Elternfragen im Check

Darf ich mich in die Erziehung meiner Freunde einmischen?

In Freundschaften ist Offenheit ein wichtiges Gut. Aber gilt das auch in Sachen Erziehung? Comedian Jörg Schumacher hat sich darüber Gedanken gemacht.

Ist es okay, die Erziehung von Freunden zu kritisieren?© iStock / Nenad Stojnev

Neulich traf ich einen Nachbarn in der Tiefgarage. Seine Kinder (vier und fünf Jahre alt) saßen in einem Fahrradanhänger, der an sein eigenes Fahrrad gekoppelt war. Er wollte mit dem Fahrstuhl nach oben. Beruhigend redete er auf seine offenbar störrischen Kinder ein – die ihn komplett ignorierten. Als ich nach einer Stunde wieder runterkam, stand er immer noch da. Seine Kinder ignorierten ihn auch immer noch. Und er war jetzt leicht genervt. Ich überlegte, was ich tun würde – wahrscheinlich schreien.

Was will ich mit der Geschichte sagen? Jeder hat seinen eigenen Stil – und inzwischen auch seine eigene Philosophie. Meine Eltern waren noch streng, bei den Großeltern "setzte es auch mal was" – das ist heute undenkbar. Leben und leben lassen wird immer dann schwer, wenn es konträr zu den eigenen Erziehungsmethoden läuft.

Ein Beispiel: Ich habe Freunde, die sind tiefenentspannt bei dem Thema "Eis auf dem Sofa oder Kekse oder Krümel" – vor allem in fremden Wohnungen. Das Problem: Ich habe nur eine Couch, und wenn die schon Eisflecken bekommt, dann wenigstens von mir (also von meinen Kindern)! Aber was tun? Eingreifen (und dastehen wie der Spießer, der peinlich darauf bedacht ist, das nix dreckig wird?). Oder die einfach nie wieder einladen (was ich am liebsten tun würde)? Aber es sind ja Freunde, an denen ich auch viele Dinge schätze ... Na ja, ich klebe jetzt jedes Mal die Wohnung ab und behaupte: "Morgen kommt der Maler!" Okay, ich gebe zu, ab dem dritten Mal wird es unglaubwürdig, aber dann sage ich einfach achselzuckend und augenrollend: "Na, ihr wisst schon, seit Corona haben die Maler doch nie Zeit!"

Scherz beiseite: Elternsein ist heute anders als noch vor dreißig, vierzig Jahren: Es gibt nicht den einen richtigen Weg ...

Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich meine Eltern um viele Dinge einfach viel weniger Gedanken gemacht haben und dass wir so mitliefen. Da wurde viel über unsere Köpfe hinwegentschieden. Aber hat uns das geschadet und unseren Willen gebrochen oder war es eher eine Erleichterung für alle (mindestens für die Eltern)?

Wie auch immer: Eltern von heute scheinen viel mehr zu hinterfragen und die Dinge viel mehr zu durchdenken, die ihre Kinder betreffen. Sie wollen vieles anders machen als ihre eigenen Eltern (was ein Hinweis da- rauf sein könnte, dass uns die alten Erziehungsmethoden vielleicht nicht ganz so gutgetan haben, auf jeden Fall nicht ganz so gut gefallen). Aber sie sind auch unsicherer. Ist das falsch? Ich finde, nicht unbedingt.

Ich bin der Meinung: Natürlich sollte man Kindern möglichst früh Grenzen aufzeigen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, nachts ins elterliche Bett zu kriechen. Das haben wir ganz gut geschafft: Unser jüngerer Sohn schläft immer noch bei uns – mit 27, äh, zwölf! Wir hatten in der entscheidenden Phase einfach nicht die Kraft, ihn schreien zu lassen, nächtelang.

Und während das Umgewöhnen ins eigene Bett und Zimmer beim ersten Sohn wirklich toll geklappt hat – wir haben eine Wiege auf Rollen eingesetzt und ihn darin ganz tricky von unserem Schlafzimmer einfach in seins geschoben –, hat es das beim zweiten überhaupt nicht. Noch heute ist es, wie gesagt, so, dass er mitten in der Nacht kommt: "Ich kann nicht einschlafen!" Um dann, wenn er fünf Minuten in unserem Bett liegt, wegzunicken. Nur wir sind dann hellwach. Also meine Frau. Ich schlafe wie ein Stein, egal, was passiert. Und wundere mich dann morgens, wer alles im Bett liegt.

Ich weiß nicht, warum Kinder so unterschiedlich geraten – oder sind es die Eltern, die sich immer anders aufführen in ihrer ganzen Unsicherheit und Noch-Bessermacherei? Ich rate jedenfalls dringend zu Toleranz (und dazu, die Klappe zu halten), wenn ihr andere Eltern dabei beobachtet, wie sie ihren Nachwuchs eurer Meinung nach nach Strich und Faden verziehen. Denn alles hat seine Geschichte. Und meist sind die ziemlich witzig (natürlich nur für andere, nicht für die Eltern selbst).

Zum Weiterlesen: "Fragen, die sich Eltern nicht zu fragen wagen"

© Junior Medien

Sobald ein Baby unterwegs ist, kommen Fragen auf, die sich viele nicht mal zu googeln wagen. Die Antworten gibt es jetzt trotzdem: in dem neuen Buch "Fragen, die sich Eltern nicht zu fragen wagen: 55 längst überfällige Antworten für Mamas & Papas" des Hamburger Stand-up-Comedian und zweifachen Vaters Jörg Schumacher.

Erhältlich ab 7. Oktober, Junior Medien, 144 Seiten, 14,95 Euro. Jetzt schon bei Amazon vorbestellbar.