Gut gemeint, aber schlecht gemacht: So an die Hand genommen, lernen Babys nicht richtig laufen.© Foto: Getty Images/freemixer
Gut gemeint, aber schlecht gemacht: So an die Hand genommen, lernen Babys nicht richtig laufen.

Negative Auswirkungen der Handführung

  • Das Gleichgewicht wird nicht ausreichend trainiert, da die Eltern die Stabilität übernehmen.
  • Die "Spurbreite" der Beine wird enger, was das Gleichgewicht erschwert.
  • Bodenkontakt und das richtige Auftreten werden vernachlässigt, was zu Hohlkreuz und Zehenspitzenlaufen führen kann.
  • Die Hand sollte oft nur angeboten werden, wenn das Kind bereits selbstständig laufen kann.

Wenn das Kind beginnt, sich an Gegenständen hochzuziehen und die ersten wackeligen Schritte zu machen, wollen Eltern unterstützen und Sicherheit geben. Immerhin ist der aufrechte Gang ein großer Meilenstein, denn aufrecht die Balance zu halten ist gar nicht mal so einfach! Reflexartig nehmen wir das Baby beim Laufen lernendann bei den Händen – und laufen hinter, vor oder neben ihm mit. Der Gedanke dabei: Ich bin da, halte dich und fange dich auch auf, falls du fällst. 

Warum an der Hand laufen schädlich ist

Intuitiv reichen wir dem Baby die Hand, das kann doch nicht falsch sein, oder? Naja, das kommt tatsächlich darauf an: "Am besten man gewöhnt seinem Kind das Laufen an der Hand erst gar nicht an, sondern lässt es das Laufen gleich unabhängig selbst erlernen", so Jennifer Riedel, Kinderphysiotherapeutin nach Bobath. Zu Hause oder in geschlossenen Räumen suchen sich die Kleinen sowieso oft selbstständig Hilfe und finden diese zum Beispiel an Möbeln. "Nach der Hand verlangt ein Kind eigentlich nur, wenn es diese Art des Laufens beigebracht bekommt", weiß Jennifer Riedel. 

Viele reichen einem Baby die Hände aus dem Stand, sprich von oben und halten diese umschlossen, so geben wir ihm – in bester Absicht – Stabilität. Aber genau das kann schädlich sein: Es muss nicht so sehr auf sein Gleichgewicht achten, da wir diese Funktion teilweise übernehmen. "Beim Laufen lernen an der Hand ist die 'Spurbreite', also das Maß, wie weit die Beine auseinander stehen, enger – obwohl wir sicherer stehen, je breiter wir die Beine auseinandersetzen. Dabei ist das Gleichgewicht zu halten ein sehr wichtiger Schritt beim Laufen lernen", sagt die Kinderphysiotherapeutin. 

Auch der Bodenkontakt, das Auftreten mit der ganzen Sohle, wird an der Hand vernachlässigt. Die Folge: Das Baby verlässt sich auf die Stützhaltung, verlagert sein Gewicht nach vorne, macht ein Hohlkreuz und läuft viel auf den Zehenspitzen. Eine Körperhaltung, in der es alleine nicht laufen würde und könnte. Das Baby lernt nicht richtig, seine Schritte selbst auszubalancieren und verlässt sich sehr auf uns!

Kindern beim Laufen lernen helfen – aber richtig

Drei wichtige Tipps, um Kinder beim Laufenlernen zu unterstützen: 

  • Hände auf Babys Hüfthöhe reichen
  • Hände oder zwei Finger "weich machen" statt festen Halt zu geben
  • Stehen üben durch Spielmöglichkeiten in Bauchnabelhöhe

Keine Sorge, natürlich könnt ihr euer Baby trotzdem aktivdabeiunterstützen die Welt auf eigenen Beinen zu entdecken: Wenn es beim Laufen lernen die Hände schon nach euch ausstreckt, achtet darauf, ihm eure Hände auf Babys Hüfthöhe zu reichen. (Dass wir Erwachsenen in diesen Situtionen gekrümmt wie eine Banane herumlaufen, lassen wir hier mal außen vor.) Die Hände und Arme sollten dabei entspannt und nicht angespannt oder durchgestreckt sein und keine feste Stütze bilden, mit der ihr dem Kind Gewicht abnehmt. Stattdessen reichen sogar zwei locker hingehaltene Finger aus. Mit eurer Hilfe findet der Nachwuchs etwas Stabilität, merkt aber auch, dass er sich selber ausbalancieren muss, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Das ist wichtig, damit sich die Muskulatur richtig ausbildet. Dann heißt es: Lauf Baby, lauf!

"Laufen an der Hand, wenn ein Kind es alleine kann, ist natürlich völlig in Ordnung! In einigen Situationen – zum Beispiel im Straßenverkehr – ist das natürlich auch gar nicht anders möglich“, beruhigt Jennifer Riedel.

Sinnvolle Hilfen, um das Gleichgewicht zu trainieren

In der Lauflern-Phase hilft es eurem Kind, wenn ihr das Stehen und damit die Balance trainiert. Kleine Übungseinheiten könnt ihr gut "triggern", indem ihr Spielmöglichkeiten in Stehhöhe – ungefähr auf Höhe von Babys Bauchnabel – anbietet. Das kann zum Beispiel ein Kinderstuhl, ein Karton oder ein umgedrehter Korb sein. Übrigens: Dabei oft barfuß zu sein, stärkt Babys Muskulatur und sorgt für eine gute Körperhaltung – natürlich nur, wenn die Temperaturen und der Untergrund das zulassen.