
Gesicht, Hände, Lätzchen, Hochstuhl, Tisch, Boden und – wenn es ganz übel läuft – auch die Eltern oder Wände voller Nudeln mit Tomatensoße ... Der Anblick, wenn die Kids das Essen eigenständig in die Hand nehmen, kann ganz schön gewöhnungsbedürftig sein. Und endet nicht selten im kleinen bis mittelgroßen Chaos. Die Frage bleibt: Ist überhaupt etwas Mahlzeit IM Mini-Menschen gelandet? Wow! Durchatmen und locker bleiben, liebe Mamis und Papis! Es gibt wirklich gute Argumente dafür, das Trainieren der Tischmanieren mal auszusetzen und eure Kinder mit den Händen essen zu lassen.
BLW: Essen begreifen
Wenn ein Baby beginnt, nach dem, was auf dem Teller liegt zu greifen, ist das erstmal ein gutes Zeichen. Denn: Es zeigt Interesse am Essen. Gefüttert werden reicht nicht mehr aus, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, es will die Lebensmittel selbstständig entdecken und tastet sich heran. An diesem Prinzip orientiert sich übrigens der Ernährungsansatz Baby-led Weaning (kurz BLW). Die ersten Ess-Versuche sind verständlicherweise etwas unbeholfen. Denn das Sehen und das Ergreifen muss erst geübt werden. Eurer Kind trainiert die Auge-Hand-Koordination. Kinder nehmen bei Lebensmitteln Temperaturunterschiede wahr, lernen verschiedene Konsistenzen und Formen zu erfühlen und dementsprechend ihre Motorik, den Griff und die Kraft, die sie aufwenden, anzupassen.
Hier ist das Essen, aber wo ist der Mund?
Nach dem Tastsinn soll der Geschmackstest folgen. Das Essen von der Hand in den Mund zu schaffen, stellt sich aber bei den ersten Versuchen als gar nicht so leicht raus. Wo ist denn nun die Futterluke? Und wie bekommt man das Essen aus der fest geschlossenen Faust in den Mund? Auch wenn die ersten Portionen irgendwo im Gesicht landen, ist das überhaupt nicht schlimm. Durch das Ausprobieren wird die räumliche und die Körperwahrnehmung weiter gestärkt. Von Mal zu Mal wird der Bewegunsablauf routinierter und treffsicherer.
Zu guter Letzt ...
Die Koordination, die die Kids beim Essen mit den Händen üben, ist ebenso hilfreich dabei, letztendlich das Handling mit Besteck zu lernen: Ab einem bis eineinhalb Jahren könnt ihr damit beginnen eurem Kind einen Löffel anzubieten. Gabel und schließlich Messer kommen erst dazu, wenn es im Umgang mit dem Löffel sicher ist. Die meisten Kinder können ab etwa vier Jahren gut mit Besteck umgehen und essen.
Ganz wichtig: Lasst den Spaß beim Essen nicht zu kurz kommen. Der Mini-Mensch freut sich Neues zu entdecken und der Anblick ist dabei für uns doch auch oft einfach nur zum Schießen. Den Rest regelt dann später ein Feuchttuch. 😉
Bitte nicht zu früh saubermachen!
Aber auch dabei solltet ihr euch zurücklehnen, und das Kinder erst einmal essen und entdecken lassen, bevor ihr ständig mit dem Tuch im Gesicht herumfummelt. Ganz eindrücklich hat das der Kinderarzt Dr. Aaron Pfisterer in diesem humoristischen Reel dargestellt:
"Natürlich ist Sauberkeit wichtig – aber erst am Ende der Mahlzeit. Dein Baby lernt mit jeder Berührung, jedem Bissen und ja…auch mit jeder kleinen Sauerei", betont der Kinderarzt. "Beim Essen ist es wichtig, den natürlichen Lernprozess deines Babys zu respektieren. Ständiges Saubermachen kann diesen stören und sogar negative Assoziationen mit dem Essen schaffen", erklärt der Experte und weist daraufhin, dass so die natürliche Neugier, Unabhängigkeit und auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten beim Baby gefördert werden.