Kinder nicht erwünscht

Kinderfreie Restaurants: Muss das wirklich sein?

Adults only, Kinder verboten! Kein Witz, so oder ähnlich lauten immer wieder Verhaltensregeln in Lokalen. Wie weit dürfen Gastwirte gehen? Und was bedeutet das für Eltern und ihre Kinder? Ein jüngstes Beispiel aus dem Ostseebad Dierhagen erhitzt die Diskussion erneut.

In "kinderfreien" Restaurants gibt es sowas nicht.© Foto: Getty Images
In "kinderfreien" Restaurants gibt es sowas nicht.

Kinderfreie Zonen

Immer wieder verbieten Gastronome und Hotelbetriebe Kindern den Zutritt. Nachdem kürzlich eine Gastwirtin im Ostseebad Dierhagen auf der Insel Darß öffentlich erklärte, dass in ihrem Restaurant "Schipperhus" Kinder ab 12 Jahren Hausverbot hätten, war der Aufschrei groß – aber auch der Zuspruch. Kontroverser kann eine Diskussion wohl kaum geführt werden. 

Was steckt dahinter?

Ein weiteres Beispiel sorgte schon vor ein paar Jahren für ordentlich medialen Wirbel: Der Gastronom Rudolf Markl verwehrt in seinem Restaurant "Oma’s Küche und Quartier" auf Rügen ab 17 Uhr Kindern unter 14 Jahren den Zutritt.

Genrell wollen diese Gastronomien ihre Gäste und Angestellte vor unkontrolliertem Geschrei, im Gastraum herumtobenden Kindern und lautstarken Auseinandersetzungen mit deren Erziehungsberechtigten schützen. Ein Kinderwagenverbot soll anderen Gästen eine Störung durch sperrige Vehikel, brüllende Babys oder stillende Mütter vorenthalten. 

Oft geht es den Gastwirten auch darum, die "ignoranten Eltern" zu bestrafen, die nicht eingreifen, wenn die Kinder sich danebenbenehmen. Der Wirt von Omas Küche in Binz betont, sein Verbot für Minderjährige erfolgte erst nach vermehrten Problemen mit unerzogenem Nachwuchs und uneinsichtiger, passiver Eltern. Seinen Gästen wolle er Entspannung und eine "Oase der Ruhe" bieten. 

Auch PR ist mitunter ein Grund für Gastgeber, Regeln vorzugeben: besser mit klarer Kante polarisieren als gar keine Presse! In dem Angebot von Lokalen, die ihre ablehnende Haltung Kindern gegenüber subtiler signalisieren, haben hingegen weder Kinderstühle noch kindgerechte Gerichte Platz.

Reaktionen auf das Kinderverbot

Solche Verbote sind ein Schlag ins Gesicht für alle Eltern, die für die Rechte ihrer Kinder einstehen. In Foren und Sozialen Medien wüten zu dem Thema regelmäßig Shitstorms, in denen als Reaktion auf explizite Kinderverbote von Diskriminierung, Familienfeindlichkeit und "typisch deutsch" die Rede ist. 

Indes freuen sich viele Kinderlose über die plötzlichen paradiesischen Zustände, beim auswärts Essen oder etwa im Spa vom Erwachsenenhotel nicht mehr von unkontrollierbaren Ausbrüchen und gellendem Gekreische kleiner Kinder gestört zu werden. 

Zugegebenermaßen handelt es sich bei kindlichem Benehmen in der Öffentlichkeit häufig um eine echte Belastungsprobe für andere Anwesende. Schnell lässt man sich hinreißen zu Verständnislosigkeit und Urteilen über die schlechte Erziehung der anderen.

Verstößt ein Kinderverbot gegen das Gesetz?

Der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zufolge schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auch vor Benachteiligungen des Lebensalters, Kindesalters inklusive. Rechtsanwalt Christian Schade betont, eine unterschiedliche Regelung für Gäste könne nur bei einem nachvollziehbaren Grund zulässig sein.

Ein erhöhter Lärmpegel, durch den sich Gäste gestört fühlen, sei nicht unbedingt ausreichend für ein solches Verbot. Hingegen riskieren Wirte wie Rudolf Markl auf Rügen durch sein pauschales Zutrittsverbot im Falle einer Klage betroffener Eltern sogar eine Entschädigungszahlung, wenn tatsächlich ein Diskriminierungsfall nachzuweisen sei. 

Verbände und Tourismusbranche reagieren verhalten

Vorsichtiger Gegenwind in Sachen Kinderverbot in "Omas Küche" kommt auch vom Hotel und Gaststättenverband (DEHORGA) Mecklenburg-Vorpommerns. Präsident Lars Schwarz spricht Gastgebern zwar eigene unternehmerische Entscheidungen zu, dennoch unterstreicht er die grundsätzliche Kinderfreundlichkeit, auf die sein Bundesland abziele. Demzufolge gebe es hier auch vermehrt Lokale und Hotels, die Familien und Kinder explizit erwünschen. 

