Zu Hause bleiben oder ab zum Arzt?

Notfallmedizinerin appelliert an Eltern: "Hört bei einem kranken Kind auf euer Bauchgefühl!"

Bei einem kranken Kind sorgen sich die Eltern immer, klar! Aber wann ist es an der Zeit, zum Arzt oder sogar in die Klinik zu fahren? Eine Ärztin plädiert dafür, dass Eltern ein ungutes Bauchgefühl nicht ignorieren sollten! 

Eine Mutter steht mit ihrem Baby auf dem Arm in der Notfallambulanz.© iStock/SDI Productions
Eltern sollten einen Arzt aufsuchen, wenn sie ein ungutes Gefühl bei ihrem Kind haben. 

Freitagabend, 18.30 Uhr: Das Baby fiebert. 39,6 Grad. Die Eltern sitzen daneben, machen sich Sorgen. So schlapp haben sie ihr Baby noch nie erlebt. Ist es eine normale Erkältung oder steckt doch mehr dahinter? Der Kinderarzt hat schon geschlossen. Aber "nur" mit Fieber in die Klinik fahren? Ist das nicht ein wenig übertrieben? Die Eltern sind unsicher, wünschen sich Hilfe. Aber im Krankenhaus werden doch eigentlich nur Notfälle behandelt. Und natürlich wissen sie auch, wie überlastet die Ärzte/innen sind. Als sie dann jedoch noch einen seltsamen Hautausschlag bei ihrem Baby entdecken, hören sie auf ihr Bauchgefühl und fahren in die Notaufnahme. 

Und das ist genau richtig! Sagt auch die Notfallmedizinerin Dr. med. Katharina Rieth. "Kinder können sich je nach ihrem Entwicklungszustand nämlich noch nicht zu ihrem Gesundheitszustand äußern. Der Fremdanamnese kommt somit eine entscheidende Rolle zu." Die Mediziner gehen nach einem genauen Schema, um zu beurteilen, wie ernst die Lage ist. "Aber daneben ist das Bauchgefühl der Eltern eines der wichtigsten Tools, um Kinderleben zu retten!"

Eltern haben oft einen siebten Sinn für ihr Kind 

Auf LinkedIn hat die Medizinerin einen tollen Post veröffentlicht. Sie möchte Eltern damit ermuntern, auf ihr Bauchgefühl zu hören. Und ihren Arzt-Kollegen/innen nahe legen, die Hinweise der Eltern ernst zu nehmen.   

Sie schreibt: "Eltern kennen bestimmte Symptome oder Warnsignale nicht, meistens haben sie nur den Eindruck, dass etwas mit ihrem Kind 'nicht stimmt'! Dafür kennen sie aber die 'Marotten' ihrer Kinder in der Regel sehr gut, wissen genau, dass sich 'der Junge sonst nie freiwillig mittags hinlegt', 'das Mädchen niemals nachts ständig auf die Toilette geht' oder "sich das Baby üblicherweise regelmäßig selbst zu den Mahlzeiten meldet!"

Ihr Appell:

  • Liebe Kollegen/innen, hört genau hin, wenn Eltern ihre Sorgen ums Kind schildern und geht dem Problem auf den Grund. 
  • Liebe Eltern, lasst euch nicht 'abwimmeln', wenn ihr selbst ein ungutes Gefühl bei eurem Kind habt, sondern stellt es uns vor. Wir werden euch den Kopf nicht dafür 'abreißen'.

Warum es so schwierig sein kann, Babys oder Kinder medizinisch richtig zu beurteilen

Kinder können – je nach Alter – noch nicht mitteilen, was ihnen fehlt, wo und wie es genau wehtut. Hinzu kommt, dass Kinder anatomische, physiologische und emotionale Besonderheiten im Vergleich zu Erwachsenen haben. Landen Kinder in der Notaufnahme dann vielleicht nicht bei einem Spezialisten, kann die klinische Untersuchung laut Dr. Rieth "insbesondere für Ungeübte zur Herausforderung werden."

Hier ein paar Beispiele:

Weinen kann viele Ursachen haben: Hunger, eine volle Windel, Nähebedürfnis, Aufmerksamkeit, Trotz, zu warm eingepackt, unbequeme Lagerung bis hin zu Schmerzen ernsthafter Ursache.
==> Doch wann ist Weinen schlimm? Hellhörig sollte man immer dann werden, wenn sich das Neugeborene nicht mehr durch die bisher bewährten Maßnahmen beruhigen lässt, völlig unruhig und berührungsempfindlich ist und besonders schrill schreit. 
Kommen dann noch Symptome wie Trinkschwäche, eine gespannte Fontanelle im Liegen, eine blass-marmorierte Haut, Einblutungen oder ein aufgedunsener Bauch hinzu, kann eine Sepsis beziehungsweise Meningitis drohen. 

Auch Bauchschmerzen sind ein häufiges Symptom. In der Regel harmlos und mit einfachen Maßnahmen wie Wärme, Bauchmassage, Zuneigung und ausreichenden Trinkmengen gut zu beherrschen. 
==> Halten die Beschwerden aber trotz der oben genannten Maßnahmen an und treten zusätzlich Warnsignale wie Gewichtsabnahme, vermehrtes Wasserlassen, gesteigerte Trinkmengen und Schlappheit auf, kann dies auch mal auf die Erstmanifestation einer Diabetes hinweisen. 

Auch Fieber ist zunächst einmal keine Krankheit, sondern nur ein Symptom und hat den Zweck, Krankheitserreger im Körper abzutöten. 
==> Ist das Kind jedoch trotz Fiebersenkung zunehmend apathisch und nicht mehr in der Lage, genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, sollten die Alarmglocken schrillen, um keine Sepsis zu übersehen. 

Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, jede noch so kleine Auffälligkeit mitzuteilen und untersuchen zu lassen. Vielleicht kann sie lebensrettend sein! 

Unsere Expertin

Dr. med. Katharina Rieth ist beim Deutschen Institut für Katastrophenmedizin angestellt und arbeite als Kinder- & Notärztin in Südwürttemberg und Nordbaden. Daneben arbeitet sie als Dozentin, Podcasterin und Autorin. 
In ihrem Buch "Fit für den Kindernotfall - von Fieber bis Reanimation" gibt sie Eltern essentielle Handlungsanweisungen und präzise Anleitungen für das Verhalten in Notfallsituationen mit Kind. Zusätzlich ist sie Expertin des Kindernotfall-ABC-Onlinekurs bei mapadoo.