Freundinnen mit Kindern© iStock/Morsa Images

Ich habe die ersten neun Monate meiner Mutterschaft in der Stadt gewohnt. Mitten in Hamburg. Drei Zimmer. 70 Quadratmeter. Knarzende Holzdielen. Und latenter Schimmel in den Altbau-Ecken. Aber dafür immer ein Café in der Nähe mit wirklich gutem Kaffee. Einerseits hatte es Charme, als Familie in der Stadt zu leben – für uns kam dann irgendwann aber auch der richtige Zeitpunkt, wieder zurück aufs Land zu ziehen. Ein Haus im Grünen. Mit Garten und eigenen Kinderzimmern für unsere mittlerweile drei Jungs. So sind mein Mann und ich aufgewachsen. Und so haben wir es uns auch für unsere eigenen Kinder gewünscht. Dass mit diesem Umzug auch ein paar Klischees erfüllt wurden, ist uns nicht erst mit der Zeit klar geworden. Einige davon habe ich gesammelt. Vielleicht erkennen sich die ein oder anderen ja wieder!? Aber Achtung, bitte auch mit einer gehörigen Prise Humor lesen! ;-)

"Spielplatz? Wir haben doch einen Garten!"

Während sich das halbe Leben von Kita-Eltern in der Stadt auf dem nächstgelegenen Spieli abspielt, verabreden sich Dorfeltern gern im eigenen Garten. Der ist dann meist auch sehr viel besser ausgestattet als jeder Dorf-Spielplatz, die oftmals leicht verwahrlost und uninspiriert daherkommen: quietschende Schaukel, wackelige Wippe und ein bisschen Sand. Das sollte Kindern doch reichen, denken sich wohl die deutschen Kommunen ...!? Wenn man so auf die Spielplätze in Städten wie Hamburg oder München linst, findet man hingegen kreative Klettergerüste und zahlreiche Spiel-Angebote für größere und kleinere Kids. Da kann man seine Nachmittage auch gut und gern verbringen. Ach was, ganze Sommer. Und irgendwie ist es ja auch einfach gemütlich und kommunikativ. So manche Eltern-Freundschaft ist schon auf einer Spielplatz-Bank entstanden. Diese unkomplizierte Begegnungsstätte musst du dir auf dem Dorf etwas härter erkämpfen. Und für den nächsten schönen Spielplatz sehr viel weiter fahren. Schade!

"Macht ihr Pekip, Delfi oder Babysigns?" "Ähm, wir gehen zum Kinderturnen!"

Während in Großstädten das Angebot für Aktivitäten für Neu-Eltern nicht größer sein könnte, findest du in ländlichen Gebieten ein eher übersichtliches Angebot. Da freut man sich schlicht und einfach aufs Babyturnen. Und mal ehrlich, wenn wir das Thema auf die Meta-Ebene holen, ist das Prinzip doch eigentlich überall das Gleiche: Diese Kurse sind weniger für Babys gemacht als für ihre Eltern. Ich habe mich in meinen Pekip-Kurs in Hamburg-Ottensen zumindest sehr wohlgefühlt. Mindestens genauso wohl wie beim Babyturnen im Nebenraum des örtlichen Turnvereins. Einmal die Woche alle Sorgen über schlaflose Nächte, zahnendes Baby und Beikost-Verweigerung abladen – und dabei auf Gleichgesinnte stoßen, die sich den Monolog gern anhören, um ihren dann auch loszuwerden. Vielleicht sollten wir es einfach Selbsthilfegruppen für besorgte Erstlingseltern nennen, statt die Motorik-Übungen unserer Kleinen in den Mittelpunkt zu mogeln. 

"Kinderwagen? Wir brauchen nur den Maxi-Cosi!"

