
Wer verliert, stirbt
Die südkoreanische Serie "Squid Game" ist die bisher erfolgreichste Netflix-Produktion mit den höchsten Zuschauerzahlen. Dabei wird in neun Folgen die Geschichte von knapp 500 Menschen erzählt, die sich verschuldet haben. Sie treten in Kinderspielen gegeneinander an, um ein Preisgeld in Millionenhöhe zu gewinnen. Der makabere Wettbewerb lässt keine zweite Chance zu: Wer es nicht in die nächste Runde schafft, wird getötet.
Schon Kita-Kinder ahmen offenbar Szenen aus "Squid Game" nach
An Schulen und selbst an einer Kindertagesstätte wurde beobachtet, dass Kinder die Serie nachspielten. Zwar geht es in "Squid Game" explizit um Kinderspiele, weshalb es an sich nicht verwunderlich wäre, wenn Kinder die gleichen Spiele, die auch in der Serie gezeigt werden, spielen würden. Doch laut Berichten aus einer Kita in Pinneberg haben Erzieher beobachtet, dass ihre Schützlinge am Ende eines Spiels zu den Verlierern "Ich töte dich" sagten.
Verschiedene Schulen berichten außerdem, dass Schüler gesehen wurden, die Mitschüler im Spiel ins Gesicht schlugen (wird so in der Serie auch gezeigt), sie beschimpften oder eine Erschießung simulierten.
Experten: Altersempfehlung der Serie unbedingt beachten
Experten plädieren dafür, die Altersbewertung ab 16 Jahren unbedingt zu beachten. Die vielen Gewaltszenen stellten für Kinder eine sehr hohe psychische Belastung dar, da sie das Gesehene noch nicht gut verarbeiten könnten, sagte Psychotherapeutin Katajun Lindenberg von der Goethe-Universität in Frankfurt der Deutschen Presse-Agentur.
Es bestehe auch die Gefahr, dass sich im Sinne des Modelllernens die Gewaltbereitschaft bei Kindern erhöhe, wenn sie Gewalt derartig vorgelebt bekämen, erläuterte die Leiterin der Abteilung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Die Gesellschaftskritik von "Squid Game" könnten Kinder noch nicht erfassen.
Eltern müssen mit ihren Kindern sprechen
Kita- und Schulleitungen haben Eltern bereits vielerorts auf die Gefahren der Serie für Kinder hingewiesen. Eltern sollten ihren Kindern klar machen, dass "stark sein" heißt, die Serie nicht oder nicht weiter zu schauen, sagte Medienpädagogin Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayerischen Rundfunk. Ohne freiwilligen Verzicht lasse sich gerade bei schon etwas älteren Kindern oft schwer verhindern, dass sie die Serie oder Teile davon im Netz sehen. So gibt es für Filme ab 16 Jahren bei Netflix keine automatische Jugendschutzfunktion, Eltern müssen diese manuell in ihrem Nutzerprofil einstellen.
Zudem sei "Squid Game" bereits weit verbreitet: Die Spiele aus der Serie würden auch in Videospielen wie "Minecraft" nachgespielt und auf Tiktok oder Instagram gebe es zahlreiche sogenannte Memes, also Sketche, in denen die Serie aufgegriffen wird oder entsprechende Witzbildchen. Und auch bei Freunden oder älteren Geschwistern könnten Kinder die Serie schauen.
Wichtig sei es, gegebenenfalls über das Gesehene zu sprechen, um bei der Verarbeitung zu helfen, sagte Götz.
"Squid Game" kann für Kinder traumatisch sein
Besonders für Kinder bis zehn Jahren könne das Anschauen von "Squid Game" eine traumatische Erfahrung sein und zu Albträumen führen. Das massenhafte emotionslose Abschlachten von Menschen im Zusammenhang mit den Kinderspielen und grellen Farben der Serienschauplätze könnten Kinder nicht begreifen – und gerade Kindergartenkinder könnten mitunter nicht einmal ihre Gefühle dabei ausdrücken.
Bei älteren Kindern zwischen zehn bis 15 Jahren sei davon auszugehen, dass viele betont cool über die Serie sprechen, "auch wenn sich die Bilder dann doch tiefer eingeschrieben haben, als sie es vermutlich zugeben", sagte Götz. Auch bei ihnen sollten Eltern aufmerksam sein und das Gespräch anbieten.
Autorin: Andrea Leim