Eine Frage des Leidensdrucks

Segelohren bei Babys und Kindern: Müssen wir etwas tun?

Abstehende Ohren können bei Babys noch ganz niedlich aussehen, später werden Segelohren leider öfter zum Anlass für Hänseleien. Alles, was ihr über den Umgang mit Segelohren wissen müsst.

Segelohren bei Babys: Behandeln oder nicht?© Foto: iStock/dim4ik
Segelohren bei Babys: Behandeln oder nicht?

Eins steht fest: Segelohren – wie auch viele andere optische Aspekte – sind immer eine Frage des persönlichen Ästhetikempfindens und der eigenen Definition. Was die einen niedlich finden, kann den anderen negativ auffallen. Das ist übrigens oft auch kulturell bedingt. "Was bei Babys noch als süß bewertet wird, ist möglicherweise später für das Kindergarten- oder Schulkind eine Quelle für Spott und Mobbing", erklärt der Kinder- und Jugendarzt Dr. Klaus Rodens aus Langenau.

Wann spricht man von Segelohren?

"Beträgt der Abstand des Ohrs vom Felsenbein, an dem die Ohrmuschel anliegt, mehr als zwei Zentimeter, gilt dieser als auffällig", so Dr. Klaus Rodens. "Verwachsen" sei im Zusammenhang mit sogenannten Segelohren ein schwammiger Begriff. Selbstverständlich verändern sich kindliche Proportionen im Laufe ihrer Entwicklung, doch es sei eher damit zu rechnen, dass angeborene abstehende Ohren auch weiterhin abstehend bleiben werden.

Segelohren: genetisch veranlagt

"Abstehende Ohren, oft verbunden mit einem schlecht ausgebildeten Knorpelring in der Ohrmuschel (Anthelix), haben nicht selten einen genetischen Hintergrund und finden sich in der (Bluts-)Verwandtschaft überzufällig häufig", erklärt der Kinderarzt.

Abstehende Ohren bei Babys und Kindern behandeln: anlegen, Stirnband, ankleben, Operation?

Im Netz findet man zur Behandlung von Segelohren alles Mögliche – von Anlegen, über Stirnband bis Ankleben. Dr. Rodens hält das alles für sinnlos. "Nichtoperative Behandlungsmethoden wie Stirnband, 'Ankleben' der Ohrmuscheln etc. bringen keine nachhaltige Besserung." Der Kinderarzt sagt eindeutig, dass man Segelohren keinesfalls behandeln müsse. Er weiß aber auch, dass eine effektive Behandlung, die immer eine Operation bedeutet, in bestimmten Fällen durchaus sinnvoll ist. Und zwar dann, wenn das Kind einem Leidensdruck unterliegt, weil es beispielsweise geärgert oder gemobbt wird. "Bei der Operationsindikation spielen subjektive Beweggründe eine entscheidende Rolle. Funktionale Gründe, zum Beispiel beeinträchtigtes Hörvermögen, die eine Therapie erforderlich machen würden, gibt es eigentlich nicht" so Dr. Klaus Rodens.

Eine Operation ist erst ab einem Alter von sechs Jahren sinnvoll, wenn das Knorpelgerüst in der Ohrmuschel ausgereift ist und keine "postoperativen Rezidive" (erneutes Abstehen) zu erwarten sind. Mit Frisuren oder auch einem Stirnband lasse sich vorübergehend einiges kaschieren, rät der Kinderarzt.

Wenn der Leidensdruck sehr groß ist, können Eltern mit ihrem Kind eine operative Korrektur besprechen, vorausgesetzt, es ist sechs Jahre alt oder älter. Wenn das Kind sich wirklich eine Korrektur wünscht, sollten Eltern dies unterstützen und mitgehen, empfiehlt Dr. Klaus Rodens. Dann solle man sich auf jeden Fall an einen erfahrenen und geeigneten Operateur wenden.

Übrigens: Bis zum Alter von zwölf Jahren übernimmt die Krankenkasse die Operationskosten, wenn das Kind nachweislich gehänselt wird und das Selbstbewusstsein Schaden nimmt. Erste Anlaufstelle ist hier in der Regel der Kinderarzt.

Wie Eltern ihr Kind am besten unterstützen

Dr. Klaus Rodens bittet Eltern, ihr Kind auf jeden Fall so anzunehmen und liebzuhaben, wie es ist. Schließlich ist kaum ein Mensch 'ideal' und ohne irgendeinen Schönheitsfehler auf die Welt gekommen. Vielfalt macht unser Leben ja auch erst interessant und bunt. Den vermeintlichen Makel solle man weder überthematisieren und verniedlichen, noch kleinreden, wenn das Kind damit belastet ist. Statt das Thema (negativ oder positiv) hervorzuheben, ist es hilfreicher, positive andere Dinge und Eigenschaften in den Vordergrund zu stellen und die Stärken des Kindes zu fördern. Wenn es beispielsweise in der Kita oder Schule zum Spott oder Mobbing kommt und das Kind leidet, schlägt der Kinderarzt den Eltern vor, unaufgeregt und in altersgerechter Sprache mit dem Kind zu reden und ein mögliches Vorgehen zu besprechen.

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