Kein Witz, ich habe auf dem Land wirklich Eltern kennengelernt, die mir erzählten, dass sie ihren Kinderwagen gar nicht bräuchten. Und zwar nicht, weil ihr Baby nur getragen werden wollte. Sondern weil sie so gut wie jeden Weg mit dem Auto zurückgelegt haben. Eine Mama berichtete mir sogar, dass sie sich beim zweiten Kind gar keinen Kinderwagen mehr angeschafft hat, – den ersten hatte sie schon verkauft – weil sie einfach immer mit dem Auto unterwegs ist. Ihr Baby schlafe entweder im Maxi-Cosi unterwegs oder zu Hause. Endlose Spaziergänge in der weiten Natur sind also nicht immer der Standard bei Eltern, die auf dem Land leben. Ich wage die steile Thesen, dass auf dem Land sogar mehr Zeit im Auto verbracht wird als in der Stadt. 

Immer diese Extrawünsche ...

"Also wir sind in der veganen Kita!" 
"Bei uns ist die Küche zuckerfrei!" 
"Mein Kind verträgt eh kein Gluten!"
"Und bei euch so?" 

"Ähm, meine Kinder lieben Fischstäbchen!" 

Da wir hier ja ohnehin schon ohne Ende überspitzen, dürfen wir das auch beim Thema Ernährung. Unterhalte ich mich mit Familien, die in der Stadt wohnen, könnte man fast meinen, ihre Kinder sind so richtige Feinschmecker oder werden zumindest zu solchen deklariert. Da kommen bereits in jungen Jahren Unverträglichkeiten und ganz besondere Essgewohnheiten zu Tage, während auf dem Dorf Fischstäbchen mit TK-Spinat serviert werden. Hauptsache das Kind isst was Warmes!

"Wollt ihr denn gar kein zweites Kind?" 

Die K-Frage. Und warum sie so prekär sein kann. Darüber hat unsere Autorin Silke Schröckert in diesem Artikel eindrücklich und vor allem sehr einsichtig geschrieben: "Die Familienplanung anderer ist kein Smalltalk-Thema". Tatsächlich berichtete mir eine Freundin, die kürzlich aufs Land gezogen ist, dass genau diese (in ihrem Fall durchaus sensible) Frage nach dem zweiten Kind ihr nun wieder viiiiel häufiger gestellt wird. Ist die Erkenntnis, dass man Menschen mit einem unerfüllten Kinderwunsch mit solchen Fragen durchaus verletzen kann, in städtischen Gebieten tatsächlich schon weiter fortgeschritten? 

Apropos Anonymität: Die findest du wohl eher in der Stadt

Zugegeben: Wer ein Leben in Anonymität leben möchte, ist in der Stadt vielleicht etwas besser aufgehoben, ob der schieren Menge an Menschen. Obwohl ich hier ausnahmsweise auch mal klar gegen das Klischee argumentieren muss: Ich kenne zig Geschichten aus meinem Umfeld über total herzliche Nachbarschaften in Mietshäusern. Über Freundschaften, die im Treppenhaus entstanden sind und den Etagen trotzen. Und andersherum kenne ich persönlich nicht jeden Nachbarn in meiner Dorfstraße ... 

"Dein Mann nimmt auch Elternzeit? Wie toll!"

"Ist das süß, dass heute auch mal der Papa den Kinderwagen schiebt!" Engagierte Väter. Was aus der Szenerie deutscher Großstädte zum Glück nicht mehr wegzudenken ist, wird in ländlichen Gebieten gern noch mal von anerkennenden Kommentaren begleitet à la "Ach, wie toll, dass der Papa auch mithilft." Ähm ja, denn er hat das Kind ja schließlich zu 50 Prozent mitproduziert. Im Übrigen hilft er nicht der Mutter. Er kümmert sich hoffentlich genau so gern wie seine Partnerin um das eigene Kind. Hallo 2023! Und: Natüüüürlich gibt es in ländlichen Regionen mittlerweile auch immer mehr Papas, die anpacken und sich ihrer wichtigen Rolle bewusst sind. Und auch in Städten gibt es noch Familien, die in eher unausgewogenen Rollenverteilungen leben. Klar, jeder so wie er oder sie mag, aber sich dessen immer mal wieder bewusst machen, schadet mit Sicherheit nicht. Der nachfolgende Artikel greift das Thema sehr eindrücklich auf – aus Vater-Sicht: