
Unsere Zwillinge Elli und Theo waren grob geschätzt gerade mal 18 Monate alt, als sie mir verklickerten, dass sie große Schiffe ziemlich gut finden. Wir hatten ein Wimmelbuch über diverse Wasserfahrzeuge – und an dieser einen Seite mit dem Kreuzfahrtdampfer blieben wir immer wieder hängen. Die Papp-Klappen zum Pool auf dem Deck, dem Theater im Mittelteil des Schiffes und vor allem die zum Maschinenraum wurden gefühlte tausend Mal geöffnet.
Entsprechend groß war die Freude, als ich 2020 tatsächlich eine Kreuzfahrt für uns buchte. Doch weil wir quasi mit Beginn des ersten pandemiebedingten Lockdowns das Schiff betraten, war die Reise schneller zu Ende als wir Ahoi rufen konnten. Fast drei Jahre vergingen; jetzt holten wir den Urlaub auf hoher See endlich nach.
Und ja: Meine Bedenken waren aus vielerlei Gründen groß. Falls es euch ähnlich geht, helfen euch die folgenden Zeilen vielleicht, in denen ich meine Vorurteile aufgeschrieben habe – und erzähle, was aus ihnen geworden ist.

Vorurteil 1: Kreuzfahrten sind was für Rentner
Längst nicht mehr. Im Jahr 2020 waren lediglich 34 Prozent aller Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen über 60 Jahre alt – demnach sind zwei Drittel der Reisenden jünger, der Anteil der Kinder macht durchschnittlich immerhin 13 Prozent aus. Und: In den Ferien schießt diese Zahl ordentlich in die Höhe. Als wir in Palma de Mallorca auf der Aida Cosma einchecken, sehen wir fast ausschließlich Familien. Elli und Theo freunden sich mit drei anderen Kindern an, noch bevor der Urlaub überhaupt beginnt. Ab diesem Moment wird kein Tag vergehen, an dem sie nicht zu fünft spielen (oder schwimmen oder toben oder Eis essen ...). Volltreffer: Sowohl Leonies Mama als auch die Mutter von Edda und Insa sind (wie ich) ohne Mann an Bord. Unsere kleine Reisegruppe steht!

Vorurteil 2: Kreuzfahrten mit Kindern sind gefährlich
Mein erster Panik-Gedanke war tatsächlich: Können die Kinder irgendwo runterfallen? Keine Sorge: Alle Bereiche, in denen es auch nur theoretisch möglich wäre zu klettern, sind mit hohen Wänden aus Plexiglas gesichert. Bei miesem Wetter und wildem Seegang dürfen die Passagiere nicht auf die Freidecks. Dass Wind oder Wellen die Minis von Bord fegen, ist demnach extrem unwahrscheinlich. Und falls ihr (wie ich) zu oft Titanic gesehen habt oder noch immer die Bilder der Costa Concordia im Kopf habt, hilft Statistik: Im Straßenverkehr sterben laut WHO jährlich mehr als eine Millionen Menschen – durch havarierte Kreuzfahrtschiffe waren es 2022: null. Mann-über-Bord-Manöver gibt es weltweit rund 20 pro Jahr.

Vorurteil 3: Für eine Familie kostet so eine Reise so viel wie ein Kleinwagen
Zugegeben: Für unsere erste Kreuzfahrt hatte ich monatelang gespart. Aber: Die Branche hat unter Corona massiv gelitten. Jetzt muss das Geld irgendwie wieder reinkommen. Und während so ziemlich alles teurer wird, gibt es Kreuzfahrten inzwischen mitunter zum Schnäppchenpreis – vor allem außerhalb der Ferien. Beispiel: Eine Innenkabine gibt es im Februar für eine Woche auf der Mittelmeerroute ab 698 Euro, die Balkonkabine kostet 1098 Euro. Kinder unter zwei Jahren reisen kostenlos mit, Kids bis 15 Jahren bekommen in einer Familienkabine 35 Prozent Ermäßigung.

Vorurteil 4: Jeden Tag woanders? Wie anstrengend!
Von Mallorca nach La Spezia, weiter nach Rom, Korsika und Barcelona: fünf Städte, drei Länder – und das alles in nur sieben Tagen. Klingt anstrengend? Ist es auch. Zumindest wenn man alles mitnimmt, was geht. Tatsächlich waren wir nach zwei Ausflugstagen (erst zum schiefen Turm von Pisa, dann Rom) platt und froh, einen Seetag zu haben. Und der brachte uns auf den Geschmack, es ruhiger angehen zu lassen: Auf Korsika sprangen wir nur einmal kurz (bei Regen!) ins Meer, aßen anschließend ein echtes französisches Croissant unter dunkelgrauen Wolken am Strand, das war's. Und weil wir Barcelona schon kannten, blieben wir hier einfach an Bord, gönnten uns u.a. eine Auszeit im (herrlich leeren) Spa.

Vorurteil 5: Buffet-Alptraum in der All-you-can-eat-Hölle
Ich war nie der Typ "Cluburlaub mit All-inklusive-Bändchen", und ich gestehe: Meine Angst vor Buffets mit XXL-Schlangen, vollgeladenen Tellern und kalten Pommes, die am Ende eh nur im Müll landen, war groß. Aber: Auf den meisten Kreuzfahrtschiffen gibt es mehr Restaurants, als wir Finger haben, bei uns waren es stolze 18 (!). Wir aßen Sushi und Fisch, auch mal Pizza und Burger, meist à la carte. Überall standen mehrere Kindergerichte zur Auswahl. Eine ganze Woche ohne ein einziges: "Mama, das mag ich nicht!". Verrückt, oder?

Vorurteil 6: Hilfe, Viren-Alarm!
Immer wieder gab es seit 2020 heftige Corona-Ausbrüche auf Kreuzfahrtschiffen. Inzwischen aber werden nicht mehr ganze Dampfer unter Quarantäne gestellt – stattdessen isoliert man infizierte Passagiere. Durch diverse Hygienemaßnahmen haben es dankenswerterweise auch Magen-Darm- Erkrankungen wie der Noro-Virus schwerer. Ich hatte zu jeder Mahlzeit etwas zum Händedesinfizieren dabei – wenn es eng wurde, trugen wir FFP2-Masken, ein bisschen Ab- und Verstand halfen. So flogen wir (im Gegensatz zu vielen anderen Mitreisenden) gesund wieder nach Hause. Für den Ernstfall gibt es übrigens auf jedem Kreuzfahrtschiff ein Bordhospital.

Vorurteil 7: Die Reedereien scheren sich einen Dreck um Umweltschutz
Stimmt bedingt: Die meisten Unternehmen entwickeln Strategien für nachhaltigere Antriebssysteme, ökologische Wasseraufbereitung und Müllvermeidung. Tatsächlich aber schippert ein Großteil noch mit Schweröl. Wir hatten uns für die Aida Cosma entschieden, weil sie zu den weltweit wenigen Kreuzfahrtschiffen zählt, die mit emissionsärmerem Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden. Außerdem haben wir kompensiert. Und trotzdem nagt dieser Punkt am Gewissen. Zumal sich der Preis von LNG durch die Gaskrise verfünftfacht hat und einige Reedereien aktuell aus Kostengründen doch wieder Diesel einsetzen – zumindest vorübergehend ...
Autorin: Claudia Weingärtner