
Bitte ohne Stützräder starten
Während noch vor einigen Jahrzehnten Stützräder gang und gäbe waren, sind diese inzwischen fast komplett vom Markt verschwunden. Und das ist gut so. "Wir verkaufen keine Stützräder mehr. Wenn jemand nach Stützrädern verlangt, rate ich ihnen davon ab", so Willi Wigger, Fahrradverkäufer aus Hamburg. "Die Kinder sollten lieber gleich lernen, die Balance richtig zu halten. Dann dauert es vielleicht am Anfang ein paar Stunden, dafür sind die Kinder anschließend aber umso sicherer."
Welches Alter sollten Kinder haben?
Laufräder oder zweirädrige Roller, auch Scooter genannt, sind eine gute Möglichkeit, schon im Alter von etwa zwei Jahren das Gleichgewicht, die Koordination und die Gewichtsverlagerung auf zwei Rädern zu erlernen. Der Umstieg auf ein richtiges Fahrrad klappt später dann in der Regel sehr schnell. Lediglich das Treten mit Pedalen sowie das Anfahren und Bremsen (mit Handbremsen oder Rücktritt) müssen noch gelernt werden. Das funktioniert beim Umstieg vom Laufrad aufs Fahrrad aber häufig schon innerhalb von etwa einer halben Stunde.
Doch woher wissen wir, ob unsere Kinder bereit sind, das Fahrradfahren zu lernen? Am wichtigsten ist, dass sie selbst es wollen. Und das werden sie schon zum Ausdruck bringen, wenn es so weit ist. Meistens merken Kinder selbst, wann sie motorisch dafür bereit sind. Beziehungsweise erst wenn ihre körperliche Entwicklung entsprechend weit ist, verspüren sie auch die Lust darauf, das Fahrradfahren zu lernen. Und dieser Zeitpunkt ist bei jedem verschieden. Wir sollten unseren Nachwuchs also keineswegs drängen oder Druck ausüben. Spätestens zum Schulstart können die meisten Kinder Fahrrad fahren.
Der geeignete Ort
Für die ersten Fahrversuche ist ein freier Platz, beispielsweise ein Sportplatz oder ein Schulhof, optimal, um ungestört und entfernt vom Autoverkehr zu üben. Auch ein großer Parkplatz nach Geschäftsschluss, ein Park oder ein Innenhof sind geeignete Orte. "Am besten ist es, wenn andere Kinder in der Nähe sind. Dann entwickelt das Kind einen Ehrgeiz, will nachmachen, was es sieht, und lernt schnell", so Wigger. "Trauen wir den Kindern etwas zu. Sie dürfen auch mal hinfallen, das gehört dazu." Aufgrund der geringen Fallhöhe und der niedrigen Geschwindigkeit passiert bei solchen Stürzen meistens nichts Ernstes.
Insgesamt hilft es unseren Kindern, wenn wir sie positiv unterstützen und vor allem geduldig sind. Anfangs können wir noch an der Schulter oder am Rücken des Kindes anfassen, um gefühlte Stabilität zu bieten und den ersten Schwung zu geben. Aber vorm Loslassen vorwarnen, da sonst Sturzgefahr besteht. Und das Kind darauf hinweisen, immer nach vorne zu schauen. Nach einigen Versuchen fährt das Kind dann auf einmal ganz alleine.
Aufgepasst: Sicherheit geht vor
Doch Vorsicht im Straßenverkehr! Bis die Kleinen sicher ausweichen können und den notwendigen Überblick entwickeln, dauert es einige Jahre. Aus diesem Grund dürfen Eltern zunächst auch noch mit auf dem Fußweg fahren. Kinder bis acht Jahre MÜSSEN auf dem Gehweg fahren, bis zehn Jahre DÜRFEN sie es. Ab zehn Jahren müssen sie auf der Straße oder dem Radweg fahren. Beim Überqueren von Straßen sollten Kinder absteigen und das Rad schieben.
Eine Helmpflicht gibt es nicht, aus Sicherheitsgründen empfiehlt es sich aber, einen Helm zu tragen. Was inzwischen die meisten Kinder zum Glück auch tun. Im Alltag gehen wir Eltern am besten als gute Vorbilder voran. Einfach mal das Auto stehen lassen und öfter mit dem Fahrrad unterwegs sein. Mit der richtigen Kleidung und Beleuchtung kann man auch bei Regenwetter Rad fahren.
So macht Fahrradfahren lernen Spaß
Selbst bei erfahreneren Radfahr-Kindern kommt es weiterhin auf die Motivation an: Wenn Kinder etwas Schönes mit dem Fahrradfahren verbinden, haben sie Spaß daran. Und dafür können wir Eltern sorgen, indem wir beispielsweise gemeinsame Ausflüge mit genügend Zeit einplanen. Es ist nicht schlimm, wenn es etwas länger dauert, weil das Kind jetzt selbst fährt. Diese Zeit sollten wir uns nehmen. "Eltern dürfen ruhig etwas entschleunigen, das kommt allen Familienmitgliedern zugute", meint auch der Fahrradverkäufer. Wir können uns sogar bei unseren Kindern etwas Gelassenheit abgucken und uns bewusst darauf einlassen, um selbst aus dem alltäglichen Hamsterrad rauszukommen. Eine Tour zum Badesee mit Picknick oder ein Stopp am Eiscafé bedeutet echte Strampel-Motivation für Kids.
Autorin: Irlana Nörtemann