Das unsichtbare Gift

Küche, Teppiche, Kinderkleidung: Ist Teflon giftig?

Im Juli 2020 wurde Perfluoroktansäure (kurz: PFOA) in der EU verboten. Doch die Chemikalie ist durch das beliebte Teflon längst auf der ganzen Welt verbreitet – auch in Küchen, Teppichen und Kinderkleidung.

Werden Teflon-Pfannen zu heiß, können Giftstoffe freigesetzt werden. Ab 360 Grad sind die Dämpfe für Menschen gefährlich.© Foto: Getty Images/AleksandarNakic
Werden Teflon-Pfannen zu heiß, können Giftstoffe freigesetzt werden. Ab 360 Grad sind die Dämpfe für Menschen gefährlich.

Geruch von Käse erfüllt die Küche. Das Raclette-Gerät brutzelt vor sich hin. In die Gespräche der Familie mischt sich das Zwitschern von Karli. Der Wellensittich freut sich sichtlich, dass so viel los ist am Küchentisch. Bis Karli plötzlich nicht mehr zwitschert. Traurig, dass er ausgerechnet heute tot von der Stange fallen musste, findet die Familie. 

Teflon tötet Sittiche und Kanarienvögel

Ein trauriger Zufall ist Karlis plötzlicher Tod nicht. "Tatsächlich verenden immer wieder Vögel, deren Käfige in der Küche stehen – oder auch nur in deren Nähe", berichtet Dr. Meike Völker von der Kleintierpraxis Willenbockel & Völker im niedersächsischen Burgdorf. "Einen kausalen Zusammenhang sehen die Besitzer selten. Doch es ist nachgewiesen, dass beschichtete Pfannen, Raclette-Grills, Backbleche oder Bügeleisen Schuld am Tod von Kanarienvögeln, Wellensittichen und Co. sein können", weiß die Tierärztin, die auf Zier-, Zoo- und Wildvögel spezialisiert ist. Das liegt am beliebten Teflon: Die Antihaftbeschichtung fängt bei hohen Temperaturen an, sich zu zersetzen. Dabei entstehen Giftstoffe. Und da die Kleintiere eine sensiblere Lunge als wir Menschen haben, führen die Gifte bei ihnen schnell zum Tod. Deshalb wurden Kanarienvögel früher im Bergbau eingesetzt: Fielen Sie von der Stange, war dies das Warnsignal für die Bergleute, dass irgendwo Gas ausströmte.

Ist die Küche ein gefährlicher Ort?

Die Frage, die auf der Hand liegt: Sollten sterbende Küchenvögel nicht auch ein Warnsignal sein für die Menschen, die sich darin aufhalten? Die Macher der Dokumentation "Teflon – das unsichtbare Gift“ (Geo Television) haben eine klare Antwort auf diese Frage: "Bei Temperaturen ab 202 Grad Celsius bilden sich Mengen, die einen Wellensittich töten können. Ab 360 Grad Celsius entstehen Dämpfe, die für Menschen gefährlich sind", heißt es in den Hintergrundinformationen. Das sind Temperaturen, die nach zwei bis fünf Minuten entstehen können, wenn eine Pfanne im leeren Zustand erhitzt wird. Oder wenn ein Raclette-Gerät einen Abend lang vor sich hin brutzelt.

Wissentliche Vergiftung: der Teflon-Skandal

Bereits im Jahr 1938 entdeckt ein Angestellter des Chemiekonzerns DuPont das sogenannte Polytetrafluorethylen (PTFE), an dem nichts haften bleibt. DuPont bringt PTFE im Jahr 1945 unter dem Namen Teflon auf den Markt. Für die Herstellung wird die Chemikalie PFOA eingesetzt. Was die TV-Dokumentation aufdeckt: Seit 1961 weiß DuPont, dass PFOA bei Tieren gravierende Schäden verursacht. "Aus Tierversuchen ist bekannt, dass viele PFAS* einschließlich PFOA die Leber schädigen. Im Tierversuch wirkt PFOA außerdem entwicklungstoxisch und kann den Fettstoffwechsel, den Schilddrüsenhormonspiegel und das Immunsystem beeinträchtigen", erklärt auch ein Mitarbeiter des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) auf Nachfrage von Leben & erziehen. "Es verändert jedoch das Erbgut nicht direkt und wirkt im Tierversuch erst bei Dosen krebserzeugend, die oberhalb der Mengen liegen, die der Mensch über Lebensmittel zu sich nimmt."

*PFAS: Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen sind Industriechemikalien, die aufgrund ihrer besonderen technischen Eigenschaften in zahlreichen industriellen Prozessen und Verbraucherprodukten eingesetzt werden. Die Stoffgruppe umfasst mehr als 4700 verschiedene Verbindungen. PFOA gehört zu den am besten untersuchten PFAS.

