Ertrinkungsgefahr

Bitte lasst euer Baby im Schwimmkurs nicht tauchen!

Es gehört eben dazu: das Untertauchen im Babyschwimmkurs. Oder nicht? Es soll dabei ja schließlich nichts passieren. Eine entscheidende Rolle spielen Atemschutz- und Tauchreflex des Babys. Doch wie lange dieser anhält? Ungewiss.

Baby beim Tauchen im Babyschwimmkurs© iStock
Mit etwa drei Monaten können Babys mit Mama an einem Babyschwimmkurs teilnehmen. Das Untertauchen gehört häufig zum Programm.

Tauchen im Babyschwimmkurs ist so eine Sache. Heiß umstritten. Und mit viel Herzschmerz verbunden. Irgendwie gehört es zum Programm. Und die Kursleiterin ist so nett. Alle machen es. Also: Los, einmal das Baby untertauchen. Augen zu und durch. Aber ist das wirklich ungefährlich? Das Kleine kann schließlich nicht zustimmen, wenn es im nächsten Moment plötzlich untergetaucht wird. Und besteht da nicht große Ertrinkungsgefahr?!

Weshalb Babys (theoretisch) ohne Probleme tauchen können

In vielen Babyschwimmkursen bildet das Tauchen einen festen Programmpunkt. Das sei aufgrund des angeborenen Atemanahaltereflexes kein Problem. Das stimmt auch. Theoretisch. Doch Moment, gibt es nicht auch den Tauchreflex? Viele Eltern denken, dass beide Begriffe dasselbe meinen. Doch das stimmt nicht ganz. Darin besteht der Unterschied zwischen Atemanhaltereflex und Tauchreflex: "Kommen Mund und Nase des Babys mit Wasser in Berührung, blockiert der Atemanhalte- bzw. Atemschutzreflex (so auch oft genannt) die oberen Atemwege unmittelbar. Das heißt: Sie verschließen sich, um ein Eintreten von Wasser zu verhindern", erklärt Hebamme Jasmin Treiber-Meier. "Der Tauchreflex wird ausgelöst, wenn das Baby ins Wasser getaucht wird. Dabei wird die Atmung gestoppt und der Herzschlag verlangsamt. Der Puls senkt sich um circa zehn Schläge pro Minute, um den Sauerstoffbedarf zu reduzieren."

Wie lange hält der Atemanhaltereflex an?

Die Krux am Babytauchen: Man kann nicht vorhersagen, wann Kinder diese Reflexe verlieren. Bei einigen ist das früher, bei einigen später der Fall. Jasmin Treiber-Meier weiß: "Die Studien sind hier noch nicht abgeschlossen – der Atemanhaltereflex bleibt nach bisherigen Erkenntnissen vermutlich bis zu sechs Monate erhalten. Was man sicher weiß: der Atemanhaltereflex kann vom Tauchreflex durch regelmäßiges Training (Tauchen) abgelöst werden. Eltern können sich also nicht sicher darauf verlassen, dass ihr Baby diese Reflexe bis zum sechsten Monat überhaupt noch hat."

Kinderarzt wart vor Ertrinkungsunfällen

Wann Kinder diesen Reflex verlieren, ist also sehr individuell. Kinderarzt Dr.med. Vitor Gatinho sagt sogar: "Manche Babys haben bereits schon nach vier Wochen (!) KEINEN Atemanhaltereflex mehr." Und wenn dieser Reflex weg ist, gibt es keinen zuverlässigen Schutz mehr gegen das Ertrinken. Es drohe ein Ertrinkungsunfall. 

Auch DLRG rät davon ab, Babys unter Wasser zu tauchen

Auch ein vorheriger Test des Reflexes hilft da nicht wirklich weiter, das sagt auch die DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft): 

Eine regelmäßige Testung des Atemanhalte-Reflexes, u.U. in jeder Kursstunde, ist schwer umsetzbar. des Weiteren muss der Test richtig interpretiert werden und bei der Übung auch das Nachlassen des Reflexes rechtzeitig erkannt werden. Daher empfiehlt die medizinische Leitung: Im Rahmen des Babyschwimmens in der DLRG sollen Untertauchübungen nicht durchgeführt werden.

So läuft das Baby-Tauchen genau ab

Häufig wird zuerst nur etwas Wasser über die Arme gegossen, dann über den Hinterkopf und schließlich auch über das Gesicht. Erst dann, wenn dieses Ritual vom Baby entspannt angenommen wird, kann mit dem eigentlichen Tauchen begonnen werden. Häufig wird das Baby auch direkt angesprochen und ihm kurz erklärt, was passiert – Mutter oder Vater tauchen dann zunächst vor und zeigen, dass alles okay ist. Um den Atemanhaltereflex auszulösen, wird das Baby im Mund- und Nasenbereich angepustet, dann kann es zügig eingetaucht werden. Dabei tauchen Mama oder Papa entweder gemeinsam mit dem Kind senkrecht ins Wasser oder das Baby wird waagerecht unter Wasser, eine Armlänge zur Mutter oder Vater hin, bewegt. 

