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Bonusfamilien: Tipps, wie es funktioniert!

Zusammengewürfelte Familien haben es nicht immer leicht. Davon weiß unsere Autorin ein Lied zu singen. Doch sie hat Tipps für ein wohlwollendes und freudvolles Miteinander entwickelt.

Bonusfamilien können ein echter Gewinn sein, wenn sich alle gut miteinander verstehen. © Foto: Getty Images/Flashpop
Bonusfamilien können ein echter Gewinn sein, wenn sich alle gut miteinander verstehen.

"Patchwork ist viel schwieriger, als ich gedacht habe." Irgendwann steht ihr als Stiefelternteil da und merkt, dass ihr genau das denkt. Wann das der Fall ist und wie lange ihr schon in der neuen Konstellation lebt, ist egal. Auch, wer daran "schuld" ist, spielt keine Rolle. Ihr stellt einfach fest, dass es eben nicht so leicht klappt, wie ihr gedacht habt.

Ich weiß genau, wie ihr euch fühlt, denn ich bin selbst Mutter und Stiefmutter von "zwei Bauchkindern und einem Bonuskind". Ich erinnere mich noch gut an eine Situation an einem der ersten Umgangswochenenden vor mehr als zehn Jahren mit meinem Bonussohn. Damals bin ich mitgefahren, um ihn zu seiner Mama zu bringen. Während mein Partner mit ihm ins Haus gegangen ist, habe ich im Auto gewartet – und musste weinen.

Mir gingen so viele Gedanken durch den Kopf: Die Zeit mit dem Jungen war anstrengend gewesen, ich war erleichtert, dass er jetzt wieder weg ist, und hatte gleichzeitig ein schlechtes Gewissen. So was darf man doch nicht denken – er ist ja noch ein Kind. Mein Partner kam zurück, sah, dass ich geweint hatte, und konnte es einfach nicht verstehen. Das war so ein Moment, in dem ich gemerkt habe: Ich hätte mir Patchwork nicht so schwierig vorgestellt.

Du wusstest doch, dass er ein Kind hat

Es gibt kaum eine Stiefmutter, die diesen Spruch noch nicht gehört hat! Dabei ist dieser Satz einfach nur frech. Als ob die reine Sachinformation, dass der neue Partner ein Kind hat, irgendetwas erklärt. Wie sich das anfühlt, welche konkreten Konfliktsituationen daraus entstehen können, warum es trotzdem manchmal schwer ist – all das hat nach diesem Satz gefühlt keine Daseinsberechtigung mehr. Und genau deshalb ist er so unfair.

Er ist scheinbar die Begründung für absolut ALLES, was jemals passiert, und nimmt komplett die Berechtigung, ein Problem zu thematisieren. Die Vorstellung davon, wie es sein würde, Kinder zu haben, hat selten etwas mit der Realität zu tun, wie viele Eltern nach der Geburt feststellen. Und genauso wenig vorstellbar ist es, ein Bonuskind zu haben.

Eine befreundete Patchworkmama hat es mal sehr treffend formuliert: "Man würde nie zu jemandem, der eine ‚klassische‘ Beziehung hat, sagen: ‚Du wusstest doch, dass er Eltern hat. Dein Problem, wenn du jetzt nicht damit klarkommst, dass die bei euch einziehen, gepflegt werden müssen oder dauernd vor der Tür stehen.'"

Das ganze Chaos entsteht wegen der Liebe

Liebe bewirkt zunächst, dass wir denken: "Das kann doch alles nicht so schwer sein, das kriege ich schon hin." Irgendwann holt uns dann die Realität ein, und wir fragen uns, ob es wirklich das ist, was wir wollen. Früher waren Frauen nach der Hochzeit ihrem Ehemann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Heute dürfen wir uns aussuchen, mit wem wir verheiratet sein wollen. Wir können ohne Trauschein Kinder bekommen, und wir können uns von unserem Partner wieder trennen. Wir dürfen Männer und Frauen lieben, wir können mit unterschiedlichen Partnern Kinder haben oder auch ganz ohne Beziehung. Kinder leben bei verschiedenen Elternteilen, haben Halb-, Stief- und Adoptivgeschwister.

Familie ist inzwischen so bunt wie eine Decke, an der immer wieder neue Stoffe mit verschiedenen Mustern angenäht wurden. Das bedeutet Patchwork: Wir dürfen uns aussuchen, was für uns Familie ist.

Wie es mit den Bonuskindern entspannter laufen kann

  1. Nehmt Dinge nicht persönlich. Wie andere sich verhalten, sagt etwas über sie und ihre eigenen (unerfüllten) Bedürfnisse aus und hat nichts mit euch zu tun. Versucht immer, einen guten Grund hinter dem Verhalten zu finden.
  2. Seid vorsichtig mit Labels. Wenn man erst mal in eine Schublade gesteckt wurde, ist es schwierig, da wieder herauszukommen. Unser Gehirn schickt uns immer wieder Bestätigungen für die vorgefasste Meinung und bewertet Verhalten oder Ereignisse durch diesen Filter. Das gilt für die "böse Stiefmutter" genauso wie für den "kleinen Satansbraten" oder die "Else" (eine häufige Bezeichnung für die leibliche Mutter).
  3. Übernehmt die Verantwortung für eure eigenen Gefühle. Es ist nicht die Aufgabe der anderen, euch glücklich zu machen. Im Gegenzug seid ihr auch nicht dafür zuständig, ständig deren Bedürfnisse zu erfüllen.
  4. Streicht die Fragen "Wer hat recht?" und "Wer hat Schuld?" aus eurem Denken. Sucht vielmehr gemeinsame Lösungen, die die Anliegen aller mit einbeziehen. Nicht im Sinne von Entweder-oder, sondern im Bereich Sowohl-als-auch.
  5. Das Leben verändert sich, Kinder werden größer, bestimmte Dinge werden wichtiger oder verlieren ihre Bedeutung. Es lohnt sich, für neue Entwicklungen offen zu bleiben und immer mal wieder zu schauen, ob die gefundenen Lösungen noch zur aktuellen (Interessen-)Lage passen.
  6. Kommunikation ist der Schlüssel zu gegenseitigem Verständnis, wenn sie wertschätzend und verbindend ist. Auf die Haltung kommt es an: Der/die andere ist nicht "der Feind" und nicht mutwillig böse. Jeder kann beginnen, es anders zu machen.
  7. Jeder sorgt als Erstes gut für sich und übernimmt die Verantwortung für seine eigenen Grenzen. Nicht umsonst soll man sich beim Druckverlust im Flugzeug zuerst selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen, bevor man anderen hilft. Denn: Nur aus einer vollen Schale könnt ihr anderen etwas geben.

Patchworkfamilien in Deutschland

Mama, Papa und zwei Kinder – viele Haushalte passen heutzutage nicht mehr in dieses Schema. Rund 450.000 Paare geben sich aktuell jährlich das Jawort. Die Scheidungsrate ist zwar seit 2003 von über 50 Prozent kontinuierlich gesunken – doch seit 2018 gibt es wieder einen Aufwärtstrend. Aktuell geht etwa jede dritte Ehe auseinander. Die Zahl der Scheidungen während der Pandemie ist noch nicht erfasst. Fest steht aber: In ungefähr der Hälfte der Trennungen sind Kinder involviert. Diese leben in 95 Prozent der Fälle nach der Scheidung bei ihrer Mutter. Laut Bundesministerium lassen sich Stieffamilien in amtlichen Statistiken schlecht abgrenzen. Deshalb gibt es keine verlässlichen Aussagen zur Verbreitung von Patchworkfamilien in Deutschland. Aktuell geht man davon aus, dass etwa sieben bis 13 Prozent aller Familien in Deutschland ein Patchworksystem leben. Die tatsächliche Zahl ist aber vermutlich höher.

Autorin: Marita Strubelt

Unser Buch-Tipp zum Weiterlesen: "Patchwork Power! So wird die Sache mit der Bonusfamilie zum echten Bonus"

Der Begriff "Stiefeltern" ist längst durch "Bonuseltern" ersetzt worden. Die Bonusfamilie wird dadurch allerdings nicht automatisch zum gefühlten Bonus. Dafür braucht es einen Perspektivwechsel, Commitment und Lösungen auf Augenhöhe. In ihrem Buch "Patchwork Power! So wird die Sache mit der Bonusfamilie zum echten Bonus" (Migo in Kooperation mit Leben & erziehen) zeigt Patchwork-Familien-Expertin Marita Strubelt, wie Patchwork gelingen kann. Sie führt lösungsorientiert durch das Familien-Wirrwarr und nimmt die Leser Schritt für Schritt mit zu dem Patchworkfamilienleben, das sie sich immer gewünscht haben.

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