Zunächst hieß es, dieses Jahr sei der Laternenumzug nur für die Vorschul- und ersten Klassen. Im ersten Moment fand ich das unfair für die "Großen", zu denen mittlerweile auch mein Sohn gehört. Gestern hieß es dann, alle dürften kommen. "Oh nein", war mein erster Gedanke. Meistens ist pünktlich zum Martinstag (1.) schlechtes Wetter – jedenfalls hier in Hamburg. Der Laternenumzug an unserer mit rund 500 Kindern doch recht großen Grundschule ist eher ein (2.) Massenwarten als ein gemütlicher Spaziergang: Zunächst versammeln sich die Kinder mit ihren Familien auf dem Schulhof, da kommen also geschätzt locker 1.000 Leute zusammen (die rausgerechnet, die ohnehin nicht teilnehmen), es ist ein Gedrängel, Geschiebe und Gelärme.
Geht es dann endlich los, sind (3.) die meisten Füße schon nass oder zumindest kalt. Abgesehen davon (4.) hören die meisten von uns – aufgrund der Länge des Umzugs – überhaupt nichts vom Spielmannszug. Der Gesang einiger mitlaufender Kinder und Eltern wird sowieso vom Stimmengewirr übertönt – es wird mehr geredet als gesungen.
Gemütliches Laternelaufen? Von wegen!
Beim ersten Laternenumzug in seiner Schule hat mein Sohn die ganze Zeit nur einen bestimmten Jungen gesucht. Wir warteten also mit der ganzen Familie, bis alle an uns vorübergezogen waren und liefen dann den ganzen Zug von hinten bis vorne ab, nur um diesen Jungen dann doch nicht zu finden. Die Suche hat alles bestimmt, aber nichts gebracht und (5.) Gemütlichkeit ist auch nicht aufgekommen.
Am Ende gibt es (6.) alkoholfreien Punsch auf dem Schulhof, aber auch hier herrscht wieder nur endloses Gedränge, sodass man eigentlich keine Lust hat sich anzustellen, nur um nach einer halben Ewigkeit einen Schluck des klebrigen Zuckergetränks zu ergattern.
Ein Laternenumzug ist an sich eine schöne Idee
Zugegeben, die Idee, St. Martin zu feiern und Laterne zu laufen, finde ich schon schön. Die Frage ist nur wie. In der Kita meines Sohnes hat die Pastorin damals sogar mit ein paar Kindern die Geschichte des Heiligen St. Martin im Park in kleiner Runde als Theaterstück aufgeführt, das war richtig gut.
Und übrigens: Zu Coronazeiten sind die Menschen richtig kreativ geworden und haben tolle Alternativen für einen Massen-Laternenumzug entwickelt. So berichtete meine Kollegin Claudia in der Redaktionskonferenz, dass sie für die Schulklasse ihrer Zwillinge (sie war Elternvertreterin) ein Zoom-Meeting zu Ehren der Laternen organisiert habe. Dort durfte jedes Kind seine Laterne vorstellen und sagen, welches Laterne-Lied es am liebsten hat. Dann wollten sie probieren, alle zusammen ein Lied zu singen – was aufgrund der Verzögerungen durch Video-Anrufe recht spaßig wurde (wir haben es in der Redaktion mit "Happy Birthday" erfolglos getestet …) Anschließend hat meine Kollegin dazu augefrufen, dass alle Familien einzeln mit ihren Kindern einen kleinen Abendspaziergang machen. Und wer will, konnte dann natürlich seine Laterne mitnehmen.
In der Kita des Sohnes meiner Kollegin Jana wurden auch die letzten zwei Jahre Laternen gebastelt und einfach als Deko in der Kita aufgehängt. Das stelle ich mir auch hübsch vor.
Kein Regen, kein Gedränge auf unserem Mini-Laternenumzug
Jedenfalls war ich ganz froh, als mein Sohn mir gestern eröffnete, mit seinem Freund alleine auf den Laternenumzug der Schule gehen zu wollen (natürlich bringe ich ihn hin und hole ihn ab). Und: Mein Mann und ich werden vermutlich auch dieses Jahr mit unserem Sohn wieder zusätzlich eine kleine "Nachtwanderung", wie er es nennt, unternehmen. Mit drei Laternen, die mein Sohn in den Vorjahren gebastelt hat. Ohne Geschiebe und Gedränge. Dafür suchen wir uns einen Tag aus, an dem es nicht regnet. Und genießen die Ruhe und den schönen Lichtschein der Laternen. Einfach nur zu dritt.