Die Vorteile des Babyschwimmens 

  • Teilnahme ist schon ab etwa drei Monaten möglich, sobald Babys das Köpfchen allein halten können.
  • Babys sammeln unterschiedliche motorische Erfahrungen.
  • Der Gleichgewichtssinn wird geschult.
  • Die anatomische und organische Entwicklung wird gefördert.
  • Die Eltern-Kind-Beziehung wird gestärkt

Herzschmerz im Becken: Wenn Tauchen beim Babyschwimmen zur Hürde wird

Viele Mütter berichten, dass sie einen großen Herzschmerz verspürten, als sie im Babyschwimmkurs ihr Kind untertauchen sollten. "Ein zunächst mulmiges Gefühl beim Untertauchen des Babys ist nachvollziehbar und natürlich", sagt Jasmin Treiber-Meier. "Doch für die Kleinen bedeutet das Tauchen in der Regel keinen Stress. Fühlen sich Eltern beim Tauchen jedoch unwohl, bemerkt das auch ihr Kind. Damit wird das Tauchen negativ behaftet und erfüllt nicht seinen Sinn. Deshalb sollten die Eltern ihre Gefühle ernst nehmen und nur dann Tauchen, wenn sie sich damit auch wirklich wohlfühlen", so die Expertin. 

UND: Ob das Tauchen (noch) sicher ist und der Atemanhaltereflex noch besteht, nun, dabei können sich die Eltern eben nie sicher sein. Deshalb: Eltern sollten sich niemals zum Tauchen drängen lassen – und im Zweifel lieber drauf verzichten.

Das Baby untertauchen: Sind negative Auswirkungen möglich?

Wenn Eltern doch mitmachen wollen, gibt die Expertin eine klare Empfehlung: "Das Baby unter Wasser nicht loslassen!" Denn: Durch den fehlenden Körperkontakt könnte das Kind Angst bekommen. Das heißt auch: Wenn sich das Baby verschlucken sollte oder weint, darf beim Trösten keine Panik vermittelt werden. Am wichtigsten ist und bleibt es, immer auf die Gefühle und Reaktionen des Babys zu achten. "Sollte es sich abwenden, weinen oder sonstige Unsicherheiten zeigen, ist das Tauchritual abzubrechen", rät Jasmin Treiber-Meier. 

Kann das Untertauchen sich negativ auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind auswirken? 

Auch hier gilt: Achtet auf euer Kind. Hat es Freude und Spaß im Wasser – und vielleicht sogar am Tauchen? Dann sind keine negativen Auswirkungen auf die Beziehung zu erwarten. "Das Tauchritual sollte jedoch nur von Bezugspersonen des Babys, also Mama oder Papa, durchgeführt werden – nicht von Unbekannten, wie zum Beispiel der Kursleitung", so die Expertin. Außerdem wichtig: "Während des Tauchens ist der Körperkontakt beizubehalten, um dem Baby Sicherheit zu geben." Dabei ist auf die Reaktionen des Kindes zu achten und diese zu berücksichtigen. Das heißt also eventuell auch, den Tauchvorgang abzubrechen. "Ebenso sollten Eltern ihre eigenen Gefühle beim Tauchen ernst nehmen: Fühlen sie sich unwohl, überträgt sich das auf ihr Kind. In dem Fall ist dann vom Tauchen abzusehen.“

Werden verschiedene Grundsätze beim Tauchen eingehalten, seien keine Komplikationen zu erwarten: "Das Tauchritual sollte allerdings gut vorbereitet und langsam aufgebaut werden", sagt Jasmin Treiber-Meier. Dazu gehöre vor allem das oben beschriebene Vorgehen.

Folgendes Video sorgte auf sämtlichen Social-Media-Kanälen für viel Aufsehen und ging viral. Er löste erneut eine Debatte über die Technik aus. Einige selbsternannte Experten warnten ausdrücklich vor der Methode. Andere behaupteten, dass sie sicher sei, weil Babys "instinktiv schwimmen können". Uns ist ehrlich gesagt das Herz in die Hose gerutscht, als wir uns den Clip angesehen haben. Aber schaut selbst:

Fazit: Tauchen beim Babyschwimmen – ein umstrittenes Thema

Ja, das Thema "Tauchen bei Säuglingen" ist brisant und allseits umstritten. Es gibt Befürworter, es gibt Gegner. Eltern sollten sich also nicht einfach so dazu überreden lassen – ohne die Fakten zu kennen. Informiert euch. Hört auf euer eigenes Bauchgefühl und beobachtet, wie euer Baby reagiert. Schließlich geht es beim Babyschwimmen ja darum, positive Erfahrungen zu schaffen. Und nicht darum, das Kind in Angst und Schrecken zu versetzen. Oder es sogar in Gefahr zu bringen. 

Hinweis: Ihr seid unsicher beim Thema Tauchen im Babyschwimmkurs? Im Zweifel könnt ihr auch euren Kinderarzt um ehrlichen Rat fragen.