Marcumar in der Schwangerschaft kann schwerwiegende Folgen haben. © Foto: Getty Images
Marcumar in der Schwangerschaft kann schwerwiegende Folgen haben.

"Meine Frau ist in der 4. Woche schwanger. Da sie im Dezember letzten Jahres eine 3-fache Beckenoperation hatte, musste bzw. hat sie bis vor einer Woche das Schmerzmittel Tramal eingenommen (tägl. ca. 20 Tropfen / seit 7 Monaten). Dazu nimmt sie immer noch (seit 7 Monaten) Macumar zur Durchblutungssteigerung nach einer Thrombose in Folge der o.g. OP. Mein Problem ist nun, dass ich mir große Sorgen um die Gesundheit des ungeborenen Kindes bzw. um die Folgen der langanhaltenden Medikamenteneinnahme auf die Gesundheit des Kindes mache.

Antwort: In der Tat handelt es sich bei der Einnahme von Marcumar um eine Mediaktion mit hohem fruchtschädigendem Potential. Dies gilt nicht für Tramal, das sowohl im Tierversuch als auch bei bisherigen Untersuchungen beim Menschen als unauffällig gilt.
Ich muss Sie jetzt im Hinblick auf Marcumar mit einer Reihe von harten Fakten konfrontieren, die sicher erst einmal erschreckend sind. Wichtig ist, dass Sie und Ihre Frau jetzt sofort handeln.
Cumarin-Wirkstoffe (und dazu gehört Marcumar) können, wenn sie in der Frühschwangerschaft gegeben werden, ein charakteristisches Fehlbildungssyndrom verursachen, z.B. schwere Fehlbildungen der Nase und der Augen, Verkürzung der Zehen und Fingerendglieder. Auch Schädigungen des Zentralnervensystems sind möglich. Das Risiko einer solchen Fehlbildung bei Einnahme von Cumarin im ersten Drittel der Schwangerschaft wird auf 15-30 Prozent geschätzt, wobei 2/3 dieser Schwangerschaften - und es tut mir leid, dies sagen zu müssen - durch Fehl- oder Totgeburten beendet werden.
Die Wahrscheinlichkeit, das Kind zu schädigen, ist am höchsten NACH der 6. Schwangerschaftswoche, ein Zeitpunkt also, den Ihre Frau noch nicht erreicht hat. Darüber hinaus befindet Sie sich zwar rechnerisch in der 4. SSW (gerechnet ab der letzten Periode), ist aber tatsächlich erst 14 Tage schwanger (da das neue Leben erst nach dem Eisprung entstanden ist).
Hier liegt ein gute Chance für Sie: In den ersten zwei "richtigen Wochen" einer Schwangerschaft (und auch nur dann) arbeitet der Körper nämlich nach dem "Alles-oder-Nichts"-Prinzip. D.h. entweder hat Marcumar Ihrem Kind geschadet, dann wird die Schwangerschaft in den nächsten Tagen auf jeden Fall zu Ende gehen, oder das Kind überlebt unbeschadet! Eine Zwischenlösung kennt der Körper für diese zwei kurzen Wochen nicht, eine Schädigung des Kindes bei gleichzeitigem Überleben ist also nicht moeglich.
Ich weiss, dass die Mitteilung dieser nackten Fakten sehr hart ist, ich glaube aber dass Sie in diesem Fall Bescheid wissen müssen und ein "Drumherumreden" Ihnen nicht weiter hilft.
Was können Sie also jetzt tun? Setzen Sie sich sofort mit Ihrem behandelnden Arzt in Verbindung und teilen Sie ihm mit, dass Sie Marcumar unverzüglich absetzen werden. Als Antithrombosemittel in der Schwangerschaft hat sich - sofern diese Wirkung nach Ansicht Ihres Arztes weiter bestehen muss - Heparin bewährt. Das Absetzen ist wichtig, damit Sie auf keinen Fall länger als 14 Tage nach der Empfängnis Marcumar nehmen und damit den Zeitraum des "Alles-oder-Nichts"-Prinzips verlassen.
Dann müssen Sie erst einmal ein oder zwei Wochen in Ruhe abwarten. Sollte die Schwangerschaft bestehen bleiben, ist Ihr Kind mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht durch Marcumar zu Schaden gekommen. Sie sollen gleichwohl zu Ihrer eigenen Sicherheit und Beruhigung alle Vorsorgetermine gründlich wahrnehmen.

Ute Lichte, Pharmazeutin

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