
Neulich war meine Großtante zu Besuch. Und wie das mit älterer Verwandtschaft manchmal so ist, gab es für meine beiden Jungs etwas in die Spardose. Ich freue mich darüber eigentlich immer, denn ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie es sich als Kind angefühlt hat, wenn das kleine Porzellanschweinchen unverhofft Futter bekam und ich dieses Gefühl der Freiheit verspürte, mir etwas kaufen zu können, ohne Mama und Papa fragen zu müssen. Taschengeld ist schließlich Taschengeld. Oder nicht?
"Ein Kinderauto. Wie Nick!"
Doch dann passierte es zwischen Kaffee und Kuchen, der mir beinahe im Hals stecken blieb. Mein Jüngster (6) rief freudig aus: "Jetzt kann ich mir endlich so ein tolles Kinderauto kaufen. So eines wie Nick hat!"
NEIN.
Mal ganz abgesehen davon, dass der Inhalt seines Schweinchens für ein Kinder-Elektroauto bei Weitem nicht ausreichen würde – diese nervtötenden und gefährlichen Dinger kosten schließlich zwischen 300 und 1000 Euro – kommt mir so was nicht in die Garage! Komme was wolle.
Doch noch bevor ich den Gedanken zu Ende denken und die Diskussion auf später verschieben konnte, strahlte meine Großtante über den Tisch und sagte: "Das ist ja schön! So etwas Tolles gab es in meiner Jugend nicht." Siegessicher grinste mich mein kleiner Ben an. Er wähnte sich bereits am Ziel seiner Träume, das konnte ich genau sehen. Und ein bisschen tut es mir auch leid, dass ich in diesem speziellen Fall die Familien-Spaßbremse bin und bleiben werde – aber eben nur ein bisschen.
Zum Glück kannten meine Söhne mein Plädoyer seit Jahren in- und auswendig – weshalb beide auch nur ein Augenrollen tauschten und sich zum Spielen verabschiedeten, als ich meiner Großtante meine Meinung darlegte.
Mir kommt kein Kinder-Elektroauto in die Garage!
Wie auch immer: Ich hasse diese Dinger. Überall fahren sie inzwischen bei uns im Wohngebiet herum. Eine Mama nach der anderen sehe ich mal mit, mal ohne Fernbedienung in der Hand hinter diesen verdammt laut scheppernden, surrenden, knirschenden Dingern her rennen. Am Steuer: stolze Kinder, die fleißig danach schauen, ob sie auch jeder sieht. Nur sie sehen leider nicht, wohin sie fahren.
Ab und an hört man dann den Schrei der Mama über das nervtötende Gerumpel der motorisierten Mini-Autos hinweg: "AAAACHTUUUUNG!" Mal steht eine Laterne im Weg, mal ein anderes Kleinkind aus der Nachbarschaft, mal wird kurz entschlossen einfach vom Gehsteig heruntergefahren, obwohl von hinten ein echtes Auto kommt. Aber das können die lieben Kleinen ja nicht hören, weil die Mini-E-Autos so laut sind.
Größenwahn? Auf das Kinder-Elektroauto folgt häufig ein Quad
Und als wäre das nicht schon genug, bekommen manche Kinder mit zunehmendem Alter ein leistungsfähigeres Fahrzeug. Das nennt sich dann Kinderquad und manch Achtjähriger mutiert darauf zum Kamikaze. Während Mama oder Papa sich beim Spielplatz seelenruhig mit anderen Eltern unterhalten, schießt der Sohnemann Runde um Runde auf seinem Quad mit bis zu 40 Stundenkilometern um den Block.
Dass hier nur 30 Kilometer in der Stunde erlaubt sind, das Fahrzeug ohnehin keine Straßenzulassung hat und der Nachwuchs jedes Mal die Kurve schwungvoll auf der Gegenfahrbahn nimmt, scheint die Eltern nicht zu stören. Stolz erzählen sie, wie sicher und routiniert ihr Sonnenschein inzwischen fährt. Und: Er hat ja einen Helm auf.
Ich bin fassungslos. Und irgendwie auch sauer. Denn jedes Mal, wenn er vorbei schießt, sehe ich die bewundernden Blicke meiner beiden Jungs. Zugegeben: Ich bin nicht besonders gut darin, dauerhaft bei einem "Nein" zu bleiben, wenn mich die großen Kinderaugen meiner Zwei so flehentlich anschauen. In diesem Fall aber wachse ich über mich selbst hinaus. Für mich gehören Kinder auf Fahrräder, Bobbycars, Skateboards, Roller oder meinetwegen sogar in Seifenkisten, wenn sie denn gemeinsam mit den Eltern selbst gebaut wurden.
Von kleinen Erwachsenen in Kinder-SUVs oder auf Kinderquads halte ich rein gar nichts. Die Zeit kommt früh genug, dass sie sich selbst hinter ein Lenkrad quetschen und aller Welt beweisen müssen, wie toll sie fahren können. Und dann hoffe ich einfach, dass sie das kleine Bisschen vernünftiger geworden sind, einen besseren Überblick und ein besseres Reaktionsvermögen haben.
Autorin: Yvonne Dast-Kunadt