
Familien für ein ganzes Leben gibt es immer weniger. Jede dritte Ehe – in Großstädten sogar jede zweite – geht in die Brüche. Das System Familie hat sich grundlegend verändert. Dass Kinder nicht ehelich geboren werden, ist heute ganz selbstverständlich und normal. Etwa ein Drittel aller Kinder wird in Deutschland nicht mehr in die klassische Kleinfamilie mit verheirateten Eltern und entsprechendem Weltbild hineingeboren. Weder sie noch ihre Mütter werden deshalb gesellschaftlich geächtet, wie es noch vor ein paar Jahrzehnten der Fall war.
Die Patchworkfamilie ist kein Garant für Glück
Etwa jedes vierte Kind lebt heute beispielsweise – zumindest zeitweise – in einer Patchworkfamilie, deren Anzahl keiner so recht zählen kann. Sie finden zusammen und trennen sich vielleicht wieder, ohne dass eine Statistik sie ge- nau erfasst. Nach der Kernfamilie und der Ein-Eltern-Familie ist das Patchworkmodell inzwischen der dritthäufigste Familientyp in Deutschland. Wie gut diese Gemeinschaften miteinander auskommen, ist ebenfalls schwer zu erfassen. Fest steht nur: Die Trennungsrate ist hoch. Zwar liegen in Deutschland keine Zahlen vor, doch aus Kanada ist bekannt, dass die Hälfte aller Patchworkfamilien nach zehn Jahren wieder getrennt ist. Ob die Betroffenen es als Rechtfertigung, Trost, Mutmacher oder als Maßnahme gegen das schlechte Gewissen sehen, es gibt eine klare Tatsache: Familienforscher stellen Kin- dern aus Patchworkfamilien ein gutes Zeugnis aus. Sie seien eher in der Lage, Verantwortung zu übernehmen, gehen lockerer und flexibler mit den traditionellen Mann-Frau-Rollenklischees um und reagieren sensibler auf gesellschaftliche Diskriminierungen.
Gefühle zu erkennen ist die Basis für Lebensglück

Kein Wunder, schließlich erleben sie schon sehr früh, wie wichtig es für ein erfolgreiches, zufriedenes Leben ist, die Gefühle anderer zu erkennen, zu berücksichtigen und daraus den besten Nutzen für sich selbst zu ziehen.
Wir haben die als "Super Nanny" im Fernsehen bekannt gewordene Diplom-Pädagogin und Botschafterin der Bepanthen-Kinderförderun Katia Saalfrank befragt, wie hoch bei einer Trennung die Belastung für das Kind ausfällt und wie ihr als Eltern die Folgen positiv beeinflussen könnt.
Wie wirken sich Streitigkeiten auf die Erziehung aus?
Saalfrank: Die Beziehungen innerhalb einer Familie sollten von Vertrauen und Wertschätzung geprägt sein. Wenn jedoch Streit und Zank zwischen den Eltern auf der Tagesordnung steht, besteht die Gefahr, dass Kinder emotional verunsichert werden. Dies könnte sich in feindseligem Verhalten äußern. Das Kind reagiert verärgert oder zieht sich zurück.
Wie sage ich meinem Kind, dass wir Eltern uns trennen?
Saalfrank: Für Kinder bricht mit der Trennung der Eltern immer eine innere Welt zusammen. Dies ist oft sehr schmerzhaft. Eltern versuchen derweil, den Schmerz und die Traurigkeit der Kinder zu ignorieren, da es auch für sie schwierig ist. Oft neigen sie dann zur Versachlichung der Situation. Wichtiger als Sachlichkeit ist der wertschätzende Umgang miteinander. Das ist eine Herausforderung, aber dennoch möglich. Dann müssen Abwertungen oder Beschimpfungen der Elternteile tabu sein. Kinder stehen in dieser Krise mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt.
Trennung trotz Kind: Sollten sich Eltern der Kinder wegen nicht trennen?
Saalfrank: Die eigene Beziehung ausschließlich wegen der Kinder aufrechterhalten zu wollen, stellt keine tragfähige Grundlage für das Familienleben dar. Die Kinder würden dies auch spüren und könnten demzufolge verstört reagieren. Legen Sie die Karten also auf den Tisch. Kinder können mit klar kommunizierten Tatsachen in der Regel besser umgehen als mit unausgesprochenen Problemen.
Wie können Scheidungskinder trotzdem lernen, eine stabile Paarbeziehung zu führen?
Saalfrank: Grundsätzlich ist eine Trennung für Kinder stets belastend. Welche Beziehungserfahrungen die Kinder aus dieser Krise mitnehmen, hängt mit dem Verhalten der Eltern zusammen. Diese sollten nicht mehr als Paar, jedoch als Eltern weiterhin für ihre Kinder da sein. Wenn sie es schaffen, eine stabile und vertrauensvolle Beziehung zu den Kindern aufrechtzuerhalten, sollten die Kinder keine Schwierigkeiten haben, selbst Beziehungen eingehen zu können.
Wie verhält man sich am besten, wenn der andere Elternteil die Kinder im Konflikt benutzt?
Was halten Sie von dem Nestmodell, bei dem die Kinder dort leben, wo sie aufgewachsen sind, und die Eltern pendeln?
