Gute Gruppe

Pfadfinder: Abenteuer, Lagerfeuer und Selbstbewusstsein

Verantwortung lernen. Selbstständig werden. Die Umwelt schützen. Das sind die wichtigsten Werte der Pfadfinder, die schon die Jüngsten spielerisch lernen und leben. Ganz nebenbei stärken die Aktivitäten das kindliche Selbstwertgefühl.

Pfadfinder entwickeln einen echten Gemeinschaftssinn.© Foto: BdP
Pfadfinder entwickeln einen echten Gemeinschaftssinn.

Eine Gruppe Kinder zeltet im Wald. Die jungen Menschen sitzen ums Lagerfeuer und singen gemeinsam Lieder. Das ist das Bild, das vielen von uns bei dem Wort "Pfadfinder" in den Kopf kommt. Maria Venus lächelt, wenn sie diese Beschreibung hört: "Das Zelt, der Wald, das Lagerfeuer – das gehört natürlich alles dazu", erklärt die ehrenamtliche Bundesvorsitzende des Bunds der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP). "Aber es steht noch so viel mehr dahinter!"

Weltweite Jugendbewegung

Rund 50 Millionen Pfadfinderinnen und Pfadfinder gibt es weltweit. Sie sind aufgeteilt in Verbände, Stämme und Ortsgruppen. Die Jüngeren werden "Wölflinge" genannt, ihre Gruppe ist die sogenannte Meute. "Die Gruppe ist die wichtigste Einheit", erklärt Maria Venus, "hier trägt jeder Verantwortung für die anderen." Mehrere Gruppen verschiedener Altersklassen bilden zusammen einen Stamm.

Die Meuten treffen sich regelmäßig, normalerweise wöchentlich. "Bei den Wölflingen wird viel gespielt, gesungen, das meiste findet draußen statt", beschreibt die Pfadfinderin. Neben Zeltaufbau und Lagerfeuer stehen gemeinsames Kochen und Basteln auf dem Programm. Seit der Corona-Krise finden viele Treffen auch digital statt, häufig verbunden mit kleinen Aufgaben, die die Kinder anschließend an der frischen Luft erledigen. "Die älteren Gruppen, die sogenannten Sippen, gestalten ihre Stunden gemeinsam mit der Gruppenleitung oder autark", erklärt Maria Venus, "aber auch die Wölflinge entscheiden bereits mit, was auf dem Tagesprogramm ihrer Meute steht."

Demokratie lernen und erleben

"Jedes Kind hat bei uns eine Stimme", betont Maria Venus. "Die Meute wählt Vertreter für die jährliche Stammesversammlung. Die Wölflinge haben hier das gleiche Stimmrecht wie die Stammesführung. Über die Stammesversammlung können dann Impulse an die Landes- und Bundesversammlungen gehen." So lernen schon die Jüngsten, dass ihre Meinung genauso viel zählt wie die der Großen – und etwas bewirken kann.

Wenn es losgeht zur Zelt-Übernachtung in der Natur, packt jeder mit an: "Einer trägt die Zeltplane, einer die Stangen, einer das Kochgeschirr. Und nur wenn alle mitmachen, funktioniert es." Und das tut es: Auf große Fahrt geht es zwar meistens erst als Pfadfinder in der Sippe, aber schon mit sieben Jahren stehen für die Kinder Übernachtungen in Zelten an, zum Beispiel bei Wochenendausflügen oder auf dem Stammesgelände.

Jugend führt Jugend

Die Kids sind bei einer Nacht im Zelt nicht auf sich allein gestellt: Als Vertrauensperson ist immer die Gruppenleitung mit dabei. Doch anders als im Fußballverein oder in der Schule steht hier kein Erwachsener den Kindern gegenüber: "Unsere Gruppenleiter können 17 oder auch 16 Jahre alt sein", erklärt die Expertin. "Das Pfadfinderprinzip 'Jugend führt Jugend' ist lange gewachsen und hat sich über Jahrzehnte im BdP bewährt", führt sie fort. Die wichtige Pädagogik dahinter: Traut den Kindern etwas zu! Sowohl der Gruppenführung als auch den Wölflingen, die mit ihr unterwegs sind. "Wenn du so früh Verantwortung für eine Gruppe übernimmst und andere dir sagen, dass du das schaffen wirst, dann macht das einfach ganz viel mit deiner Persönlichkeit."

Und auch für die Kinder ist es etwas anderes, wenn kein Erwachsener, sondern ein Jugendlicher das Kommando hat. "Es kocht nicht die Gruppenleitung, und hinterher essen alle", weiß Maria Venus, "sondern alle kochen gemeinsam, jeder hat seine Aufgabe, vom Kartoffelschälen bis zum Feuerholzsammeln – und jede Aufgabe ist wichtig für die Gemeinschaft."

