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Wer bestimmt eigentlich, wohin die Familie verreist? Darf ich meinem Kind das Ballspielen im Haus verbieten? Muss ich ihm permanent sagen, was es zu tun und zu lassen hat oder sollte auch mein Kind mitentscheiden dürfen? "In einem vorgegebenen Rahmen ist es durchaus sinnvoll, Kinder mitbestimmen zu lassen, um ihre Autonomieentwicklung zu fördern", betont Erziehungsberaterin Dr. Martina Stotz aus München. Die Pädagogin verweist damit auf den demokratischen Erziehungsstil, der in immer mehr Familien, Schulen und Kitas inzwischen angekommen ist.
Was ist ein demokratischer Erziehungsstil?
Einfach erklärt treffen beim demokratischen Erziehungsstil Groß und Klein gemeinsam in der Gruppe Entscheidungen. Diese sozialpädagogische Form der Erziehung ist geprägt von Gleichheit und Sicherheit und öffnet einen Raum für Diskussionen, in dem jeder die Freiheit hat, den anderen zu hinterfragen. Das Ziel ist, Erziehung durch Mitbestimmung fair und kinderfreundlich zu gestalten und dabei selbstreflektiertes Handeln zu fördern. Der demokratische Erziehungsstil geht auf den deutsch-amerikanischen Psychologen Kurt Lewin zurück, der in den 1930er-Jahren seine Theorie über die drei großen Erziehungsstile Laissez-faire, autoritär sowie demokratisch formulierte.
Merkmale des demokratischen Erziehungsstils
Besser als in großen Gruppen hält Martina Stotz demokratische Erziehung im System Familie für gut umsetzbar. Jedes Familienmitglied ist gleichwertiges Teil der Gruppe, die sich in der Diskussion fair und konstruktiv auseinandersetzt. Geprägt von Offenheit, Wärme und Akzeptanz bewegt sich das Kind in einem vorgegebenen, sicheren Handlungsspielraum zwischen Freiheit und Autorität. Es wird ermutigt, eigene Wünsche und Ideen zu äußern und altersgerecht Verantwortung zu übernehmen. Kritik ist immer wertschätzend, einfühlsam und voller Zuneigung. Während Mama und Papa die kindlichen Emotionen ernstnehmen, geben sie konstruktives Feedback und treffen die finale Entscheidung. Einschränkungen werden erklärt, damit der Nachwuchs sie verstehen kann. Was ohne strikte Regeln funktioniert, bringt Leichtigkeit ins Spiel und fördert die kindliche Selbstständigkeit und mentale Stärke in der Auseinandersetzung. Dass die eigene Freiheit dort endet, wo sie bei anderen eingeschränkt wird, gilt als wichtigste Grundregel.
Top-5-Tipps für Eltern: Beispiele für (demokratische) Erziehung von Dr. Martina Stotz
- Fragt euch zuerst: Warum hat mein Kind das getan? Was braucht es gerade?
- Fragt nach der Meinung eures Kindes und lasst euch davon überzeugen.
- Übernehmt die Führung, um euer Kind nicht zu überfordern.
- Beobachtet euer Kind immer genau und hört aktiv zu.
- Fürs Wohlgefühl kümmert euch gut um eure eigenen Bedürfnisse und zeigt klar eure inneren Grenzen auf.
Ein harmonisches Miteinander schließt definierte Grenzen nicht aus
Pädagogin Stotz rät Eltern, Kinder ab anderthalb Jahren verstärkt zu sehen und zu hören, sie "zwischen zwei Dingen entscheiden lassen, nach ihrer Meinung zu fragen oder auch zu akzeptieren, dass sie etwas selber machen wollen". Neben Empathie sei wesentlich, sie nicht mit zu vielen Fragen zu überfordern und oftmals die Leitung zu übernehmen: "Ein 1,5-jähriges Kind kann zum Beispiel noch nicht entscheiden, welches Essen Mama kochen soll oder ob die Familie das Haus verlässt oder nicht."
Dennoch: Ein harmonisches Miteinander schließe definierte Grenzen nicht aus. Um Halt und Orientierung zu geben, müssten Eltern etwa in den Bereichen Sicherheit und Gesundheit "klar Dinge entscheiden und darüber einen sicheren Rahmen vergeben", so die Expertin. Die Pädagogin empfiehlt Eltern mit Kindern ab drei Jahren mit Wie-würdest-du-dich-fühlen-Fragen zu üben, eine andere Perspektive zu übernehmen und sich in andere Menschen zu versetzen. Für grundlegend demokratisch hält sie es, wenn die Kleinen ihren "Gefühlswortschatz erweitern", indem sie formulieren, wenn sie sauer sind und Hilfe brauchen. Durch Nachahmung der von Eltern täglich benannten Gefühle und Bedürfnisse, lernen Kinder sich selbst und andere verstehen.
Wer sich selbst annimmt, ist anderen gegenüber mitfühlender
Wer sich als Kind bereits ernstgenommen fühlt, mitentscheiden darf und im Team mit Emotionen umzugehen lernt, kann sich später besser integrieren und Konflikte lösen. Zugleich wächst das Vertrauen in Erziehende als fürsorgliche Partner. "Kinder fühlen sich gesehen, gehört und nehmen sich selbst als wertvoll wahr. Sie lernen, dass sie durch ihr Handeln etwas bewirken können und werden zu friedvollen Menschen, die sich selbst annehmen und mitfühlend mit anderen umgehen können", fasst die Expertin die Auswirkungen auf die Sozialentwicklung zusammen.
Vorteile des demokratischen Erziehungsstils
- Keine willkürlichen Verbote: Kinder müssen Regeln nachvollziehen können
- Bedürfnisse vertreten: In der konstruktiven Auseinandersetzung lernen Kinder, für ihre Wünsche einzustehen
- Kreativität ausprägen: Das Einbringen eigener Ideen fördert die Individualität
- Selbstbewusstsein fördern: In der Diskussion schulen Kinder Eigeninitiative und Selbstwertgefühl
- Sprachstil ausbilden: Wer sich kommunikativ auseinandersetzt, lernt bereits früh, sich klar und komplex auszudrücken
- Teamfähigkeit stärken: Probleme in der Gruppe zu bewältigen, stärkt ein Gefühl von Zusammenhörigkeit und Kompromissbereitschaft
- Verantwortung übernehmen: Teamplay fördert die soziale Kompetenz und Fähigkeit, sich gut in neue Gruppen zu integrieren
- Empathie steigern: Andere Sichtweisen zu verstehen, unterstützt Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen
- Motivation erhöhen: Konstruktive Auseinandersetzung steigert die Lern- und Leistungsbereitschaft
- Emotionale Stabilität: Wenn Kinder sich wahrgenommen fühlen, beeinflusst das ihre Gefühlswelt positiv
Nachteile des demokratischen Erziehungsstils
- Keine Grenzen anerkennen: Kinder wollen ggf. ihren Kopf durchsetzen, ohne Grundregeln zu akzeptieren
- Regeln ausdiskutieren: Kinder möchten ggf. ohne Ziel endlos diskutieren
- Geduldsprobe für Eltern: Diskussionen mit Kindern wiederholen sich, sind oft anstrengend und unproduktiv
- Akzeptanz auf Augenhöhe: Eltern fällt es ggf. schwer, Kinder als gleichberechtigte Diskussionspartner anzuerkennen
- Respektlosigkeit: Wer immer das letzte Wort haben will, kann gegenüber anderen die Wertschätzung verlieren