
Ob eine Tür zuknallt oder ein Polizeiauto mit lauter Sirene vorbeifährt – normalerweise zeigen schon Babys eine Reaktion. Und wenn nicht, freuen sich die Eltern mitunter über ein ausgeglichenes Temperament und schreiben die mangelnde Reaktion auf Geräusche dem Charakter zu. Da eine sprachliche Kommunikation noch nicht möglich ist und Babys nicht nach ihren Höreindrücken befragt werden können, ist es für Eltern schwer bis unmöglich, herauszufinden, ob jedoch ein Hörfehler dahintersteckt. Es können daher Monate oder sogar Jahre vergehen, bis durch verzögerte Sprachentwicklungen und die damit verbundenen Probleme im Sozialverhalten den Eltern ein Hörfehler auffällt und dieser behandelt wird.
Rechtzeitig handeln
Etwa eins bis drei von 1.000 Kindern in Deutschland kommt mit einem Hörfehler zur Welt, den Eltern oft erst sehr spät bemerken. In vielen Fällen wird das Problem sogar erst im zweiten oder dritten Lebensjahr erkannt – mit fatalen Folgen, denn gerade die ersten Lebensmonate sind die wichtigste Phase für die Hör- und Sprachentwicklung.
Obwohl der Embryo bereits im dritten Entwicklungsmonat ein ausgebildetes Hörorgan besitzt, kann er weder im Mutterleib, noch direkt nach der Geburt in dem Sinne hören, dass er den Schall angemessen verarbeitet. Erst durch die akustischen Reize in den ersten Lebensmonaten entwickeln sich die Nervenverbindungen zwischen Gehirn und Innenohr. Dieser Vorgang ist jedoch nach rund eineinhalb Jahren abgeschlossen.
Wird die Hörstörung nach diesem Zeitpunkt festgestellt, kann das Kind das Sprechen nicht richtig erlernen, was auch negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Lern-, Sozial- und emotionalen Verhaltens mit sich ziehen kann.
Folgeschäden vorbeugen
Mithilfe von Hörtests bei Neugeborenen lässt sich unkompliziert und innerhalb weniger Minuten feststellen, ob mit dem Gehör des Babys alles in Ordnung ist. Diese frühzeitige Diagnose von Hörschädigungen ist von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Behandlung und die weitere Entwicklung des Kindes. Wird eine Schwerhörigkeit oder sogar eine Taubheit festgestellt, lässt sich dies in vielen Fällen – ohne großen Aufwand und mit gutem Ergebnis – mit digitalen und kindgerechten Hörsystemen (sogenannten „Hinter-dem-Ohr-Systemen“) therapieren. In schweren Fällen kann eine Operation helfen. Leichte, infektbedingte Hörminderungen lassen sich auch medikamentös behandeln.
Der bundesweit angebotene Hörtest, das sogenannte Neugeborenenhörscreening, ist eine Kassenleistung und seit 2009 in Geburtskliniken Pflicht. Mit dem Ziel, einem Leben mit Folgeschäden vorzubeugen. Denn eine frühzeitige Behandlung und Versorgung von Hörschäden bildet die Grundlage für eine altersgemäße Sprachentwicklung. So können die meisten Kinder mit einem verminderten Hörvermögen ein normales Leben führen, die gewünschte Schullaufbahn einschlagen und haben die gleichen Chancen im Leben wie ihre hörenden Altersgenossen.
Erste Signale – so erkennen Eltern, ob ihr Kind richtig hört
Dr. Ellen Lundershausen, Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten/Allergologie, Audiologin/Neurootologin in Erfurt und Vizepräsidentin des HNO-Berufsverbandes, gibt Eltern Tipps, wie sie das Hörverhalten ihrer Kinder richtig einschätzen können:
1 bis 2 Monate
Erschrickt der Säugling bei plötzlichen, lauten Geräuschen, zum Beispiel dem Zuknallen einer Tür? Erzeugt er Geräusche wie Lachen, Gurren, Gurgeln und lässt sich durch Stimmen beruhigen?
3 bis 4 Monate
Bewegt das Baby die Augen Richtung Schallquelle? Brabbelt es in verschiedenen Tonhöhen? Reagiert es auf Stimmen?
6 bis 10 Monate
Sucht das Kind die Schallquellen? Horcht es auf Musik? Reagiert es auf seinen Namen? Plappert es zweisilbige Laute und produziert modulierte Töne? Entwickelt es Verständnis für häufig benutzte Wörter, zum Beispiel „Nein“?
10 bis 12 Monate
Reagiert das Kind auf leises Ansprechen aus einigen Metern Entfernung? Kann es auch hinter ihm liegende Schallquellen entdecken? Ist das Kind auffallend stiller als seine Altersgenossen? Imitiert es einfache Klänge, Wörter, Vokale, Konsonanten, Geplapper? Zeigt es auf Gegenstände und Personen, wenn es dazu aufgefordert wird?
12 bis 24 Monate
Reagiert das Kind auf geflüsterte Anweisungen und auf Rufe aus dem Nachbarraum? Spricht es erste Wörter und versucht vorgesagte Wörter zu wiederholen? Befolgt es einfache Anweisungen ohne optischen Hinweis? Wippt oder wiegt es im Rhythmus von Musik?
Achtung:
Auch bei gut hörenden Kindern, kann durch Krankheiten wie Masern, Mumps, Röteln, Keuchhusten, Windpocken oder eine Infektion des Mittelohres im Laufe der Kindheit ein Hörschaden entstehen. Schon bei geringsten Zweifeln an der Hörfähigkeit des Kindes sollte man daher einen Facharzt aufsuchen.