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Wenn zwei wie auf Kommando loslachen und der Rest nur Bahnhof versteht, ist klar: Die beiden verstehen sich ohne Worte. Verbindungen wie diese sind einzigartig. Mit einem guten Freund genießt man besondere Augenblicke, muss sich nicht verstellen und hat eine geduldige Schulter zum Ausweinen. Kurzum: Ein Freund ist jemand, der mit einem durch dick und dünn geht. Doch bis es so weit ist, muss eine Freundschaft erst mal entstehen.
Kontakt suchen
Schon Babys reagieren freudig auf andere Kinder, indem sie juchzen oder mit den Beinen strampeln. Manche Eltern haben sicherlich auch schon beobachtet, wie ihr Spross auf dem Spielplatz zielstrebig auf ein fremdes Kind zuläuft und es herzlich umarmt – manchmal so fest, dass das andere es mit der Angst zu tun bekommt. Genauso sind ein rüpelhafter Schubser oder eine entrissene Schaufel meist Gesten, die sagen wollen: Spiel mit mir! Erwachsene sehen zudem manchmal erstaunt zu, wie die Kleinen zufrieden mit anderen spielen, deren Sprache sie gar nicht verstehen. Kinder brauchen Kinder und zeigen von Anfang an ein großes Interesse aneinander.
Freundschaften aufbauen
„Kinder gehen heutzutage schon sehr früh in öffentliche Einrichtungen wie Kindertagesstätten. Dort haben sie vielfältige Möglichkeiten, Altersgenossen kennen zu lernen“, erläutert der Sozialisations- und Gesundheitsforscher Professor Dr. Klaus Hurrelmann. Die ersten richtigen Freundschaften bilden sich jedoch erst ab ungefähr drei Jahren, wenn der Nachwuchs in den Kindergarten kommt. Diese Beziehungen sind zunächst noch spontan und kurzfristig. „In diesem Alter basiert Freundschaft häufig auf physischer Nähe. Der Spielpartner ist einer, der gerade verfügbar ist“, weiß Professor Dr. Harald Uhlendorff vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Potsdam. Kinder gehen mit dem Begriff eher großzügig um und bieten ihre Freundschaft auch mal an, wenn sie sich davon einen Vorteil versprechen: „Darf ich etwas von deiner Schokolade? Ich bin doch dein Freund!“ Nach und nach aber merken die Kleinen, dass sie mit einem oder mehreren Kindern besonders gern zusammen sind, und suchen gezielt deren Nähe. Denn: Zusammen ist man weniger allein.
Persönlichkeit entwickeln
Freundschaften erweitern den Horizont der Sprösslinge. „Sie dienen in besonderem Maße der Persönlichkeitsentwicklung: Bei der Ablösung von den Eltern geben sich die Kinder gegenseitig Halt, sammeln neue Erfahrungen, lernen andere Werte kennen und spüren in der Gemeinschaft ihre eigene Stärke. Sie werden insgesamt selbstständiger“, hat der Familien- und Kommunikationsberater Dr. Jan-Uwe Rogge beobachtet. Anfangs orientieren sich Kinder bei der Auswahl ihrer „Kumpel“ bevorzugt an denjenigen, die ähnliche Interessen haben. Mädchen schließen sich zunächst lieber Mädchen an, Jungen bevorzugen ebenfalls Spielpartner des gleichen Geschlechts. Manche Kindergartenneulinge suchen sich auch gern einen älteren Freund in der Gruppe, der sie beschützt und mit der fremden Welt vertraut macht.
Werte erfahren
„Kinder sind gleichberechtigte Kommunikationspartner. Die Eltern dagegen sind Autoritätspersonen, die Verbote aussprechen können. Beziehungen auf Augenhöhe sind etwas Neues und auf diesem Feld müssen Jungen und Mädchen sich ausprobieren und bewähren“, erläutert Professor Harald Uhlendorff. In ihren Freundschaften können Kinder quasi nebenbei soziale Kompetenzen erlernen, die die Erziehung ihnen oft mühsam beizubringen versucht: Sie lernen zu teilen, denn mit einem geizigen Kind spielt niemand gern. Kompromisse schließen, dem anderen aufhelfen, wenn er hingefallen ist, oder ihn in Schutz nehmen, wenn er ausgelacht wird – Werte wie Respekt, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Gemeinschaftssinn erfahren Kinder im täglichen Miteinander.