Selbstbewusstsein als Mobbing-Prävention

Vielleicht ist das der Grund, warum Mobbing hier eher ein geringes Problem ist. "Ich glaube, in keinem Umfeld, in dem Jugendliche aufeinandertreffen, gibt es dieses Thema nicht", räumt Juliane Krämer ein, die im BdP für die Wölflingsstufe zuständig, Gruppenleiterin und Mutter eines Wölflings ist. "Aber wir arbeiten viel daran, dass wir eine Gemeinschaft sind. Selbstständigkeit ist ein großes Thema bei uns, und das Übernehmen von Verantwortung. Wir geben immer die Möglichkeit, alles selbst zu tun – das stärkt das Selbstbewusstsein. Dadurch tauchen Sticheleien und Ausgrenzungen einfach weniger auf."

"Wir vermitteln Sozialkompetenzen", sagt auch Arno Schäfer, der im BdP auf Bundesebene aktiv ist. "Das verhindert von vornherein, das Mobbing starke Wirkung zeigen kann." Das Erfolgsrezept dabei: "Bei uns gibt es weniger als anderswo Gebote und Verbote, nach denen gehandelt wird – sondern Werte." Und denen nicht nur im Familienkonstrukt zu begegnen, sondern in einer Gruppe außerhalb der eigenen vier Wände, sei gerade für junge Kinder eine wichtige Erfahrung, so Arno Schäfer: "Meine eigene Wirkung auf andere Menschen als meine Familie, das ist etwas, das ich erst einmal ausprobieren muss. Genauso wie Gefühle: Um ein Gefühl zu verstehen, muss ich es erst einmal selbst gehabt haben." Bei den Pfadfindern haben Kinder einen geschützten Raum, in dem sie diese Erfahrungen machen können. Und in dem sie lernen können, dass aus einer Gemeinschaft noch etwas anderes entstehen kann: Freundschaften fürs Leben.

Pfadfinder berichten …

Pauline (6) ist bei den Wölflingen:

© Foto: privat

"Am besten gefällt mir das Zelten. Die Lager mit anderen Stämmen. Außerdem liebe ich es, am Feuer zu sitzen und zu singen. Das coolste Lager war das Herbstlager. Auch wenn wir nur mit Masken spielen durften, habe ich da ganz viele neue Freunde kennengelernt."

Frieda (17) war mit sieben das erste Mal mit der Meute unterwegs:

© Foto: privat

"Auf meinem ersten Lager ist nachts bei einem Gewitter die Jurte, unser Zelt, zusammengekracht. An der Situation war erst mal nichts schön. Aber danach, als man wusste, dass die Großen auf uns aufgepasst haben und alles gut gegangen ist, und man dachte, dass man jetzt alles schaffen kann, da war es einfach ein schönes Erlebnis!"

Sebastian (39) ist bei den Pfadfindern, seitdem er 14 ist

© Foto: privat

Er weiß: "Das Konzept der Wölfling-Gruppen baut spielerisch auf dem "Dschungelbuch" von Rudyard Kipling auf. Also: Was muss ich wissen und können, um allein – unter Wölfen – im Dschungel zurechtzukommen?" Die Dinge, die er selbst nach dieser Grundidee gelernt hat, gibt Sebastian heute an die nächste Generation weiter.

Pfadfinder-Gruppen für jedes Alter:

  • Ab 4 Jahre: Biber (bieten einige wenige Verbände an)
  • 7–11 Jahre: Wölfling
  • 12–16 Jahre: Pfadfinder
  • 17–25 Jahre: Ranger (w) oder Rover (m)

Die Pfadfinderei ist untrennbar mit der Natur verbunden, doch Pfadfinderheime, in denen die Gruppen sich treffen, gibt es überall – auch in großen Städten. Die Recherche beginnt online: einfach nach Pfadfinderstämmen im eigenen Postleitzahlengebiet suchen.

Zahlen, Daten, Fakten

  • Die Pfadfinderbewegung wurde 1907 in England von Lord Robert Baden-Powell gegründet und kam 1911 nach Deutschland
  • In nur fünf Staaten auf der Welt gibt es KEINE Pfadfinderverbände: Andorra, Volksrepublik China, Kuba, Laos und Nordkorea (Stand 2016)
  • Es gibt zahlreiche prominente "Pfadis", zum Beispiel Neil Armstrong, David Beckham, Joanne K. Rowling, die Clintons und Stefan Raab

Autorin: Silke Schröckert

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