
Eines vorweg: Eine Scheidung ist immer ein Schock. Sie bedeutet Trennung Verlust, Angst, Ungewissheit und meistens leider das dramatische Aus einer einst intakten Familie. Scheidung ist schlimm. Da gibt es überhaupt nichts dran zu beschönigen. Obwohl es sicher kein Kind toll findet, wenn sich die Eltern trennen und es in Zukunft zwischen Mutter und Vater hin und her pendeln muss, kann eine Scheidung auch Vorteile haben. Es gibt auch glückliche Scheidungskinder.
Eltern können mit ihrem Verhalten maßgeblich dazu beitragen, dass ihre Kinder keine negativen Folgen durch die Scheidung zu befürchten haben, oder gar zu spüren bekommen. Langfristig können getrennt lebende Elternteile durchaus auch Vorzüge mit sich bringen. Eine Patchwork-Familie mit neuen Geschwistern kann etwas sehr Schönes und Bereicherndes sein. Doch sollte man Kindern auch die Zeit geben, das zu lernen.
"Hilfe, Mama und Papa lassen sich scheiden!"
Den Nachwuchs trifft es bei einer Scheidung meistens besonders hart, weil das gewohnte Umfeld aus den Fugen gerät. Schließlich geht nicht nur die Beziehung von Vater und Mutter zu Bruch, sondern mit ihr die gewohnte Familienstruktur. Viele leiden in der Zeit danach unter Beschwerden wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und Bauchschmerzen. Sie können sich nicht mehr so gut konzentrieren, fühlen sich unwohl und niedergeschlagen.
"Trennungen bringen Angst und Wut mit sich.", sagt Dr. med. Karl Heinz Brisch, Oberarzt und Leiter der Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie an der Universität München, "Das kann zu einem großen Repertoire körperlicher Beschwerden führen".
Mädchen und Jungen leiden unterschiedlich
Jedes Scheidungskind verarbeitet den Trennungsschmerz anders: Mädchen leiden häufiger unter Erschöpfungszuständen, während Jungen mit Konzentrationsschwierigkeiten zu kämpfen haben. Ältere Jugendliche ziehen sich in der Regel mehr zurück und suchen sich Ablenkungen wie Sport und Computerspiele.
Leider kommt auch der Griff zur Zigarette oder Flasche in solchen Situationen häufiger vor. Kleine Ausbrüche aus dem neuen Alltag, weg von der Realität, kommen besonders bei Sechst- bis Neuntklässlern verstärkt vor.
Den Nachwuchs unbedingt mit einbeziehen!
Eine Scheidung bedeutet eine Belastung für die ganze Familie. Kinder werden besonders dann in Mitleidenschaft gezogen, wenn die Elternteile keine Rücksicht auf ihre Wünsche nehmen. Leider kommt es in den besten Familien vor, dass man sich im Streit besonders dann uneinig ist, wenn es um den Umgang mit dem Nachwuchs geht.
"Aggressivität und Feindseligkeit zwischen den Eltern überfordern Kinder emotional", erklärt Professor Sabine Walper vom Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik an der Münchener LMU. Die Fachfrau leitete unter anderem die Langzeitstudie "Familien in Entwicklung". Sie weiß: "Das Verhalten der Eltern ist entscheidend dafür, wie gut oder schlecht Kinder eine Scheidung wegstecken. Die Bedeutung einer Trennung für die kindliche Entwicklung wird in der Wissenschaft allerdings nicht einheitlich eingeschätzt."
Haben Scheidungskinder auch Vorteile?
Versucht man, eine Scheidung aus der Sicht der Kinder zu betrachten, kann man jedoch auch sinnvolle Seiten erkennen. So steht beispielsweise außer Frage, dass es für die Kleinen eine Erleichterung bedeutet, wenn sie nicht mehr den täglichen Streitigkeiten ihrer Eltern ausgesetzt sind. Besonders, wenn die folgenden drei Punkte erfüllt werden, wird auch der Nachwuchs von einer Scheidung profitieren.
- Die Kinder fühlen sich nicht mehr zwischen zwei streitenden Parteien hin- und hergerissen.
- Ihnen wird wieder mehr Aufmerksamkeit durch ihre Eltern zuteil.
- Sie merken, dass ihre Eltern zwar geschieden sind, aber auch wieder glücklicher und zufriedener.
Zwar erlebt ein Scheidungskind die Trennung der Familie für den Moment als großen Verlust. Langfristig jedoch können sich auch Vorteile daraus ergeben. Natürlich funktioniert das nicht von alleine. Die Eltern müssen einen wichtigen Teil beitragen, damit es dem gemeinsamen Nachwuchs den neuen Lebensumständen entsprechend gut geht.
Nach der Trennung haben die betroffenen Kinder das unbedingte Anrecht auf einen vernünftigen, warmherzigen Umgang mit ihren getrennten Eltern. Ihre Gefühle und ihr Wohlergehen sollten an erster Stelle stehen. Psychologen weisen immer wieder darauf hin, dass es besonders in der Phase kurz nach der Scheidung besonders wichtig ist, Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen. Das Ende des Streits und die Vereinbarungen rund um das Sorgerecht bedeuten den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Dieser sollte nach Möglichkeit so leicht und eben wie möglich beginnen.
Das tut Kindern nach einer Scheidung gut
- "Mama und Papa geht es besser, seit sie getrennt leben"
- "Eltern machen auch manchmal Fehler. Meine Eltern haben ihre Fehler zugegeben."
- "Ich bin wichtig, weil ich bei Entscheidungen mitreden darf!"
- "Mama und Papa ziehen auch weiterhin an einem Strang, obwohl Papa nicht mehr bei uns wohnt."
- "Mein Vater macht jetzt jede Woche einen schönen Ausflug mit mir!"
- "Ich habe jetzt ein neues Zimmer!"
- "Meine Eltern haben wieder mehr Zeit für mich."
- "Ich habe das Gefühl, Mama hört mir viel besser zu, als früher."
Wichtig ist es vor allem, nicht zu viel zu erwarten. Nur, weil es einem selbst und dem Ex-Partner wieder besser geht, bedeutet das nicht, dass auch die Kinder ihren Schmerz schon verarbeitet haben. Es muss nicht automatisch zu Problemen kommen, jedoch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die Phase der Trauer mitunter viel Zeit braucht. Die Devise lautet daher, verständnisvoll und mit viel Liebe vorzugehen. Gemeinsame Kinder bedeuten gemeinsame Verantwortung. Und zwar auch dann noch, wenn man nicht mehr zusammen lebt.
