Aufgepasst!

Nina Grimm: Das sind die 7 typischen Elternfehler beim Streiten

Ab und zu kracht es in jeder Beziehung. Das ist ganz normal. Und meistens tappen wir immer wieder in dieselben Fallen. Vorsicht aber, wenn Kinder zwischen die Fronten geraten. Wie wir klassische Fehler vermeiden können, weiß unsere Gastautorin, die Familienpsychologin und Zweifach-Mama Nina Grimm.

Eine Mutter mit Baby auf dem Arm streitet sich mit ihrem Mann.© iStock/chameleonseye
Richtig streiten ist nicht immer leicht – besonders wenn die Gefühle zwischen Eltern hochkochen. 

Es ist eine Königsdisziplin für alle Eltern: Streiten. Richtig streiten. Und zwar so, dass es den Kindern nicht schadet, sondern vielleicht sogar nutzt. Denn Streit gehört zu Beziehungen dazu. Wenn wir es als Eltern richtig angehen, können unsere Sprösslinge von unserem Modell viel Wichtiges lernen. Andernfalls leider viel Ungutes. Ganze 73 Prozent des kindlichen Verhaltens sind eine Imitation von dem, was sie bei uns Eltern beobachten. Wenn also Türen knallen, Schimpfworte und Teller fliegen, oder Wut und Frust immer unterdrückt werden, ist das die Blaupause für die Streitkultur unserer Kinder. Das ist nicht das, was wir uns für sie wünschen, oder? Wie es besser geht, lest ihr hier.

1. Fehler: Unter Zeitmangel streiten

Wir Eltern haben wenig Zeit. Und der Familienalltag ist voller Tretminen, die wie aus dem Nichts auftauchen: Papa erzählt am Frühstückstisch, dass er noch einen Termin reinbekommen hat, und deswegen den Kleinen nachmittags nicht zum Schwimmen bringen kann. Mama ist genervt, weil sie ihren Nachmittag schon geplant hatte und wieder verschieben muss. Und schon fliegen die Fetzen. Ein Streit zwischen Tür und Angel. Das könnt und solltet ihr einfach bleiben lassen, denn mit aufgeheizten Emotionen wird man keinen Konflikt konstruktiv lösen.

Besser: Auch wenn's schwerfällt: Vertagt die Konfliktklärung! Lasst die Emotionen erst einmal abkühlen und schafft einen guten Rahmen für ein konstruktives Gespräch. Legt dafür einen konkreten Termin pro Woche fest und sammelt die Themen, die sich zwischen Tür und Angel ergeben, am besten schriftlich. Das hilft, das Thema für den Moment loszulassen.

2. Fehler: Vorwürfe und Sticheleien

"Hast du schon wieder die Milch vergessen?" oder "Ach, bist du auch schon da, ja?" Seitenhiebe wie diese kommen meistens aus einer Verletzung heraus. Hinter dem Meckern über die vergessene Milch steckt der Schmerz, dass zu viel auf der eigenen Schulter lastet, und nicht mal so ein kleiner Gefallen wie Milch mitzubringen erfüllt werden kann. Wir fühlen uns nicht wertgeschätzt, zurückgesetzt, ausgenutzt oder übergangen. Da das schmerzhafter ist als Hohn, sticheln wir. Das aber führt nur zu noch mehr Verletzung beim anderen, der sich dann zurückzieht oder auch noch einen drauf setzt. Bye-bye konstruktives Gespräch, denn so haben wir innerhalb von wenigen Sätzen ganz viel destruktiven Mist.

Besser: Lassen! Vorwürfe und Sticheleien bringen nichts. Wer das weiß und ernst nimmt, kann miteinander darüber reden, worum es wirklich geht: "Ich bin total am Limit, und dass jetzt auch noch die Milch für morgen fehlt, macht mich gerade fix und fertig. Ich kann nicht mehr." Oder: "Ich bin ganz schön unter Druck, wenn du erst so kurz vor meinem Termin nach Hause kommst." Wenn wir beginnen, uns wirklich zu zeigen, kann unser Gegenüber auch sehr viel besser darauf eingehen, statt damit beschäftigt zu sein, unseren Angriff abzuwehren.

3. Fehler: Gefühle ignorieren

In vielen Köpfen spukt der Mythos, dass Kinder es nicht mitbekommen sollten, wenn Eltern starke Gefühle wie Wut oder Trauer haben. Der Punkt ist aber, dass Kinder die Spannung mitbekommen. Tatsächlich ist es dann für die Kinder sehr belastend, wenn spürbar etwas im Argen ist, aber so getan wird, als wäre nichts.

Besser: Benennt euer Gefühl offen und ehrlich, und fügt einen zentralen Nebensatz hinzu: Nämlich, dass das euer Gefühl ist, und damit auch eure Verantwortung. Dass ihr euch darum kümmert – und dass das nicht die Aufgabe der Kinder ist.

4. Fehler. Triggerthemen

Jedes Elternpaar hat diese Themen, bei denen mindestens eine oder einer jedes Mal getriggert ist – was regelmäßig zu Eskalationen führt. Das ist an und für sich schon nicht so schön. Richtig problematisch wird es, wenn ihr immer wieder unkontrolliert in diese Dynamik hineinrutscht, auch vor den Kindern.

Besser: Setzt euch zusammen und listet eure heißen Eisen auf. Über diese Themen solltet ihr nicht vor den Kindern streiten. Wenn das Thema aufkommt, vertagt das Gespräch darüber. Vereinbart dafür ein Exit-Codewort: Wenn einer merkt, dass das Thema aufkommt und Fahrt aufnimmt, erinnert ihr euch mit dem Codewort daran, dass ihr diese Form von Konflikt euren Kindern nicht zumuten möchtet.

5. Fehler: Streitend schlafen gehen

Ein worst case für Kinder ist, wenn abends ein Konfliktthema zwischen den Eltern offen bleibt: Wenn Papa wutschnaubend aus dem Zimmer rennt und Mama weinend mit den Kindern zurückbleibt – das macht ihnen Angst, und bringt sie automatisch in eine Verantwortung, in der sie nicht sein sollten; sich jetzt beispielsweise um Mama kümmern zu müssen.

Besser: Es ist wichtig, einen Konflikt zu beenden, solange die Kinder anwesend sind. Das muss nicht bedeuten, dass man alles geklärt hat, und sich versöhnt haben muss. Es könnte auch heißen: "Oh, da ist gerade viel Zunder in dem Thema. Lass uns das später klären". Dann ist für ein Kind der emotionale Streit beendet. Und das ist das Wichtigste fürs Kind.

6. Fehler: Vor den Kindern über die Kinder streiten 

Die häufigsten Konflikte zwischen Elternpaaren ergeben sich durch die geteilte Erziehungsaufgabe. Kinder bis sieben Jahre suchen entwicklungspsychologisch bedingt die Schuld für den Streit der Eltern bei sich. Wenn dann der Inhalt des Streits auch noch sie selbst sind, hat es für die Kids doppelt und dreifach so viel Wumms!

Besser: Setzt bitte diese Themen auf die Heiße-Eisen-Liste. Die Klärung wird vertagt, wann immer es darauf kommt.

7. Fehler: So tun, als wären die Kinder nicht da 

Wenn die Gefühle hochkochen, kommen wir meistens in einen Tunnel, in dem wir rechts und links nichts mehr sehen – auch unsere Kinder nicht. Gerne fallen dann gegenüber den Kindern Sätze wie: "Misch dich da nicht ein!" oder "Das ist ein Thema zwischen uns!". Das darf es sein, aber dann solltet ihr es auch nicht vor den Kindern klären.

Besser: Vor den Kindern nur das besprechen, bei dem sie theoretisch auch mitreden könnten.

Und noch ein Tipp zum Schluss zum richtigen Streiten: Es ist nicht schlimm, wenn einer dieser Fehler passiert. Denn nicht nur wir als Individuum können aus Fehlern lernen, sondern auch die gesamte Familie. Wenn ein Streit also mal total gegen die Wand gefahren ist, kann das der perfekte Aufhänger sein, um gemeinsam darüber zu sprechen, was schief gelaufen ist. Und was man gemeinsam ab sofort anders machen möchte. Wenn wir es schaffen, aus unseren Fehlern zu lernen, können sie zum Treibstoff für ein glückliches Miteinander werden.

Unsere Expertin

Nina Grimm© privat

Nina Grimm ...

... ist Familienpsychologin und Verhaltenstherapeutin aus Freiburg, hat selbst eine Tochter und einen Sohn. Ihr neues Buch "Wie ihr euch nicht umbringt, wenn ihr Eltern seid" (240 Seiten) ist bei GU erschienen.

Mehr Infos: ninagrimm.de