Teflon kann giftig für Tiere und Menschen sein

Sehr große Mengen PFOA nahmen die Nutztiere von Wilbur Tennant zu sich. 1997 filmt der Bauer seine kranken und deformierten Kühe. Er hatte zuvor Teile seines Landes an DuPont verkauft. Die Kühe grasten unterhalb dieser Fläche, und Tennant vermutet einen Zusammenhang. Innerhalb weniger Jahre stirbt die ganze Herde. Wilbur Tennants verwackelte Camcorder-Aufnahmen sind der Beginn eines fast 20 Jahre andauernden Rechtsstreits zwischen DuPont und dem Anwalt Rob Bilott. Dieser stellte unter anderem fest, dass das Trinkwasser in der Gegend mit PFOA kontaminiert war, was zu zahlreichen Krankheiten führte. Im Jahr 2016 wurde DuPont verurteilt, den Opfern 671,7 Millionen US-Dollar Schadenersatz zu zahlen. Wilbur Tennant hat das nicht mehr erlebt: Er erkrankte wie viele andere in der Umgebung an Krebs und starb 2009 an einem Herzinfarkt. 2011 starb seine Frau dann an Krebs. Bis 2013 hat DuPont PFOA für die Herstellung von Teflon verwendet.

Teflon steckt nicht nur in Bratpfannen

Im Juli 2020 wurde die Verwendung von PFOA in der EU verboten. Doch die Antihaftbeschichtungen sind längst weltweit verbreitet – nicht nur in Kochutensilien. "Ob in fettabweisenden Lebensmittelverpackungen aus Papier und Karton, in Goretex-Membranen für Outdoorkleidung, Lacken, Skiwachs oder Löschschäumen: Umwelt- und gesundheitsschädliche organische Fluorverbindungen dienen der Industrie als Hilfsmittel bei der Herstellung zahlloser Produkte, ohne dass Verbraucher davon wissen", erklärt Manuel Fernández, Experte für Chemikalienpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Menschen nehmen die Verbindungen durch die Nahrung, durch die Luft oder über verunreinigtes Trinkwasser auf.

Und: PFOA ist extrem stabil und nicht abbaubar. Gelangt es in den Blutkreislauf, bleibt es dort. Deshalb ist es heute im Blut von Menschen auf aller Welt nachzuweisen: "PFOA war laut einer aktuellen Studie an deutschen Kindern und Jugendlichen in 86 Prozent der Blutplasmaproben bestimmbar", heißt es beim BfR. "Eine Kennzeichnungspflicht für potenziell gefährliche Stoffe ist deshalb längst überfällig", so Manuel Fernández. 

Welche Teflon-Produkte kann ich benutzen?

Was bedeutet das nun für die eigenen Pfannen zu Hause? "Es spricht nichts dagegen, eine Pfanne mit intakter Beschichtung weiterhin zu benutzen", erklärt das BfR. "Bei Überhitzung kann jedoch ab 360 Grad Celsius eine Zersetzung des PTFE stattfinden, bei der für den Menschen giftige Dämpfe aus fluorierten Verbindungen und Partikeln freigesetzt werden." Mit PTFE beschichtetes Geschirr sollte daher nie ohne Inhalt hoch erhitzt werden, empfehlen die BfR-Experten auch auf ihrer Website bfr.bund.de. Besondere Vorsicht sei bei Induktions- und Gasherden geboten, da hier eine sehr schnelle Erhitzung stattfinden kann. Ist das Kochgeschirr allerdings mit Lebensmitteln befüllt, sei eine Überhitzung unwahrscheinlich. "Schon mal die Pfanne vorheizen" sollte also ab heute der Vergangenheit angehören. Außerdem empfiehlt das BfR, Pfannen mit zerkratzten oder beschädigten PTFE-Beschichtungen nicht weiter zur Zubereitung von Speisen zu verwenden. Und wann immer in der Küche Teflon-Produkte erhitzt werden, daran denken: den Vogelkäfig in einen anderen, gut belüfteten Raum stellen.

Übrigens: Stiftung Warentest hat in Ausgabe 1/2021 beschichtete Bratpfannen getestet – keine von ihnen schnitt sehr gut ab. Testsieger sind die "Diamas Pro Industar" von Gastro Sus (Note: 2,2), "Adamant Comfort" von Fissler (2,4), "Concept" von Woll und "Madura Plus" von Zwilling (beide 2,5). 

Hier gibt es mehr Infos über giftiges Teflon

"Vergiftete Wahrheit"(2019) erzählt die Geschichte des 20-jährigen Rechtsstreits mit DuPont, den der Bauer Wilbur Tennant ins Rollen gebracht hat. (Auf DVD/Blu-Ray* und bei Amazon Prime* verfügbar)

"Teflon – das unsichtbare Gift" (2018) ist eine Dokumentation, die den Teflon-Skandal aufarbeitet und die Auswirkungen der Verseuchung offenbart. (Im GEO Television Channel und bei TV Now Premium verfügbar) 

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