Trotz Trennung Familie bleiben: Tipps für eine schonende Trennung
- Ernst der Lage erkennen: Eine Trennung ist immer belastend für Kinder. Denn für sie bricht damit eine innere Welt zusammen. Für Eltern gilt es, sich dieser Situation aus Kindersicht klar zu werden, um einen bewussten Umgang mit ihren Kindern zu wählen und ihr Verhalten auch als getrenntes Paar an die Bedürfnisse des Kindes anzupassen.
- Eigene Verletzungen zurückstellen: Beide Elternteile sollten die Probleme hinsichtlich ihrer Paarbeziehung zurückstellen, um sich auf die Bedürfnisse ihrer Kinder konzentrieren zu können. Es gilt nämlich weiterhin, als Elternpaar für die Kinder da zu sein. Das bedeutet auch, dass alle Konflikte, die das Paar betreffen, nicht vor den Kindern diskutiert werden sollten.
- Neue Strukturen finden: Eine Trennung bringt immer Verunsicherung bei allen Beteiligten mit sich. Kinder fühlen sich häufig schuldig für die Trennung der Eltern. Sie sind verunsichert und hinterfragen die Beziehung zu beiden Elternteilen. Außerdem übertragen sie die Situation auf sich selbst und fürchten, dass auch sie beispielsweise von der Mutter weggeschickt werden. Somit gilt es für Eltern, sich auf neue Strukturen zu verständigen, um ihren Kindern Sicherheit zu geben.
- Klare Kommunikation miteinander: Je klarer Sie beide sich absprechen und miteinander kommunizieren, desto größer ist die Chance, dass Kinder schnell wieder Sicherheit erlangen und sich mit neuen Strukturen und Regelungen anfreunden können.
- Wertschätzender Umgang: Das ist eine schwierige Aufgabe während der Trennung, und doch möglich. Er setzt allerdings eine hohe Reflektionsfähigkeit der Eltern voraus. Abwertungen und Beschimpfungen sind tabu. Die Kinder stehen in dieser Krise mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt.
Trennung oder Scheidung: So kommen Kinder mit der neuen Situation klar
- Eine feste, langfristige Beziehung und entsprechend gleich bleibende Bezugspersonen sind für Kinder sehr wichtig. Heute hier, morgen da – das verkraften sie nur, wenn sie sicher sein können, dass immer jemand verlässlich für sie erreichbar bleibt. Das sind meist die leiblichen Eltern. Es sollte feste Zeiten geben, zu denen besonders das kleine Kind mit den Eltern sprechen kann. Und sei es nur am Telefon.
- Es braucht Zeit, bis sich ein Kind an eine neue Lebenssituation gewöhnt hat. Statt ihnen die Trauer auszureden, sollten Mutter und Vater sie zulassen und die Kinder trösten, so gut es geht. Beziehungsaltlasten erschweren das ungezwungene Zusammensein.
- Schlimmstenfalls erinnern die Kinder ihre leiblichen Eltern an den Ex-Partner, den sie am liebsten aus ihrem Leben streichen würden. Schimpfsätze wie „Du benimmst dich wie dein Vater“ unbedingt vermeiden.
- Ein Kind möchte auch nach der Trennung die Nähe zu seinen leiblichen Eltern spüren. Und dabei gilt als Richtschnur die Fragestellung: Wird dies den Bedürfnissen des Kindes gerecht? Wird der Nachwuchs optimal geschützt, gefördert, herausgefordert und betreut?
- Wenn das Kind in einer Neu-Familie lebt, muss es auch dort klare Regeln geben, die für alle gelten. Kinder merken schnell, wenn sie die Eltern gegeneinander ausspielen können.
- Zur eigenen Rechtfertigung geben Mütter und Väter sich gerne der Illusion hin, dass in der zukünftigen Patchworkfamilie alles besser wird. Damit stellen sie hohe Erwartungen an sich selbst und an die Kinder. Der Druck, dass das Familienleben gelingt, ist in Patchworkfamilien viel höher als in normalen. Damit steigt die Fallhöhe. Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Ein realistisches „Wir probieren es mal und tun unser Bestes“ ist besser für alle Beteiligten.
- Erziehungsexperten raten Stiefeltern, sich vor allem anfangs im Umgang mit den neuen Kindern möglichst zurückzuhalten. Funktionierende Beziehungen entwickeln sich von allein und nicht auf Kommando.

Katia Saalfrank ist Diplom-Pädagogin und Musiktherapeutin.
Seit 2013 unterstützt sie als Schirmherrin der Bepanthen-Kinderförderung den Einsatz für sozial-benachteiligte Kinder in Deutschland. Bereits seit 2008 setzt sich die Bepanthen-Kinderförderung für Kinder ein und unterstützt die Arche e.V. mit Förderprogrammen und Spenden.
Mehr Infos: http://kinderfoerderung.bepanthen.de
Kostenlose Beratung
Um schwierige Situationen besser meistern zu können, bietet sich ein Gespräch mit Experten und Psychologen an. Neben den renommierten örtlichen Beratungsstellen, z. B. von pro familia, bietet das Portal des österreichischen Ministeriums für Familie und Jugend viele gute Tipps: www.familienberatung.gv.at/ eltern-sein/patchwork-familien
Auch eine anonyme telefonische Beratung ist möglich: Telefon 0800/24 02 62
Autorin: Stephanie Albert