Krisen meistern
Eine Freundschaft kann zerbrechen: Auch dies ist eine Erfahrung, mit der Kinder lernen müssen umzugehen. Das passiert mitunter, wenn ein Kind eingeschult wird und das andere noch ein Jahr Kindergarten vor sich hat. Dem Ende einer Kameradschaft ist vielleicht auch ein Streit vorausgegangen oder ein Störenfried hat sich dazwischengedrängt. „Dass ein Kind dann trauert, gehört zum Entwicklungsprozess dazu. Vielleicht vertragen sich die Kinder aber wieder oder es tut sich eine neue Freundschaft auf – das kann schnell gehen“, weiß Dr. Jan-Uwe Rogge. Im Laufe der Schulzeit verändern sich dann Art und Qualität von Freundschaften: Während sich im Kindergarten vorrangig Interessengemeinschaften zusammenschließen, fokussieren sich Kinder in der Schule mehr auf einzelne Freunde. Mädchen gehen häufig vertrauensvolle Zweier- oder Dreierbeziehungen ein, in denen der Status der Einzelnen schnell mal wechselt – Tränen sind vorprogrammiert. Jungenfreundschaften sind eher pragmatisch: Wichtig ist, dass man gut miteinander auskommt und zusammen etwas unternehmen kann.
Abstand wahren
Doch nicht jedes Kind findet leicht Anschluss und wartet mit einer bunten Riege an Freunden auf. Eltern betrachten das häufig mit Sorge. Dr. Jan-Uwe Rogge rät ihnen zu vornehmer Zurückhaltung: „Freundschaften gehören einem Kind, auch der Umgang mit ihnen ist seine Sache. Ein Kind ohne viele Freunde muss nicht zwangsläufig unglücklich sein. Insbesondere Jüngere haben manchmal auch Fantasiefreunde, mit denen sie sprechen – das ist ganz normal und keineswegs bedenklich.“ Auch Professor Klaus Hurrelmann empfiehlt Müttern und Vätern, nicht übereilt einzugreifen. „Eltern sollten erst mal genau hinschauen: Geht es meinem Kind gut, so, wie es lebt?“ Leidet der Nachwuchs aber tatsächlich, ist es sinnvoll, mit dem Kindergarten oder der Schule über die Situation zu sprechen und dem Kind Hilfestellungen anzubieten. Das können organisierte Spielnachmittage oder eine Anmeldung im Sportverein sein. „Ein elterlicher Kardinalsfehler ist allerdings, im Beisein des Kindes mit anderen darüber zu sprechen, dass es keine Freunde findet. Das kratzt erheblich am Selbstbewusstsein“, warnt Professor Klaus Hurrelmann. Die klügere Taktik: Kontaktmöglichkeiten ausloten, den Stein ins Rollen bringen – und sich dann wieder zurückziehen.
Wahlfreiheit zulassen
Wohl dem, der Freunde hat, doch nicht alle treffen bei Eltern auf Zustimmung. Der antiautoritär erzogene Junge oder das vorlaute, stark geschminkte Mädchen sind ihnen mitunter ein Dorn im Auge. Auch hier gilt: abwarten! Mutter und Vater könnten einmal überlegen, was aus Sicht ihres Kindes so spannend an dem neuen Freund ist. Wächst er ganz anders auf oder hat sie die tolle Barbiepuppe, die auf dem eigenen Geburtstagstisch fehlte? Kinder haben andere Maßstäbe und sollten selbst entscheiden dürfen, mit wem sie ihre Zeit verbringen. Nur so können sie lernen, vertrauensvolle Freundschaften aufzubauen. Das kann auch fehlschlagen – aber diese Erfahrung müssen sie selbst machen. „Eine Freundschaft zu unterbinden, sollte der letzte Schritt sein und nur zum Einsatz kommen, wenn dem Nachwuchs wirklich Gefahr droht. Besser ist es, geschmacksbildend auf das Kind einzuwirken und beispielsweise den Charakter des Freundes anzusprechen: ,Er lügt oft, das finde ich nicht gut. Und du?‘ So handeln Mutter und Vater nicht stellvertretend für ihr Kind und geben ihm die Chance, selbst über die Eigenschaften des Freundes nachzudenken. Gleichzeitig äußern sie eine Meinung, die orientierend wirkt“, erläutert Professor Klaus Hurrelmann. Ein Auge auf das Kind haben, aber dennoch Distanz wahren – auf das richtige Maß kommt es an.
Studien haben gezeigt: Freundschaft ist für einen Großteil der Kinder sehr wichtig. Je nach Alter versteht der Nachwuchs darunter aber etwas anderes. Die Sechs- bis Zehnjährigen nennen vor allem miteinander spielen, während die Älteren darauf setzen, dass Freunde sich gegenseitig vertrauen, zusammenhalten und füreinander da sind. Doch niemand beschreibt Freundschaft treffender als der Autor Janosch: „Gut, wenn man einen Freund hat, der Fische fangen kann“, sagt der kleine Tiger zum Bären, „dann braucht man sich vor nichts zu fürchten.“