Wie die DEHORGA betont, schütze das AGG aber auch die Gastronomen. Danach erstritt eines der Adults-only-Hotels bereits 2013 vor Gericht in Hannover seine Zulässigkeit des Kinderverbotes. Zur Begründung wurde hier das "gänzlich andere Ruhe- und Erholungsbedürfnis" von Kindern und Erwachsenen angeführt. 

Spezialisierungen auf Familien- oder auch auf kinderfreie Hotels für Erwachsene sind in der Tourismusbranche nichts Neues. Da die Reisanbieter immer mehr auf individuelle Bedürfnisse eingehen und jeder Hotelier seine Zielgruppe selbst auswählen kann, sind beide Segmente gleichermaßen erforderlich. 

Den Wirt von "Omas Küche" lassen die Debatten kalt. Er freut sich nach wie vor über volle Tische und viel positive Resonanz auf seine abendliche Kinderfreiheit. Bereits 2007 fiel Markl damit auf, als erster Wirt sein Lokal zum Nichtraucherlokal zu erklären, noch bevor das allgemeine Rauchverbot überhaupt in Kraft trat. Und auch das wurde gut angenommen.

Wird unser Land zunehmend kinderfeindlicher?

Oder haben Gastgeber das gute Recht, sich und ihren Gästen Ruhezonen zu sichern, weil Kinder (und deren Eltern) mehr und mehr rücksichtslos sind?

Der Aufenthalt vom Nachwuchs in Restaurants ist ein schmaler Grat. Sowohl die Eltern mit Kleinkind, die mal gemeinsam raus wollen, als auch die Kinderlosen, die sich nach ruhigem Ambiente sehnen, fordern Toleranz. Von allen. 

Gleichzeitig möchte der Gastwirt seine Gäste nicht verlieren, die im Lokal eine erholsame Zeit genießen möchten. Die Gefahr besteht, dass sie aufgrund solcher Belastungsproben beim nächsten Mal eine andere Location vorziehen würden.  

Erfahrungen machen und Grenzen setzen

Fakt ist: Kinder müssen am öffentlichen Leben teilhaben dürfen, um Erfahrungen zu machen und das echte Leben außerhalb der heimischen vier Wände kennenzulernen. 

Wer Grenzen aufzeigen will, muss mit seinen Kindern auch in reale Situationen eintauchen und genau dort Erziehung üben. Live und vor gemischtem Publikum. Selbst, wenn sich Sohnemann trotzig auf den Boden wirft, mit den Fäusten trommelt und man den kritischen Blicken und Kommentaren der anderen ausgeliefert ist. 

Künftig ohne- oder miteinander?

Im Zweifel hilft es niemanden, den öffentlichen Raum zwischen Eltern und Kinderlosen zu trennen. Und damit Kinder aus der Gesellschaft auszugrenzen. Keine Frage, dass die meisten Eltern öffentliche Wutausbrüche ihres Kindes selber ärgern und peinlich genug sind. Schließlich werden die Kleinen ja auch mal groß. Und wie sollen sie dann unerprobt wissen, wie man sich in Gegenwart Fremder zu benehmen hat? 

Unser Tipp: Einfach mal ein Auge zudrücken, wenn es am Nachbartisch Peng macht. Schließlich war man selber mal klein, wenn auch heutzutage in der Erziehung andere Regeln gelten. Außerdem kennt man sicher bereits seine Plätze, die einem abends eine ruhige Auszeit bescheren. 

Gastgeber sollten an ihre Gäste von morgen denken und für Eltern gilt: nicht alles dulden, was das gesellschaftliche Miteinander stört und den Kids klare Ansagen machen. Zur Deeskalation vielleicht auch mal im Lokal eine Cola erlauben, die sonst nicht drin wäre. Weil der Besuch eines Restaurants doch etwas besonders und dort nicht alles wie im Alltag zu Haus ist. Also nicht trotz, sondern wegen der Kinder und deren Erziehung ins Restaurant gehen! Und wenn es dann im Lokal miteinander besser klappt, sind sicher auch die Gastgeber kinder- und vor allem elternfreundlicher gestimmt! 

Ein interfamiliäres Miteinander wie in den südeuropäischen Ländern wird hierzulande im öffentlichen Raum nicht zu erwarten sein. Und strikte Verbote werden hoffentlich weiterhin die Ausnahme bleiben. Aber eines ist sicher: So oder so wird es bei pauschalen Ausschlüssen – ob von Männern, Frauen oder Kindern – weiterhin zu hitzigen Debatten kommen. 

Autorin: Antonia Müller

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