungen."
In vielen Fällen ist es noch immer die Frau, die den Großteil der Care-Arbeit übernimmt und beruflich kürzertritt – oder den Job sogar ganz aufgibt. "Jede Familie trifft meist die Entscheidung, dass der derjenige, der mehr verdient, weiter Vollzeit arbeiten geht", weiß die Juristin aus ihrer beruflichen Erfahrung. "Das bedeutet, dass man als Frau nicht mehr so unabhängig ist wie vorher und auch keine Weiterentwicklung im Beruf hat."
Solange die Ehe hält, geht die Rechnung oftmals zunächst auch auf. Problematisch wird es jedoch im Fall einer Scheidung – zumal kaum ein Paar damit rechnet.
Viele wollen nicht wahrhaben, dass sie auch von einer Trennung betroffen sein können.
Familieneinkommen teilen, Rentenbeiträge ausgleichen
Vor lauter Romantik sollte vor einer Hochzeit der formale Teil deshalb nicht aus den Augen verloren werden. "Paare sollten sich zunächst zusammensetzen und gemeinsames Verständnis und Bewusstsein dafür schaffen, was es bedeutet, eine Familie zu gründen", rät die Scheidungsanwältin. "Danach sollte man eine Vereinbarung treffen, die regelt, wie die kindbedingten Nachteile ausgeglichen werden können. Das kann in Form eines Ehevertrags sein. Darin lässt sich beispielsweise rechtswirksam regeln, dass das Familieneinkommen geteilt werden soll, eine Kompensation für den Karriereknick gezahlt wird und dass die Rentenbeiträge ausgeglichen werden."
Es gilt das Credo: Wer die Care-Arbeit übernimmt, sollte sich dafür bezahlen lassen.
Ein Ehevertrag lässt sich auch während der Ehe noch jederzeit abschließen. Saskia Schlemmer weiß jedoch: "Wenn die Paare schon verheiratet sind, ist es oft ein größerer Angang."
Das regelt ein Ehevertrag
Ein Ehevertrag ist ein rechtliches Dokument, das von einem Paar vor oder während der Eheschließung erstellt wird, um die finanziellen und rechtlichen Aspekte ihrer Beziehung zu regeln. In einem Ehevertrag können verschiedene Themen festgelegt werden, wie zum Beispiel die Aufteilung des Vermögens im Falle einer Scheidung, Regelungen zur Unterhaltszahlung, Erbschaftsfragen oder auch die Absicherung von Unternehmen oder Immobilienbesitz. Ein Ehevertrag bietet den Ehepartnern die Möglichkeit, individuelle Vereinbarungen zu treffen, die ihren spezifischen Bedürfnissen und Wünschen entsprechen. Es ist wichtig, dass beide Partner den Vertrag sorgfältig prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen, um sicherzustellen, dass ihre Interessen angemessen berücksichtigt werden.
Darüber, wie viele Paare in Deutschland einen Ehevertrag abgeschlossen haben, gibt es keine Statistik. Fakt ist: Es sind zu wenige. "Das Bewusstsein bestand lange nicht, und ein Ehevertrag ist eher negativ behaftet." Mittlerweile gewinne der Ehevertrag jedoch langsam an Popularität. Aus Sicht von Scheidungsanwältin Saskia Schlemmer ist das längst überfällig, damit Frauen im Falle einer Scheidung nicht in ein finanzielles Loch fallen: "Das Gesetz bietet zwar einen gewissen Schutz durch den Zugewinnausgleich, den Versorgungsausgleich oder auch den Trennungs- und nachehelichen Unterhalt, allerdings ist dieser in vielen Fällen nicht ausreichend. Es wird nicht dem gerecht, was die Frau für die Familie zurücksteckt. Hier kann man verstärkende Regelungen treffen."
Trennung sorgfältig vorbereiten
Ist eine Scheidung unausweichlich, gibt es für Paare vieles zu regeln. Vor allem Frauen müssen – sofern kein Ehevertrag besteht – genau schauen, wo sie bleiben. "Bevor man sich trennt, sollte man sich frühzeitig an einen Anwalt für Familienrecht wenden und sich über seine Rechte informieren", rät Saskia Schlemmer. "Eine Trennung sollte vorbereitet werden. Viele Frauen haben sich finanziell auf den Ehemann verlassen und wissen gar nicht genau, wie viel Vermögen besteht. Hier muss man Eigenverantwortung übernehmen."
Doch nicht nur finanziell ist eine Trennung herausfordern, sondern auch emotional. "Ich empfehle auch psychologische Unterstützung und bezüglich der Kinder darauf zu achten, dass der Fokus auf ihnen liegt. Es ist Aufgabe der Eltern, eine vernünftige Lösung zu finden."
Nach einer Scheidung steht das Sorgerecht grundsätzlich erstmal beiden zu. "Die Eltern müssen sich einigen, wo das Kind wohnen soll." In der Regel wählen Eltern zwischen dem Residenz- und dem Wechselmodell. "Natürlich gibt es auch ganz andere Lösungsmöglichkeit, die die Ex-Paare untereinander absprechen können. Wichtig ist, dass den Kindern Stabilität geboten wird und der Alltag sich gut bewältigen lässt", betont die Juristin. Ausschlaggebend sei letztlich, dass jede Entscheidung zum Wohle des Kindes getroffen wird.
Sorgerecht und Unterhalt regeln
Der nächste Schritt ist das Trennungsjahr. Erst danach ist eine Scheidung möglich. In dieser Zeit kann das Ex-Paar durchaus weiterhin in der gleichen Wohnung leben. Tisch und Bett müssen jedoch getrennt sein, das heißt, es darf keine Versorgungsleistung mehr für den anderen übernommen werden. "Derjenige, der die Kinder betreut, sollte in der Wohnung bleiben", empfiehlt Saskia Schlemmer. "Das Trennungsjahr sollte genutzt werden, um eine Lösung zu finden." Ab der Trennung besteht Anspruch auf Trennungsunterhalt, der bis zur Rechtskraft der Scheidung gezahlt wird. "Den Trennungsunterhalt sollte man sofort geltend machen", so die Anwältin.
Und was ist mit nicht-verheirateten Paaren? "Auch sie können sich Rechtsbeistand suchen, sind aber in vielerlei Hinsicht benachteiligt", so Saskia Schlemmer. "Man kann eine Trennungsvereinbarung aufsetzen lassen. Gerade für nicht-verheiratete ist ein Partnerschaftsvertrag enorm wichtig."
Unterhaltsanspruch nach der Scheidung: Alle Infos im Überblick
Nach einer Scheidung haben Frauen in Deutschland grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem ehemaligen Ehepartner. Dieser Anspruch dient dazu, die wirtschaftliche Benachteiligung auszugleichen, die oft mit der Rolle als Hausfrau und Mutter einhergeht. Der Unterhaltsanspruch richtet sich nach dem Prinzip der ehelichen Lebensverhältnisse und kann sowohl für den Zeitraum der Trennung als auch nach der Scheidung gelten. Die genaue Höhe des Unterhalts hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Einkommen beider Parteien, dem Betreuungsbedarf der Kinder und der Dauer der Ehe. Es ist wichtig zu beachten, dass der Unterhaltsanspruch zeitlich begrenzt sein kann und in der Regel durch eine eigenständige Erwerbstätigkeit reduziert oder ganz entfallen kann.
Unsere Expertin: Saskia Schlemmer
Saskia Schlemmer arbeitet als Scheidungsanwältin in Düsseldorf und gibt Ehevorbereitungskurse für Frauen. Sie ist verheiratet, zweifache Mutter und hat – na klar – einen Ehevertrag.